Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung. Lebensweise. Betragen.
Pomeranzenbaum mit reifen Früchten, gab einige Laute von sich und sprang auf den Baum zu.
Nach wenigen Augenblicken war die ganze Gesellschaft dort versammelt und beschäftigte sich mit Ab-
reißen und Fressen der süßen Früchte. Einige fraßen gleich auf dem Baume; die anderen sprangen,
mit je zwei Früchten beladen, auf einen der nächsten Bäume, dessen starke Aeste ihnen eine bequeme
Tafel abgaben. Sie setzten sich auf einen Ast, umschlangen diesen mit ihrem Schwanze, nahmen
dann eine der Pomeranzen zwischen die Hinterbeine und versuchten nun bei dieser die Schale in der
Vertiefung des Stielansatzes mit den Fingern zu lösen. Gelang es ihnen nicht sogleich, so schlugen
sie unwillig und knurrend die Früchte zu wiederholten Malen gegen den Ast, wodurch die Schale
dann einen Riß erhielt. Kein einziger versuchte, die Schale mit den Zähnen zu lösen, wahrscheinlich
weil ihnen der bittere Geschmack derselben bekannt war: sobald aber eine kleine Oeffnung in derselben
[Abbildung] Der Cay oder Sai (Cebus capucinus).
gemacht worden war, zogen sie mit der Hand rasch einen Theil davon ab, leckten gierig an dem herab-
träufelnden Saft, nicht nur an der Frucht, sondern auch den, der an ihrem Arm oder der Hand war,
und verzehrten dann das Fleisch. Der Baum war bald geleert, und jetzt suchten die stärkeren Affen
die schwächeren um das Jhrige zu berauben, und dabei schnitten beide die seltsamsten Gesichter,
fletschten mit den Zähnen, fuhren einander in die Haare und zausten sich tüchtig herum. Andere
durchsuchten die abgestorbene Seite des Baumes, hoben die trockene Rinde vorsichtig auf und fraßen
die darunter hausenden Kerbthierlarven. Als sie sich gesättigt hatten, legten sie sich in der bei den
Brüllaffen beschriebenen Stellung der Länge nach über einen wagerechten Ast weg, um zu ruhen.
Die Jüngeren aber begannen mit einander zu spielen und zeigten sich dabei sehr behend. An ihrem
Schwanze schaukelten sie sich oder stiegen an ihm, wie an einem Stricke in die Höhe.

Beſchreibung. Lebensweiſe. Betragen.
Pomeranzenbaum mit reifen Früchten, gab einige Laute von ſich und ſprang auf den Baum zu.
Nach wenigen Augenblicken war die ganze Geſellſchaft dort verſammelt und beſchäftigte ſich mit Ab-
reißen und Freſſen der ſüßen Früchte. Einige fraßen gleich auf dem Baume; die anderen ſprangen,
mit je zwei Früchten beladen, auf einen der nächſten Bäume, deſſen ſtarke Aeſte ihnen eine bequeme
Tafel abgaben. Sie ſetzten ſich auf einen Aſt, umſchlangen dieſen mit ihrem Schwanze, nahmen
dann eine der Pomeranzen zwiſchen die Hinterbeine und verſuchten nun bei dieſer die Schale in der
Vertiefung des Stielanſatzes mit den Fingern zu löſen. Gelang es ihnen nicht ſogleich, ſo ſchlugen
ſie unwillig und knurrend die Früchte zu wiederholten Malen gegen den Aſt, wodurch die Schale
dann einen Riß erhielt. Kein einziger verſuchte, die Schale mit den Zähnen zu löſen, wahrſcheinlich
weil ihnen der bittere Geſchmack derſelben bekannt war: ſobald aber eine kleine Oeffnung in derſelben
[Abbildung] Der Cay oder Sai (Cebus capucinus).
gemacht worden war, zogen ſie mit der Hand raſch einen Theil davon ab, leckten gierig an dem herab-
träufelnden Saft, nicht nur an der Frucht, ſondern auch den, der an ihrem Arm oder der Hand war,
und verzehrten dann das Fleiſch. Der Baum war bald geleert, und jetzt ſuchten die ſtärkeren Affen
die ſchwächeren um das Jhrige zu berauben, und dabei ſchnitten beide die ſeltſamſten Geſichter,
fletſchten mit den Zähnen, fuhren einander in die Haare und zauſten ſich tüchtig herum. Andere
durchſuchten die abgeſtorbene Seite des Baumes, hoben die trockene Rinde vorſichtig auf und fraßen
die darunter hauſenden Kerbthierlarven. Als ſie ſich geſättigt hatten, legten ſie ſich in der bei den
Brüllaffen beſchriebenen Stellung der Länge nach über einen wagerechten Aſt weg, um zu ruhen.
