bildet er einen Wirbel, von welchem aus die Haare gegen den Kopf gerichtet sind. Sein Bart ist an den Wangen spärlich. Der dünne, kurze Schwanz trägt einen dicken, am Ende abgestutzten Haar- busch. Sehr lang und stark sind die Finger. Das Thier ist auf dem Rücken graugelb, nach hinten rostroth, am Unterschenkel und den Füßen schwarz gefärbt. Die Haare des Kopfes und der Vorder- arme sind glänzend schwarz und ebenso die nackte Gesichtshaut.
Spix berichtet, daß dieser Affe in kleinen Gesellschaften an Flußrändern vorkommt und während seiner Wanderung meist einen mißtönenden Laut hören läßt. Jn der Gefangenschaft zeigt er sich ge- fräßig, stumpfsinnig, aber nicht bösartig, sondern furchtsam und gelassen. Humboldt besaß lange Zeit einen solchen Affen und erzählt, daß derselbe, wenn er gereizt wurde, das Maul auf die sonderbarste Art aufsperrte, sein Gesicht auf das ärgste verzog und in ein lebhaftes Lachen ausbrach. Er war sehr unbeholfen und nahm, wenn er Etwas ergreifen wollte, regelmäßig eine merkwürdige Stellung ein, indem er sich mit gekrümmtem Rücken niedersetzte und beide Arme weit von sich streckte. Der Anblick eines Krokodils oder einer Schlange versetzte ihn in solche Furcht, daß er am ganzen Körper zitterte.
Seine Heimat ist das nordwestliche Brasilien jenseits des Amazonenstromes, namentlich die Uferwaldungen der Flüsse Neugranadas und Ecuadors; er soll aber nirgends häufig sein.
Bis jetzt ist er meines Wissens nur einmal lebend nach Europa gebracht worden.
Azara ist der erste Naturforscher, welcher uns mit einem der merkwürdigsten aller Vierhänder bekannt gemacht hat. Wenig später, als er, berichtet Humboldt über dasselbe Thier, darauf und am ausführlichsten Rengger und endlich Schomburgk. Dieser Vierhänder ist der Nachtaffe, welcher als Vertreter einer eigenen Sippe (Nyetipithecus oder, wie sie Humboldt der kleinen Ohren wegen nennt, Aotus). Jn der Neuzeit hat man noch andere Arten derselben Sippe aufgesunden. Sie bilden gewissermaßen den Uebergang von den eigentlichen Affen zu den, wie sie, nächtlichlebenden und ihnen auch sonst in vieler Hinsicht nicht unähnlichen Halbaffen oder Aeffern. Jhr Kopf und ihr Gesichtsausdruck unterscheidet sie augenblicklich von allen bisher genannten und kennzeichnet sie sehr gut. Der Kopf ist klein und rundlich; die Augen sind groß und eulenähnlich. Die Schnauze ragt wenig hervor und ist breit und groß; die Nasenlöcher öffnen sich ganz nach unten, und die Ohren sind klein. Jhr Leib ist gestreckt, weich und locker behaart; der etwas buschige Schwanz ist länger, als der Körper. Die Nägel sind zusammengedrückt und gebogen. Alle Arten bewohnen Brasilien und seine Nachbar- länder. Die Lebensweise der einen ist auch die der anderen, und wir können deshalb, um die ganze Sippschaft kennen zu lernen, diejenige Art für uns auswählen, welche Rengger ausführlich beobachtet hat, den Mirikina* (Nyctipithecus trivirgatus).
Der schmächtige Leib des Thieres ist dreizehn, der Schwanz aber achtzehn Zoll lang. Die Färbung des Pelzes ist oben graubraun, mehr oder wenig rostfarbig; der Schwanz hat eine schwarze Spitze. Auf dem Scheitel finden sich drei gleichbreite, schwarze, mit einander gleichlaufende Streifen, und von dem Nacken bis zur Schwanzwurzel verläuft ein breiter, hellgelblich brauner Streifen. Alle Haare sind fein und sehr weich anzufühlen. Zwischen den Geschlechtern findet in der Färbung kein Unterschied statt.
