Unter den Sinnen des Thieres steht der Tastsinn oben an; die übrigen sind schwach. Er ist kurzsichtig und sieht bei Nacht gar nicht; er hört schlecht, denn man kann ihn leicht beschleichen. Noch schwächer ist sein Geruch; denn er hält jeden zu beriechenden Gegenstand nahe an die Nase und wird noch immer oft genug durch den Geruch getäuscht und verleitet, Sachen zu kosten, welche ihm der Sinn des Geschmacks als ungenießbar bezeichnet. Bei großem Hunger oder Durst nimmt er seinen eignen Koth zu sich und trinkt seinen eignen Harn. Der Tastsinn ersetzt die Schwächen der übrigen Sinne wenigstens einigermaßen. Er zeigt sich hauptsächlich in den Vorderhänden, weniger in den Hinterhänden und gar nicht im Schwanze. Durch Uebung und Erziehung wird dieser Sinn einer großen Vervollkommnung fähig. Rengger's Cay brachte es so weit, daß er seinen Herrn in der dunkelsten Nacht erkannte, sobald er nur einen Augenblick dessen gewöhnliche Kleidung betastet hatte.
Die Laute, welche der Cay von sich giebt, wechseln im Einklange mit seinen Gemüthsbewe- gungen. Man hört am häufigsten einen flötenden Ton von ihm, welcher, wie es scheint, aus Lange- weile ausgestoßen wird. Verlangt er dagegen Etwas, so stöhnt er. Erstannen oder Verlegenheit drückt er durch einen halb pfeifenden Ton aus; im Zorn schreit er mit tiefer und grober Stimme mehrmals "Hu, hu!" Bei Furcht oder Schmerz kreischt, bei freudigen Ereignissen dagegen kichert er. Mit diesen verschiedenen Tönen theilt der Leitaffe seiner Herde auch in der Freiheit seine Empfin- dungen mit. Diese sprechen sich übrigens nicht allein durch Laute und Bewegungen, sondern zu- weilen auch durch eine Art von Lachen und Weinen aus. Das Erstere besteht im Zurückziehen der Mundwinkel; er giebt dabei aber keinen Ton von sich. Beim Weinen füllen sich seine Augen mit Thränen, welche jedoch niemals über die Wangen herabfließen.
Wie alle Affen ist auch der Cay sehr unreinlich. Er läßt seinen Koth überall fallen und be- schmuzt sich auch häufig damit und zwar um so mehr, je weniger Freiheit man ihm läßt; mit seinem Harn besudelt er sich unaufhörlich.
Auch dieser Affe unterscheidet männliche und weibliche Menschen, und der männliche Affe liebt mehr Frauen oder Mädchen, der weibliche mehr Männer und Knaben.
Es kommt nicht selten vor, daß sich die Cay's in der Gefangenschaft begatten und dort Junge gebären. Jhre Zärtlichkeit für dieselben scheint hier noch größer zu sein, als in der Freiheit. Sie geben sich den ganzen Tag mit ihrem Kinde ab, lassen es von keinem Menschen berühren, zeigen es blos Leuten, welchen sie gewogen sind, und vertheidigen es muthig gegen jeden Andern.
Der Cay ist sehr empfindlich gegen Kälte und Feuchtigkeit und muß gegen sie geschützt sein, wenn er nicht erkranken soll. Dies ist leicht, weil er sich gern in eine wollene Decke einwickelt. Jn das Wasser geht er aus freien Stücken niemals. Auch hat man nie beobachtet, daß er sich durch Schwimmen zu retten versuchte. Wohl aber weiß man, daß er bald untergeht, wenn man ihn in das Wasser wirft. Jn der Gefangenschaft ist er vielen Krankheiten, namentlich dem Schnupfen und Husten ausgesetzt und leidet, wie seine altweltlichen Vettern, ebenfalls oft genug an der Schwind- sucht. Gegen die leichten Krankheiten helfen ärztliche Mittel oder bringen wenigstens dieselben Wir- kungen hervor wie beim Menschen. Nach Rengger's Schätzung dürfte sich das Alter, welches er erreichen kann, auf etwa funfzehn Jahre belaufen.