Die Jüngeren aber begannen mit einander zu ſpielen und zeigten ſich dabei ſehr behend. An ihrem
Schwanze ſchaukelten ſie ſich oder ſtiegen an ihm, wie an einem Stricke in die Höhe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0167" n="109"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung. Lebenswei&#x017F;e. Betragen.</fw><lb/>
Pomeranzenbaum mit reifen Früchten, gab einige Laute von &#x017F;ich und &#x017F;prang auf den Baum zu.<lb/>
Nach wenigen Augenblicken war die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft dort ver&#x017F;ammelt und be&#x017F;chäftigte &#x017F;ich mit Ab-<lb/>
reißen und Fre&#x017F;&#x017F;en der &#x017F;üßen Früchte. Einige fraßen gleich auf dem Baume; die anderen &#x017F;prangen,<lb/>
mit je zwei Früchten beladen, auf einen der näch&#x017F;ten Bäume, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tarke Ae&#x017F;te ihnen eine bequeme<lb/>
Tafel abgaben. Sie &#x017F;etzten &#x017F;ich auf einen A&#x017F;t, um&#x017F;chlangen die&#x017F;en mit ihrem Schwanze, nahmen<lb/>
dann eine der Pomeranzen zwi&#x017F;chen die Hinterbeine und ver&#x017F;uchten nun bei die&#x017F;er die Schale in der<lb/>
Vertiefung des Stielan&#x017F;atzes mit den Fingern zu lö&#x017F;en. Gelang es ihnen nicht &#x017F;ogleich, &#x017F;o &#x017F;chlugen<lb/>
&#x017F;ie unwillig und knurrend die Früchte zu wiederholten Malen gegen den A&#x017F;t, wodurch die Schale<lb/>
dann einen Riß erhielt. Kein einziger ver&#x017F;uchte, die Schale mit den Zähnen zu lö&#x017F;en, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
weil ihnen der bittere Ge&#x017F;chmack der&#x017F;elben bekannt war: &#x017F;obald aber eine kleine Oeffnung in der&#x017F;elben<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Cay</hi> oder <hi rendition="#g">Sai</hi> (<hi rendition="#aq">Cebus capucinus</hi>).</hi></head></figure><lb/>
gemacht worden war, zogen &#x017F;ie mit der Hand ra&#x017F;ch einen Theil davon ab, leckten gierig an dem herab-<lb/>
träufelnden Saft, nicht nur an der Frucht, &#x017F;ondern auch den, der an ihrem Arm oder der Hand war,<lb/>
und verzehrten dann das Flei&#x017F;ch. Der Baum war bald geleert, und jetzt &#x017F;uchten die &#x017F;tärkeren Affen<lb/>
die &#x017F;chwächeren um das Jhrige zu berauben, und dabei &#x017F;chnitten beide die &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Ge&#x017F;ichter,<lb/>
flet&#x017F;chten mit den Zähnen, fuhren einander in die Haare und zau&#x017F;ten &#x017F;ich tüchtig herum. Andere<lb/>
durch&#x017F;uchten die abge&#x017F;torbene Seite des Baumes, hoben die trockene Rinde vor&#x017F;ichtig auf und fraßen<lb/>
die darunter hau&#x017F;enden Kerbthierlarven. Als &#x017F;ie &#x017F;ich ge&#x017F;ättigt hatten, legten &#x017F;ie &#x017F;ich in der bei den<lb/>
Brüllaffen be&#x017F;chriebenen Stellung der Länge nach über einen wagerechten A&#x017F;t weg, um zu ruhen.<lb/>
Die Jüngeren aber begannen mit einander zu &#x017F;pielen und zeigten &#x017F;ich dabei &#x017F;ehr behend. An ihrem<lb/>
Schwanze &#x017F;chaukelten &#x017F;ie &#x017F;ich oder &#x017F;tiegen an ihm, wie an einem Stricke in die Höhe.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0167] Beſchreibung. Lebensweiſe. Betragen. Pomeranzenbaum mit reifen Früchten, gab einige Laute von ſich und ſprang auf den Baum zu. Nach wenigen Augenblicken war die ganze Geſellſchaft dort verſammelt und beſchäftigte ſich mit Ab- reißen und Freſſen der ſüßen Früchte. Einige fraßen gleich auf dem Baume; die anderen ſprangen, mit je zwei Früchten beladen, auf einen der nächſten Bäume, deſſen ſtarke Aeſte ihnen eine bequeme Tafel abgaben. Sie ſetzten ſich auf einen Aſt, umſchlangen dieſen mit ihrem Schwanze, nahmen dann eine der Pomeranzen zwiſchen die Hinterbeine und verſuchten nun bei dieſer die Schale in der Vertiefung des Stielanſatzes mit den Fingern zu löſen. Gelang es ihnen nicht ſogleich, ſo ſchlugen ſie unwillig und knurrend die Früchte zu wiederholten Malen gegen den Aſt, wodurch die Schale dann einen Riß erhielt. Kein einziger verſuchte, die Schale mit den Zähnen zu löſen, wahrſcheinlich weil ihnen der bittere Geſchmack derſelben bekannt war: ſobald aber eine kleine Oeffnung in derſelben [Abbildung Der Cay oder Sai (Cebus capucinus).] gemacht worden war, zogen ſie mit der Hand raſch einen Theil davon ab, leckten gierig an dem herab- träufelnden Saft, nicht nur an der Frucht, ſondern auch den, der an ihrem Arm oder der Hand war, und verzehrten dann das Fleiſch. Der Baum war bald geleert, und jetzt ſuchten die ſtärkeren Affen die ſchwächeren um das Jhrige zu berauben, und dabei ſchnitten beide die ſeltſamſten Geſichter, fletſchten mit den Zähnen, fuhren einander in die Haare und zauſten ſich tüchtig herum. Andere durchſuchten die abgeſtorbene Seite des Baumes, hoben die trockene Rinde vorſichtig auf und fraßen die darunter hauſenden Kerbthierlarven. Als ſie ſich geſättigt hatten, legten ſie ſich in der bei den Brüllaffen beſchriebenen Stellung der Länge nach über einen wagerechten Aſt weg, um zu ruhen. Die Jüngeren aber begannen mit einander zu ſpielen und zeigten ſich dabei ſehr behend. An ihrem Schwanze ſchaukelten ſie ſich oder ſtiegen an ihm, wie an einem Stricke in die Höhe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/167
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/167>, abgerufen am 22.11.2024.