Rengger behauptet, daß sich der Mirikina blos am rechten Ufer des Rio-Paraguay finde und zwar nur bis zum 25. Grade südlicher Breite. Am linken Ufer hat ihn bis jetzt Niemand angetroffen. Von seinen Sitten im freien Zustande ist nur wenig bekannt. Er bringt sein Leben auf und in Bäumen zu, geht während der Nacht seiner Nahrung nach und zieht sich am Morgen in eine Baum- höhle zurück, um hier den Tag über zu schlafen. Beim Sammeln von Brennholz fanden die Leute unsers Naturforschers einmal ein Pärchen dieser Affen, welche in einem hohlen Baume schliefen. Die aufgescheuchten Thiere suchten sogleich, zu entfliehen, waren aber von dem Sonnenlicht so geblendet, daß sie weder einen richtigen Sprung machen, noch sicher klettern konnten. Sie wurden deshalb leicht eingefangen, obwohl sie sich mit ihren scharfen Zähnen zu vertheidigen suchten. Das Lager bestand
Die Affen. Nachtaffen. — Mirikina.
bildet er einen Wirbel, von welchem aus die Haare gegen den Kopf gerichtet ſind. Sein Bart iſt an den Wangen ſpärlich. Der dünne, kurze Schwanz trägt einen dicken, am Ende abgeſtutzten Haar- buſch. Sehr lang und ſtark ſind die Finger. Das Thier iſt auf dem Rücken graugelb, nach hinten roſtroth, am Unterſchenkel und den Füßen ſchwarz gefärbt. Die Haare des Kopfes und der Vorder- arme ſind glänzend ſchwarz und ebenſo die nackte Geſichtshaut.
Spix berichtet, daß dieſer Affe in kleinen Geſellſchaften an Flußrändern vorkommt und während ſeiner Wanderung meiſt einen mißtönenden Laut hören läßt. Jn der Gefangenſchaft zeigt er ſich ge- fräßig, ſtumpfſinnig, aber nicht bösartig, ſondern furchtſam und gelaſſen. Humboldt beſaß lange Zeit einen ſolchen Affen und erzählt, daß derſelbe, wenn er gereizt wurde, das Maul auf die ſonderbarſte Art aufſperrte, ſein Geſicht auf das ärgſte verzog und in ein lebhaftes Lachen ausbrach. Er war ſehr unbeholfen und nahm, wenn er Etwas ergreifen wollte, regelmäßig eine merkwürdige Stellung ein, indem er ſich mit gekrümmtem Rücken niederſetzte und beide Arme weit von ſich ſtreckte. Der Anblick eines Krokodils oder einer Schlange verſetzte ihn in ſolche Furcht, daß er am ganzen Körper zitterte.
Seine Heimat iſt das nordweſtliche Braſilien jenſeits des Amazonenſtromes, namentlich die Uferwaldungen der Flüſſe Neugranadas und Ecuadors; er ſoll aber nirgends häufig ſein.
Bis jetzt iſt er meines Wiſſens nur einmal lebend nach Europa gebracht worden.
Azara iſt der erſte Naturforſcher, welcher uns mit einem der merkwürdigſten aller Vierhänder bekannt gemacht hat. Wenig ſpäter, als er, berichtet Humboldt über daſſelbe Thier, darauf und am ausführlichſten Rengger und endlich Schomburgk. Dieſer Vierhänder iſt der Nachtaffe, welcher als Vertreter einer eigenen Sippe (Nyetipithecus oder, wie ſie Humboldt der kleinen Ohren wegen nennt, Aotus). Jn der Neuzeit hat man noch andere Arten derſelben Sippe aufgeſunden. Sie bilden gewiſſermaßen den Uebergang von den eigentlichen Affen zu den, wie ſie, nächtlichlebenden und ihnen auch ſonſt in vieler Hinſicht nicht unähnlichen Halbaffen oder Aeffern. Jhr Kopf und ihr Geſichtsausdruck unterſcheidet ſie augenblicklich von allen bisher genannten und kennzeichnet ſie ſehr gut. Der Kopf iſt klein und rundlich; die Augen ſind groß und eulenähnlich. Die Schnauze ragt wenig hervor und iſt breit und groß; die Naſenlöcher öffnen ſich ganz nach unten, und die Ohren ſind klein. Jhr Leib iſt geſtreckt, weich und locker behaart; der etwas buſchige Schwanz iſt länger, als der Körper. Die Nägel ſind zuſammengedrückt und gebogen. Alle Arten bewohnen Braſilien und ſeine Nachbar- länder. Die Lebensweiſe der einen iſt auch die der anderen, und wir können deshalb, um die ganze Sippſchaft kennen zu lernen, diejenige Art für uns auswählen, welche Rengger ausführlich beobachtet hat, den Mirikina* (Nyctipithecus trivirgatus).
