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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Rollaffen. -- Brauner und Gehörnter Rollaffe. Springaffen. -- Saimiri.
und in doppelt gewaltigen Sprüngen flogen sie förmlich über uns hin, ohne daß auch nur ein anderer
Ton, als das vermehrte Geräusch in den Zweigen gehört worden wäre."

"Bei einem solchen Vorfalle war ich Zeuge eines wirklich rührenden Beispiels aufopfernder
Mutterliebe. Schon wollte ich nach meinem Boote zurückkehren, als die ängstliche Stimme eines
Affen in einem Baume über mir es laut verkündete, daß er von seiner Mutter bei ihrer wilden Flucht
vergessen worden war. Einer meiner Jndianer erkletterte den Baum. Kaum sah das Thier die
fremde Gestalt, als ihm die Angst einige lautere Töne auspreßte, die plötzlich vom nächsten Baum
von der zurückgekehrten Mutter beantwortet wurden. Kaum waren diese Töne von dem geängstigten
Thiere gehört, als es dieselben auch wieder mit einer ganz eigenen Stimme beantwortete, die nun
andererseits ebenfalls ihren Wiederklang in dem Locken der Mutter fanden. Ein Schuß verwundete
die Arme; sie schickte sich wohl zur Flucht an, kehrte aber augenblicklich wieder zurück, als ihr Liebling
nochmals jene Angsttöne ausstieß, und sprang, ungeachtet eines zweiten Schusses, der sie fehlte, mit
Anstrengung auf den Ast, welcher das klagende Junge trug. Schnell nahm sie dieses auf den Rücken
und wollte sich eben mit ihm entfernen, als sie, trotz meines strengen Verbotes, ein dritter Schuß

[Abbildung] Der gehörnte Rollaffe (Cebus fatuellus).
tödtete. Noch im Todeskrampfe drückte sie ihren Liebling fest an sich und versuchte die Flucht, stürzte
aber bei diesem Versuche auf den Boden herab."

Man bringt den Apella sehr häufig zu uns, und er ist deshalb in Thiergärten und Thier-
schaubuden oft genug zu finden. Die im ganzen Süden Europas umherpilgernden Savoyarden be-
nutzen ihn, wie manche Meerkatzen, um das Herz wohlhabender Leute wirksamer zu bearbeiten, als
sie es mit ihren Drehorgeln vermögen. Die Musik dieser oft recht erbärmlich verstimmten Werkzeuge
ist in den Straßen der Städte Frankreichs, Spaniens und Jtaliens so gewöhnlich, daß kein Mensch
mehr auf den armen Bittsteller achtet, welcher die heitere Muse zu Hilfe ruft und mit Klängen und
Liedern Herzen rühren will. Ach, gerade die Töne verschließen ihm diese Herzen; sie rufen den Un-
muth wach, und der Beutel bleibt geschlossen. Da gebietet der Tonkünstler seiner zahmen Meerkatze,
seinem Apella und Apollo zu seinem Besten an die verschlossenen Menschenherzen zu klopfen. Das
Thier ist an einer langen, dünnen Leine befestigt, welche sein Herr zum größern Theile um die Hand
gewickelt hat; jetzt lockert er die Bande, und unter den Klängen der Marseillaise oder irgend eines
Gassenhauers steigt der kleine Bettler an Dachrinnen und Gesimsen empor, von Stockwerk zu
Stockwerk, bis zur Mansarde hinauf. Und nun erscheint er am Fenster, ein Kind entdeckt ihn, heller

Die Affen. Rollaffen. — Brauner und Gehörnter Rollaffe. Springaffen. — Saimiri.
und in doppelt gewaltigen Sprüngen flogen ſie förmlich über uns hin, ohne daß auch nur ein anderer
Ton, als das vermehrte Geräuſch in den Zweigen gehört worden wäre.‟

„Bei einem ſolchen Vorfalle war ich Zeuge eines wirklich rührenden Beiſpiels aufopfernder
Mutterliebe. Schon wollte ich nach meinem Boote zurückkehren, als die ängſtliche Stimme eines
Affen in einem Baume über mir es laut verkündete, daß er von ſeiner Mutter bei ihrer wilden Flucht
vergeſſen worden war. Einer meiner Jndianer erkletterte den Baum. Kaum ſah das Thier die
fremde Geſtalt, als ihm die Angſt einige lautere Töne auspreßte, die plötzlich vom nächſten Baum
von der zurückgekehrten Mutter beantwortet wurden. Kaum waren dieſe Töne von dem geängſtigten
Thiere gehört, als es dieſelben auch wieder mit einer ganz eigenen Stimme beantwortete, die nun
andererſeits ebenfalls ihren Wiederklang in dem Locken der Mutter fanden. Ein Schuß verwundete
die Arme; ſie ſchickte ſich wohl zur Flucht an, kehrte aber augenblicklich wieder zurück, als ihr Liebling
nochmals jene Angſttöne ausſtieß, und ſprang, ungeachtet eines zweiten Schuſſes, der ſie fehlte, mit
Anſtrengung auf den Aſt, welcher das klagende Junge trug. Schnell nahm ſie dieſes auf den Rücken
und wollte ſich eben mit ihm entfernen, als ſie, trotz meines ſtrengen Verbotes, ein dritter Schuß

[Abbildung] Der gehörnte Rollaffe (Cebus fatuellus).
tödtete. Noch im Todeskrampfe drückte ſie ihren Liebling feſt an ſich und verſuchte die Flucht, ſtürzte
aber bei dieſem Verſuche auf den Boden herab.‟