Die geistigen Eigenschaften des Cay sind unserer vollsten Beachtung würdig. Er lernt schon in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft seinen Herrn und Wärter kennen, sucht sich bei ihm Nahrung, Wärme, Schutz und Hilfe, vertraut ihm vollständig, freut sich, wenn dieser mit ihm spielt, läßt sich alle Neckereien gern von ihm gefallen, zeigt nach einiger Trennung beim Wiedersehen eine ausgelassene Freude und giebt sich demselben zuletzt so hin, daß er bald seine Freiheit ganz vergißt und zum halben Hausthier wird. Ein altes Männchen, welches Rengger besaß, machte sich zu- weilen von seinem Riemen los und entfloh im ersten Gefühl der Freude über die erlangte Freiheit, kehrte aber nach Verlauf von zwei bis drei Tagen immer wieder in seine Gefangenschaft zurück, suchte seinen Wärter wieder auf und ließ sich nun ohne alle Umstände von diesem anbinden. Diejenigen
Betragen in der Gefangenſchaft.
Unter den Sinnen des Thieres ſteht der Taſtſinn oben an; die übrigen ſind ſchwach. Er iſt kurzſichtig und ſieht bei Nacht gar nicht; er hört ſchlecht, denn man kann ihn leicht beſchleichen. Noch ſchwächer iſt ſein Geruch; denn er hält jeden zu beriechenden Gegenſtand nahe an die Naſe und wird noch immer oft genug durch den Geruch getäuſcht und verleitet, Sachen zu koſten, welche ihm der Sinn des Geſchmacks als ungenießbar bezeichnet. Bei großem Hunger oder Durſt nimmt er ſeinen eignen Koth zu ſich und trinkt ſeinen eignen Harn. Der Taſtſinn erſetzt die Schwächen der übrigen Sinne wenigſtens einigermaßen. Er zeigt ſich hauptſächlich in den Vorderhänden, weniger in den Hinterhänden und gar nicht im Schwanze. Durch Uebung und Erziehung wird dieſer Sinn einer großen Vervollkommnung fähig. Rengger’s Cay brachte es ſo weit, daß er ſeinen Herrn in der dunkelſten Nacht erkannte, ſobald er nur einen Augenblick deſſen gewöhnliche Kleidung betaſtet hatte.
Die Laute, welche der Cay von ſich giebt, wechſeln im Einklange mit ſeinen Gemüthsbewe- gungen. Man hört am häufigſten einen flötenden Ton von ihm, welcher, wie es ſcheint, aus Lange- weile ausgeſtoßen wird. Verlangt er dagegen Etwas, ſo ſtöhnt er. Erſtannen oder Verlegenheit drückt er durch einen halb pfeifenden Ton aus; im Zorn ſchreit er mit tiefer und grober Stimme mehrmals „Hu, hu!‟ Bei Furcht oder Schmerz kreiſcht, bei freudigen Ereigniſſen dagegen kichert er. Mit dieſen verſchiedenen Tönen theilt der Leitaffe ſeiner Herde auch in der Freiheit ſeine Empfin- dungen mit. Dieſe ſprechen ſich übrigens nicht allein durch Laute und Bewegungen, ſondern zu- weilen auch durch eine Art von Lachen und Weinen aus. Das Erſtere beſteht im Zurückziehen der Mundwinkel; er giebt dabei aber keinen Ton von ſich. Beim Weinen füllen ſich ſeine Augen mit Thränen, welche jedoch niemals über die Wangen herabfließen.
Wie alle Affen iſt auch der Cay ſehr unreinlich. Er läßt ſeinen Koth überall fallen und be- ſchmuzt ſich auch häufig damit und zwar um ſo mehr, je weniger Freiheit man ihm läßt; mit ſeinem Harn beſudelt er ſich unaufhörlich.
Auch dieſer Affe unterſcheidet männliche und weibliche Menſchen, und der männliche Affe liebt mehr Frauen oder Mädchen, der weibliche mehr Männer und Knaben.
