Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

der Minister des Innern, Berichte von den Oberpräsidenten ein-
gefordert habe, daß diese Berichte nunmehr vollständig einge-
gangen sind und einer näheren Erwägung und Beachtung unter-
zogen werden sollen. Es wäre sehr zweckmäßig, wenn man
diese Berichte so bald wie möglich der Oeffentlichkeit übergäbe,
damit wir Alle mit theilnehmen können an der Prüfung der Frage,
wie man diesem Landschaden steuern kann. Denn gerade nach
der Behauptung, vor allem der conservativen Redner, existirt
der Mißstand schon 10 Jahre, und kein Mensch kann be-
haupten, daß die Regierung und insbesondere das Ministerium
innerhalb dieser 10 Jahre etwas durchgreifendes gethan hat, um
dem Landschaden zu steuern, insbesondere, daß es die beste-
henden Gesetze in derjenigen Ausdehnung und mit allen den
Mitteln angewendet und gehandhabt hat, wie ihr solche zur
Verfügung stehen. Denn ehe man klagt, daß die bestehende
Gesetzgebung schlecht sei, muß man doch erst einmal sehen,
ob man mit dieser bestehenden Gesetzgebung nicht ausreichen
kann, wenn man dieselbe nach allen Richtungen hin erschöpfend
zur Anwendung bringt.

Dieser Versuch ist bis jetzt nicht in einem Maße gemacht
worden wie es erforderlich gewesen wäre. Man findet das heut-
zutage gar zu oft: Die Beamten sagen, das Gesetz giebt uns
keine Mittel. Ich sage: Erst wollen wir doch einmal prüfen,
welche Machtmittel die Gesetze gestatten, und welcher Gebrauch
davon gemacht wird. Ich glaube aber bereits nachgewiesen zu
haben, daß die Gesetze gegen Vagabondage bis jetzt in dem
größeren Theile von Deutschland eine correcte und erschöpfende
Anwendung nicht gefunden haben, namentlich nicht in Bezug
auf die Ermittelung und Bestrafung des Rückfalls.

Der Rückfall aber bildet den Brennpunkt der Frage, soweit
es sich um die Thätigkeit der Polizei und der Gerichte handelt.

Ich habe mich für diese Auffassung bereits auf eine deutsche
und auf eine französische Autorität berufen.

Ich kann diesen Beiden auch noch eine englische hinzu-
fügen. Ich meine den kürzlich erschienenen Bericht einer Com-
mission der Howard-Association, jener verdienstvollen Gesell-
schaft, welche, von Lord Brougham gegründet, sich die Ermitte-
lung und Förderung der besten Methoden, die Verbrechen zu
verhindern und zu bestrafen, zur Aufgabe gesetzt hat. Der Be-

der Minister des Innern, Berichte von den Oberpräsidenten ein-
gefordert habe, daß diese Berichte nunmehr vollständig einge-
gangen sind und einer näheren Erwägung und Beachtung unter-
zogen werden sollen. Es wäre sehr zweckmäßig, wenn man
diese Berichte so bald wie möglich der Oeffentlichkeit übergäbe,
damit wir Alle mit theilnehmen können an der Prüfung der Frage,
wie man diesem Landschaden steuern kann. Denn gerade nach
der Behauptung, vor allem der conservativen Redner, existirt
der Mißstand schon 10 Jahre, und kein Mensch kann be-
haupten, daß die Regierung und insbesondere das Ministerium
innerhalb dieser 10 Jahre etwas durchgreifendes gethan hat, um
dem Landschaden zu steuern, insbesondere, daß es die beste-
henden Gesetze in derjenigen Ausdehnung und mit allen den
Mitteln angewendet und gehandhabt hat, wie ihr solche zur
Verfügung stehen. Denn ehe man klagt, daß die bestehende
Gesetzgebung schlecht sei, muß man doch erst einmal sehen,
ob man mit dieser bestehenden Gesetzgebung nicht ausreichen
kann, wenn man dieselbe nach allen Richtungen hin erschöpfend
zur Anwendung bringt.

Dieser Versuch ist bis jetzt nicht in einem Maße gemacht
worden wie es erforderlich gewesen wäre. Man findet das heut-
zutage gar zu oft: Die Beamten sagen, das Gesetz giebt uns
keine Mittel. Ich sage: Erst wollen wir doch einmal prüfen,
welche Machtmittel die Gesetze gestatten, und welcher Gebrauch
davon gemacht wird. Ich glaube aber bereits nachgewiesen zu
haben, daß die Gesetze gegen Vagabondage bis jetzt in dem
größeren Theile von Deutschland eine correcte und erschöpfende
Anwendung nicht gefunden haben, namentlich nicht in Bezug
auf die Ermittelung und Bestrafung des Rückfalls.

Der Rückfall aber bildet den Brennpunkt der Frage, soweit
es sich um die Thätigkeit der Polizei und der Gerichte handelt.

Ich habe mich für diese Auffassung bereits auf eine deutsche
und auf eine französische Autorität berufen.