Man bringt den Apella ſehr häufig zu uns, und er iſt deshalb in Thiergärten und Thier-
ſchaubuden oft genug zu finden. Die im ganzen Süden Europas umherpilgernden Savoyarden be-
nutzen ihn, wie manche Meerkatzen, um das Herz wohlhabender Leute wirkſamer zu bearbeiten, als
ſie es mit ihren Drehorgeln vermögen. Die Muſik dieſer oft recht erbärmlich verſtimmten Werkzeuge
iſt in den Straßen der Städte Frankreichs, Spaniens und Jtaliens ſo gewöhnlich, daß kein Menſch
mehr auf den armen Bittſteller achtet, welcher die heitere Muſe zu Hilfe ruft und mit Klängen und
Liedern Herzen rühren will. Ach, gerade die Töne verſchließen ihm dieſe Herzen; ſie rufen den Un-
muth wach, und der Beutel bleibt geſchloſſen. Da gebietet der Tonkünſtler ſeiner zahmen Meerkatze,
ſeinem Apella und Apollo zu ſeinem Beſten an die verſchloſſenen Menſchenherzen zu klopfen. Das
Thier iſt an einer langen, dünnen Leine befeſtigt, welche ſein Herr zum größern Theile um die Hand
gewickelt hat; jetzt lockert er die Bande, und unter den Klängen der Marſeillaiſe oder irgend eines
Gaſſenhauers ſteigt der kleine Bettler an Dachrinnen und Geſimſen empor, von Stockwerk zu
Stockwerk, bis zur Manſarde hinauf. Und nun erſcheint er am Fenſter, ein Kind entdeckt ihn, heller

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[114/0172] Die Affen. Rollaffen. — Brauner und Gehörnter Rollaffe. Springaffen. — Saimiri. und in doppelt gewaltigen Sprüngen flogen ſie förmlich über uns hin, ohne daß auch nur ein anderer Ton, als das vermehrte Geräuſch in den Zweigen gehört worden wäre.‟ „Bei einem ſolchen Vorfalle war ich Zeuge eines wirklich rührenden Beiſpiels aufopfernder Mutterliebe. Schon wollte ich nach meinem Boote zurückkehren, als die ängſtliche Stimme eines Affen in einem Baume über mir es laut verkündete, daß er von ſeiner Mutter bei ihrer wilden Flucht vergeſſen worden war. Einer meiner Jndianer erkletterte den Baum. Kaum ſah das Thier die fremde Geſtalt, als ihm die Angſt einige lautere Töne auspreßte, die plötzlich vom nächſten Baum von der zurückgekehrten Mutter beantwortet wurden. Kaum waren dieſe Töne von dem geängſtigten Thiere gehört, als es dieſelben auch wieder mit einer ganz eigenen Stimme beantwortete, die nun andererſeits ebenfalls ihren Wiederklang in dem Locken der Mutter fanden. Ein Schuß verwundete die Arme; ſie ſchickte ſich wohl zur Flucht an, kehrte aber augenblicklich wieder zurück, als ihr Liebling nochmals jene Angſttöne ausſtieß, und ſprang, ungeachtet eines zweiten Schuſſes, der ſie fehlte, mit Anſtrengung auf den Aſt, welcher das klagende Junge trug. Schnell nahm ſie dieſes auf den Rücken und wollte ſich eben mit ihm entfernen, als ſie, trotz meines ſtrengen Verbotes, ein dritter Schuß [Abbildung Der gehörnte Rollaffe (Cebus fatuellus).] tödtete. Noch im Todeskrampfe drückte ſie ihren Liebling feſt an ſich und verſuchte die Flucht, ſtürzte aber bei dieſem Verſuche auf den Boden herab.‟ Man bringt den Apella ſehr häufig zu uns, und er iſt deshalb in Thiergärten und Thier- ſchaubuden oft genug zu finden. Die im ganzen Süden Europas umherpilgernden Savoyarden be- nutzen ihn, wie manche Meerkatzen, um das Herz wohlhabender Leute wirkſamer zu bearbeiten, als ſie es mit ihren Drehorgeln vermögen. Die Muſik dieſer oft recht erbärmlich verſtimmten Werkzeuge iſt in den Straßen der Städte Frankreichs, Spaniens und Jtaliens ſo gewöhnlich, daß kein Menſch mehr auf den armen Bittſteller achtet, welcher die heitere Muſe zu Hilfe ruft und mit Klängen und Liedern Herzen rühren will. Ach, gerade die Töne verſchließen ihm dieſe Herzen; ſie rufen den Un- muth wach, und der Beutel bleibt geſchloſſen. Da gebietet der Tonkünſtler ſeiner zahmen Meerkatze, ſeinem Apella und Apollo zu ſeinem Beſten an die verſchloſſenen Menſchenherzen zu klopfen. Das Thier iſt an einer langen, dünnen Leine befeſtigt, welche ſein Herr zum größern Theile um die Hand gewickelt hat; jetzt lockert er die Bande, und unter den Klängen der Marſeillaiſe oder irgend eines Gaſſenhauers ſteigt der kleine Bettler an Dachrinnen und Geſimſen empor, von Stockwerk zu Stockwerk, bis zur Manſarde hinauf. Und nun erſcheint er am Fenſter, ein Kind entdeckt ihn, heller

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/172>, abgerufen am 26.11.2024.