Es kommt nicht ſelten vor, daß ſich die Cay’s in der Gefangenſchaft begatten und dort Junge gebären. Jhre Zärtlichkeit für dieſelben ſcheint hier noch größer zu ſein, als in der Freiheit. Sie geben ſich den ganzen Tag mit ihrem Kinde ab, laſſen es von keinem Menſchen berühren, zeigen es blos Leuten, welchen ſie gewogen ſind, und vertheidigen es muthig gegen jeden Andern.
Der Cay iſt ſehr empfindlich gegen Kälte und Feuchtigkeit und muß gegen ſie geſchützt ſein, wenn er nicht erkranken ſoll. Dies iſt leicht, weil er ſich gern in eine wollene Decke einwickelt. Jn das Waſſer geht er aus freien Stücken niemals. Auch hat man nie beobachtet, daß er ſich durch Schwimmen zu retten verſuchte. Wohl aber weiß man, daß er bald untergeht, wenn man ihn in das Waſſer wirft. Jn der Gefangenſchaft iſt er vielen Krankheiten, namentlich dem Schnupfen und Huſten ausgeſetzt und leidet, wie ſeine altweltlichen Vettern, ebenfalls oft genug an der Schwind- ſucht. Gegen die leichten Krankheiten helfen ärztliche Mittel oder bringen wenigſtens dieſelben Wir- kungen hervor wie beim Menſchen. Nach Rengger’s Schätzung dürfte ſich das Alter, welches er erreichen kann, auf etwa funfzehn Jahre belaufen.
Die geiſtigen Eigenſchaften des Cay ſind unſerer vollſten Beachtung würdig. Er lernt ſchon in den erſten Tagen ſeiner Gefangenſchaft ſeinen Herrn und Wärter kennen, ſucht ſich bei ihm Nahrung, Wärme, Schutz und Hilfe, vertraut ihm vollſtändig, freut ſich, wenn dieſer mit ihm ſpielt, läßt ſich alle Neckereien gern von ihm gefallen, zeigt nach einiger Trennung beim Wiederſehen eine ausgelaſſene Freude und giebt ſich demſelben zuletzt ſo hin, daß er bald ſeine Freiheit ganz vergißt und zum halben Hausthier wird. Ein altes Männchen, welches Rengger beſaß, machte ſich zu- weilen von ſeinem Riemen los und entfloh im erſten Gefühl der Freude über die erlangte Freiheit, kehrte aber nach Verlauf von zwei bis drei Tagen immer wieder in ſeine Gefangenſchaft zurück, ſuchte ſeinen Wärter wieder auf und ließ ſich nun ohne alle Umſtände von dieſem anbinden. Diejenigen
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Betragen in der Gefangenſchaft.
Unter den Sinnen des Thieres ſteht der Taſtſinn oben an; die übrigen ſind ſchwach. Er iſt
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ſchwächer iſt ſein Geruch; denn er hält jeden zu beriechenden Gegenſtand nahe an die Naſe und wird
noch immer oft genug durch den Geruch getäuſcht und verleitet, Sachen zu koſten, welche ihm der
Sinn des Geſchmacks als ungenießbar bezeichnet. Bei großem Hunger oder Durſt nimmt er
ſeinen eignen Koth zu ſich und trinkt ſeinen eignen Harn. Der Taſtſinn erſetzt die Schwächen der
übrigen Sinne wenigſtens einigermaßen. Er zeigt ſich hauptſächlich in den Vorderhänden, weniger
in den Hinterhänden und gar nicht im Schwanze. Durch Uebung und Erziehung wird dieſer
Sinn einer großen Vervollkommnung fähig. Rengger’s Cay brachte es ſo weit, daß er ſeinen
Herrn in der dunkelſten Nacht erkannte, ſobald er nur einen Augenblick deſſen gewöhnliche Kleidung
betaſtet hatte.
Die Laute, welche der Cay von ſich giebt, wechſeln im Einklange mit ſeinen Gemüthsbewe-
gungen. Man hört am häufigſten einen flötenden Ton von ihm, welcher, wie es ſcheint, aus Lange-
weile ausgeſtoßen wird. Verlangt er dagegen Etwas, ſo ſtöhnt er. Erſtannen oder Verlegenheit
drückt er durch einen halb pfeifenden Ton aus; im Zorn ſchreit er mit tiefer und grober Stimme
mehrmals „Hu, hu!‟ Bei Furcht oder Schmerz kreiſcht, bei freudigen Ereigniſſen dagegen kichert er.