Ich kann diesen Beiden auch noch eine englische hinzu-
fügen. Ich meine den kürzlich erschienenen Bericht einer Com-
mission der Howard-Association, jener verdienstvollen Gesell-
schaft, welche, von Lord Brougham gegründet, sich die Ermitte-
lung und Förderung der besten Methoden, die Verbrechen zu
verhindern und zu bestrafen, zur Aufgabe gesetzt hat. Der Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="20"/>
der Minister des Innern, Berichte von den Oberpräsidenten ein-<lb/>
gefordert habe, daß diese Berichte nunmehr vollständig einge-<lb/>
gangen sind und einer näheren Erwägung und Beachtung unter-<lb/>
zogen werden sollen. Es wäre sehr zweckmäßig, wenn man<lb/>
diese Berichte so bald wie möglich der Oeffentlichkeit übergäbe,<lb/>
damit wir Alle mit theilnehmen können an der Prüfung der Frage,<lb/>
wie man diesem Landschaden steuern kann. Denn gerade nach<lb/>
der Behauptung, vor allem der conservativen Redner, existirt<lb/>
der Mißstand schon 10 Jahre, und kein Mensch kann be-<lb/>
haupten, daß die Regierung und insbesondere das Ministerium<lb/>
innerhalb dieser 10 Jahre etwas durchgreifendes gethan hat, um<lb/>
dem Landschaden zu steuern, insbesondere, daß es die beste-<lb/>
henden Gesetze in derjenigen Ausdehnung und mit allen den<lb/>
Mitteln angewendet und gehandhabt hat, wie ihr solche zur<lb/>
Verfügung stehen. Denn ehe man klagt, daß die bestehende<lb/>
Gesetzgebung schlecht sei, muß man doch erst einmal sehen,<lb/>
ob man mit dieser bestehenden Gesetzgebung nicht ausreichen<lb/>
kann, wenn man dieselbe nach allen Richtungen hin erschöpfend<lb/>
zur Anwendung bringt.</p><lb/>
        <p>Dieser Versuch ist bis jetzt nicht in einem Maße gemacht<lb/>
worden wie es erforderlich gewesen wäre. Man findet das heut-<lb/>
zutage gar zu oft: Die Beamten sagen, das Gesetz giebt uns<lb/>
keine Mittel. Ich sage: Erst wollen wir doch einmal prüfen,<lb/>
welche Machtmittel die Gesetze gestatten, und welcher Gebrauch<lb/>
davon gemacht wird. Ich glaube aber bereits nachgewiesen zu<lb/>
haben, daß die Gesetze gegen Vagabondage bis jetzt in dem<lb/>
größeren Theile von Deutschland eine correcte und erschöpfende<lb/>
Anwendung nicht gefunden haben, namentlich nicht in Bezug<lb/>
auf die Ermittelung und Bestrafung des Rückfalls.</p><lb/>
        <p>Der Rückfall aber bildet den Brennpunkt der Frage, soweit<lb/>
es sich um die Thätigkeit der Polizei und der Gerichte handelt.</p><lb/>
        <p>Ich habe mich für diese Auffassung bereits auf eine deutsche<lb/>
und auf eine französische Autorität berufen.</p><lb/>
        <p>Ich kann diesen Beiden auch noch eine englische hinzu-<lb/>
fügen. Ich meine den kürzlich erschienenen Bericht einer Com-<lb/>
mission der Howard-Association, jener verdienstvollen Gesell-<lb/>
schaft, welche, von Lord Brougham gegründet, sich die Ermitte-<lb/>
lung und Förderung der besten Methoden, die Verbrechen zu<lb/>
verhindern und zu bestrafen, zur Aufgabe gesetzt hat. Der Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0022] der Minister des Innern, Berichte von den Oberpräsidenten ein- gefordert habe, daß diese Berichte nunmehr vollständig einge- gangen sind und einer näheren Erwägung und Beachtung unter- zogen werden sollen. Es wäre sehr zweckmäßig, wenn man diese Berichte so bald wie möglich der Oeffentlichkeit übergäbe, damit wir Alle mit theilnehmen können an der Prüfung der Frage, wie man diesem Landschaden steuern kann. Denn gerade nach der Behauptung, vor allem der conservativen Redner, existirt der Mißstand schon 10 Jahre, und kein Mensch kann be- haupten, daß die Regierung und insbesondere das Ministerium innerhalb dieser 10 Jahre etwas durchgreifendes gethan hat, um dem Landschaden zu steuern, insbesondere, daß es die beste- henden Gesetze in derjenigen Ausdehnung und mit allen den Mitteln angewendet und gehandhabt hat, wie ihr solche zur Verfügung stehen. Denn ehe man klagt, daß die bestehende Gesetzgebung schlecht sei, muß man doch erst einmal sehen, ob man mit dieser bestehenden Gesetzgebung nicht ausreichen kann, wenn man dieselbe nach allen Richtungen hin erschöpfend zur Anwendung bringt. Dieser Versuch ist bis jetzt nicht in einem Maße gemacht worden wie es erforderlich gewesen wäre. Man findet das heut- zutage gar zu oft: Die Beamten sagen, das Gesetz giebt uns keine Mittel. Ich sage: Erst wollen wir doch einmal prüfen, welche Machtmittel die Gesetze gestatten, und welcher Gebrauch davon gemacht wird. Ich glaube aber bereits nachgewiesen zu haben, daß die Gesetze gegen Vagabondage bis jetzt in dem größeren Theile von Deutschland eine correcte und erschöpfende Anwendung nicht gefunden haben, namentlich nicht in Bezug auf die Ermittelung und Bestrafung des Rückfalls. Der Rückfall aber bildet den Brennpunkt der Frage, soweit es sich um die Thätigkeit der Polizei und der Gerichte handelt. Ich habe mich für diese Auffassung bereits auf eine deutsche und auf eine französische Autorität berufen. Ich kann diesen Beiden auch noch eine englische hinzu- fügen. Ich meine den kürzlich erschienenen Bericht einer Com- mission der Howard-Association, jener verdienstvollen Gesell- schaft, welche, von Lord Brougham gegründet, sich die Ermitte- lung und Förderung der besten Methoden, die Verbrechen zu verhindern und zu bestrafen, zur Aufgabe gesetzt hat. Der Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883/22
Zitationshilfe: Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883/22>, abgerufen am 16.04.2024.