Der ſchmächtige Leib des Thieres iſt dreizehn, der Schwanz aber achtzehn Zoll lang. Die Färbung des Pelzes iſt oben graubraun, mehr oder wenig roſtfarbig; der Schwanz hat eine ſchwarze Spitze. Auf dem Scheitel finden ſich drei gleichbreite, ſchwarze, mit einander gleichlaufende Streifen, und von dem Nacken bis zur Schwanzwurzel verläuft ein breiter, hellgelblich brauner Streifen. Alle Haare ſind fein und ſehr weich anzufühlen. Zwiſchen den Geſchlechtern findet in der Färbung kein Unterſchied ſtatt.
Rengger behauptet, daß ſich der Mirikina blos am rechten Ufer des Rio-Paraguay finde und zwar nur bis zum 25. Grade ſüdlicher Breite. Am linken Ufer hat ihn bis jetzt Niemand angetroffen. Von ſeinen Sitten im freien Zuſtande iſt nur wenig bekannt. Er bringt ſein Leben auf und in Bäumen zu, geht während der Nacht ſeiner Nahrung nach und zieht ſich am Morgen in eine Baum- höhle zurück, um hier den Tag über zu ſchlafen. Beim Sammeln von Brennholz fanden die Leute unſers Naturforſchers einmal ein Pärchen dieſer Affen, welche in einem hohlen Baume ſchliefen. Die aufgeſcheuchten Thiere ſuchten ſogleich, zu entfliehen, waren aber von dem Sonnenlicht ſo geblendet, daß ſie weder einen richtigen Sprung machen, noch ſicher klettern konnten. Sie wurden deshalb leicht eingefangen, obwohl ſie ſich mit ihren ſcharfen Zähnen zu vertheidigen ſuchten. Das Lager beſtand
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[122/0180]
Die Affen. Nachtaffen. — Mirikina.
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den Wangen ſpärlich. Der dünne, kurze Schwanz trägt einen dicken, am Ende abgeſtutzten Haar-
buſch. Sehr lang und ſtark ſind die Finger. Das Thier iſt auf dem Rücken graugelb, nach hinten
roſtroth, am Unterſchenkel und den Füßen ſchwarz gefärbt. Die Haare des Kopfes und der Vorder-
arme ſind glänzend ſchwarz und ebenſo die nackte Geſichtshaut.
Spix berichtet, daß dieſer Affe in kleinen Geſellſchaften an Flußrändern vorkommt und während
ſeiner Wanderung meiſt einen mißtönenden Laut hören läßt. Jn der Gefangenſchaft zeigt er ſich ge-
fräßig, ſtumpfſinnig, aber nicht bösartig, ſondern furchtſam und gelaſſen. Humboldt beſaß lange Zeit
einen ſolchen Affen und erzählt, daß derſelbe, wenn er gereizt wurde, das Maul auf die ſonderbarſte
Art aufſperrte, ſein Geſicht auf das ärgſte verzog und in ein lebhaftes Lachen ausbrach. Er war ſehr
unbeholfen und nahm, wenn er Etwas ergreifen wollte, regelmäßig eine merkwürdige Stellung ein,
indem er ſich mit gekrümmtem Rücken niederſetzte und beide Arme weit von ſich ſtreckte. Der Anblick
eines Krokodils oder einer Schlange verſetzte ihn in ſolche Furcht, daß er am ganzen Körper zitterte.