Mit dieſen verſchiedenen Tönen theilt der Leitaffe ſeiner Herde auch in der Freiheit ſeine Empfin-
dungen mit. Dieſe ſprechen ſich übrigens nicht allein durch Laute und Bewegungen, ſondern zu-
weilen auch durch eine Art von Lachen und Weinen aus. Das Erſtere beſteht im Zurückziehen der
Mundwinkel; er giebt dabei aber keinen Ton von ſich. Beim Weinen füllen ſich ſeine Augen mit
Thränen, welche jedoch niemals über die Wangen herabfließen.
Wie alle Affen iſt auch der Cay ſehr unreinlich. Er läßt ſeinen Koth überall fallen und be-
ſchmuzt ſich auch häufig damit und zwar um ſo mehr, je weniger Freiheit man ihm läßt; mit ſeinem
Harn beſudelt er ſich unaufhörlich.
Auch dieſer Affe unterſcheidet männliche und weibliche Menſchen, und der männliche Affe liebt
mehr Frauen oder Mädchen, der weibliche mehr Männer und Knaben.
Es kommt nicht ſelten vor, daß ſich die Cay’s in der Gefangenſchaft begatten und dort Junge
gebären. Jhre Zärtlichkeit für dieſelben ſcheint hier noch größer zu ſein, als in der Freiheit. Sie
geben ſich den ganzen Tag mit ihrem Kinde ab, laſſen es von keinem Menſchen berühren, zeigen es
blos Leuten, welchen ſie gewogen ſind, und vertheidigen es muthig gegen jeden Andern.
Der Cay iſt ſehr empfindlich gegen Kälte und Feuchtigkeit und muß gegen ſie geſchützt ſein,
wenn er nicht erkranken ſoll. Dies iſt leicht, weil er ſich gern in eine wollene Decke einwickelt. Jn
das Waſſer geht er aus freien Stücken niemals. Auch hat man nie beobachtet, daß er ſich durch
Schwimmen zu retten verſuchte. Wohl aber weiß man, daß er bald untergeht, wenn man ihn in
das Waſſer wirft. Jn der Gefangenſchaft iſt er vielen Krankheiten, namentlich dem Schnupfen und
Huſten ausgeſetzt und leidet, wie ſeine altweltlichen Vettern, ebenfalls oft genug an der Schwind-
ſucht. Gegen die leichten Krankheiten helfen ärztliche Mittel oder bringen wenigſtens dieſelben Wir-
kungen hervor wie beim Menſchen. Nach Rengger’s Schätzung dürfte ſich das Alter, welches er
erreichen kann, auf etwa funfzehn Jahre belaufen.
Die geiſtigen Eigenſchaften des Cay ſind unſerer vollſten Beachtung würdig. Er lernt ſchon
in den erſten Tagen ſeiner Gefangenſchaft ſeinen Herrn und Wärter kennen, ſucht ſich bei ihm
Nahrung, Wärme, Schutz und Hilfe, vertraut ihm vollſtändig, freut ſich, wenn dieſer mit ihm ſpielt,
läßt ſich alle Neckereien gern von ihm gefallen, zeigt nach einiger Trennung beim Wiederſehen eine
ausgelaſſene Freude und giebt ſich demſelben zuletzt ſo hin, daß er bald ſeine Freiheit ganz vergißt
und zum halben Hausthier wird. Ein altes Männchen, welches Rengger beſaß, machte ſich zu-
weilen von ſeinem Riemen los und entfloh im erſten Gefühl der Freude über die erlangte Freiheit,
kehrte aber nach Verlauf von zwei bis drei Tagen immer wieder in ſeine Gefangenſchaft zurück, ſuchte
ſeinen Wärter wieder auf und ließ ſich nun ohne alle Umſtände von dieſem anbinden. Diejenigen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/169>, abgerufen am 25.11.2024.
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