Seine Heimat iſt das nordweſtliche Braſilien jenſeits des Amazonenſtromes, namentlich die
Uferwaldungen der Flüſſe Neugranadas und Ecuadors; er ſoll aber nirgends häufig ſein.
Bis jetzt iſt er meines Wiſſens nur einmal lebend nach Europa gebracht worden.
Azara iſt der erſte Naturforſcher, welcher uns mit einem der merkwürdigſten aller Vierhänder
bekannt gemacht hat. Wenig ſpäter, als er, berichtet Humboldt über daſſelbe Thier, darauf und am
ausführlichſten Rengger und endlich Schomburgk. Dieſer Vierhänder iſt der Nachtaffe, welcher
als Vertreter einer eigenen Sippe (Nyetipithecus oder, wie ſie Humboldt der kleinen Ohren wegen
nennt, Aotus). Jn der Neuzeit hat man noch andere Arten derſelben Sippe aufgeſunden. Sie
bilden gewiſſermaßen den Uebergang von den eigentlichen Affen zu den, wie ſie, nächtlichlebenden und
ihnen auch ſonſt in vieler Hinſicht nicht unähnlichen Halbaffen oder Aeffern. Jhr Kopf und ihr
Geſichtsausdruck unterſcheidet ſie augenblicklich von allen bisher genannten und kennzeichnet ſie ſehr gut.
Der Kopf iſt klein und rundlich; die Augen ſind groß und eulenähnlich. Die Schnauze ragt wenig
hervor und iſt breit und groß; die Naſenlöcher öffnen ſich ganz nach unten, und die Ohren ſind klein.
Jhr Leib iſt geſtreckt, weich und locker behaart; der etwas buſchige Schwanz iſt länger, als der Körper.
Die Nägel ſind zuſammengedrückt und gebogen. Alle Arten bewohnen Braſilien und ſeine Nachbar-
länder. Die Lebensweiſe der einen iſt auch die der anderen, und wir können deshalb, um die ganze
Sippſchaft kennen zu lernen, diejenige Art für uns auswählen, welche Rengger ausführlich beobachtet
hat, den Mirikina* (Nyctipithecus trivirgatus).
Der ſchmächtige Leib des Thieres iſt dreizehn, der Schwanz aber achtzehn Zoll lang. Die
Färbung des Pelzes iſt oben graubraun, mehr oder wenig roſtfarbig; der Schwanz hat eine ſchwarze
Spitze. Auf dem Scheitel finden ſich drei gleichbreite, ſchwarze, mit einander gleichlaufende Streifen,
und von dem Nacken bis zur Schwanzwurzel verläuft ein breiter, hellgelblich brauner Streifen. Alle
Haare ſind fein und ſehr weich anzufühlen. Zwiſchen den Geſchlechtern findet in der Färbung kein
Unterſchied ſtatt.
Rengger behauptet, daß ſich der Mirikina blos am rechten Ufer des Rio-Paraguay finde und
zwar nur bis zum 25. Grade ſüdlicher Breite. Am linken Ufer hat ihn bis jetzt Niemand angetroffen.
Von ſeinen Sitten im freien Zuſtande iſt nur wenig bekannt. Er bringt ſein Leben auf und in
Bäumen zu, geht während der Nacht ſeiner Nahrung nach und zieht ſich am Morgen in eine Baum-
höhle zurück, um hier den Tag über zu ſchlafen. Beim Sammeln von Brennholz fanden die Leute
unſers Naturforſchers einmal ein Pärchen dieſer Affen, welche in einem hohlen Baume ſchliefen. Die
aufgeſcheuchten Thiere ſuchten ſogleich, zu entfliehen, waren aber von dem Sonnenlicht ſo geblendet,
daß ſie weder einen richtigen Sprung machen, noch ſicher klettern konnten. Sie wurden deshalb leicht
eingefangen, obwohl ſie ſich mit ihren ſcharfen Zähnen zu vertheidigen ſuchten. Das Lager beſtand
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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