Man rechnet hieher auch einige chemische Verbindungen, die sich beim Zusammenmischen erhitzen. Wenn man Schwefelsäure in Wasser gießt, so entsteht eine sehr starke Erhöhung der Tempe- ratur, die man auf folgende Weise zu erklären pflegt *). Das Wasser nimmt, indem es sich chemisch mit der Säure verbindet, einigermaßen die Natur der Säure an, das ist, seine specifische Wärme geht von 1 auf 1/3 herab; also werden von dem gesammten im Wasser enthaltenen Wärmestoffe zwei Drittel frei und durch Tem- peratur-Erhöhung fühlbar. Läge nun der absolute Nullpunct der Wärme 750 Cent. Gr. unter Null, so würden 500 Wärmegrade -- wenn dieser uneigentliche Ausdruck verstattet ist, -- frei, oder Wärme, die ihrer Quantität nach eine Erhöhung der Temperatur von 500 Graden bewirken könnte, erhielte hier eine freie Thätig- keit, wodurch denn allerdings die große Erhitzung erklärt würde. Aehnliche Beispiele sind zahlreich vorhanden. Die Erhitzung des Kaltes beim Löschen; die bis zum Entzünden gehende Erhitzung, wenn man gleiche Theile concentrirte rauchende Salpetersäure und Schwefelsäure gemischt zu ebenso viel Terpentin-Oel gießt, u. s. w. -- Ob aber jene Erklärung die richtige sei, scheint immer noch zweifelhaft, und Dulong und Petit behaupten geradezu, daß die auf solche Weise entwickelten Wärmemengen gar in keinem Verhältnisse zu den Wärmecapacitäten der gemischten Körper stehen, und daß, nachdem diese Wärme frei geworden, sich keine vermin- derte Wärmecapacität der Mischung zeigt. Diese und ähnliche Erzeugungen von Wärme sind daher noch im höchsten Grade räthselhaft.
Man hat auch die thierische Wärme, die allerdings durch das Athmen großen Theils hervorgebracht wird, aus der ungleichen Capacität des Sauerstoffgas und des kohlensauren Gas zu erklären gesucht, sie sei nämlich der frei werdende Wärme-Ueberschuß, den ein gleiches Volumen Sauerstoffgas mehr enthalte, als ein gleiches Volumen kohlensaures Gas; aber auch diese Erklärung ist nicht so genügend, als man anzunehmen geneigt war.
*) G. G. Schmidt Handb. d. Naturl. 1826. S. 413.
Man rechnet hieher auch einige chemiſche Verbindungen, die ſich beim Zuſammenmiſchen erhitzen. Wenn man Schwefelſaͤure in Waſſer gießt, ſo entſteht eine ſehr ſtarke Erhoͤhung der Tempe- ratur, die man auf folgende Weiſe zu erklaͤren pflegt *). Das Waſſer nimmt, indem es ſich chemiſch mit der Saͤure verbindet, einigermaßen die Natur der Saͤure an, das iſt, ſeine ſpecifiſche Waͤrme geht von 1 auf ⅓ herab; alſo werden von dem geſammten im Waſſer enthaltenen Waͤrmeſtoffe zwei Drittel frei und durch Tem- peratur-Erhoͤhung fuͤhlbar. Laͤge nun der abſolute Nullpunct der Waͤrme 750 Cent. Gr. unter Null, ſo wuͤrden 500 Waͤrmegrade — wenn dieſer uneigentliche Ausdruck verſtattet iſt, — frei, oder Waͤrme, die ihrer Quantitaͤt nach eine Erhoͤhung der Temperatur von 500 Graden bewirken koͤnnte, erhielte hier eine freie Thaͤtig- keit, wodurch denn allerdings die große Erhitzung erklaͤrt wuͤrde. Aehnliche Beiſpiele ſind zahlreich vorhanden. Die Erhitzung des Kaltes beim Loͤſchen; die bis zum Entzuͤnden gehende Erhitzung, wenn man gleiche Theile concentrirte rauchende Salpeterſaͤure und Schwefelſaͤure gemiſcht zu ebenſo viel Terpentin-Oel gießt, u. ſ. w. — Ob aber jene Erklaͤrung die richtige ſei, ſcheint immer noch zweifelhaft, und Dulong und Petit behaupten geradezu, daß die auf ſolche Weiſe entwickelten Waͤrmemengen gar in keinem Verhaͤltniſſe zu den Waͤrmecapacitaͤten der gemiſchten Koͤrper ſtehen, und daß, nachdem dieſe Waͤrme frei geworden, ſich keine vermin- derte Waͤrmecapacitaͤt der Miſchung zeigt. Dieſe und aͤhnliche Erzeugungen von Waͤrme ſind daher noch im hoͤchſten Grade raͤthſelhaft.
Man hat auch die thieriſche Waͤrme, die allerdings durch das Athmen großen Theils hervorgebracht wird, aus der ungleichen Capacitaͤt des Sauerſtoffgas und des kohlenſauren Gas zu erklaͤren geſucht, ſie ſei naͤmlich der frei werdende Waͤrme-Ueberſchuß, den ein gleiches Volumen Sauerſtoffgas mehr enthalte, als ein gleiches Volumen kohlenſaures Gas; aber auch dieſe Erklaͤrung iſt nicht ſo genuͤgend, als man anzunehmen geneigt war.
*) G. G. Schmidt Handb. d. Naturl. 1826. S. 413.
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Man rechnet hieher auch einige chemiſche Verbindungen, die
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ratur, die man auf folgende Weiſe zu erklaͤren pflegt *). Das
Waſſer nimmt, indem es ſich chemiſch mit der Saͤure verbindet,
einigermaßen die Natur der Saͤure an, das iſt, ſeine ſpecifiſche
Waͤrme geht von 1 auf ⅓ herab; alſo werden von dem geſammten im
Waſſer enthaltenen Waͤrmeſtoffe zwei Drittel frei und durch Tem-
peratur-Erhoͤhung fuͤhlbar. Laͤge nun der abſolute Nullpunct der
Waͤrme 750 Cent. Gr. unter Null, ſo wuͤrden 500 Waͤrmegrade
— wenn dieſer uneigentliche Ausdruck verſtattet iſt, — frei, oder
Waͤrme, die ihrer Quantitaͤt nach eine Erhoͤhung der Temperatur
von 500 Graden bewirken koͤnnte, erhielte hier eine freie Thaͤtig-
keit, wodurch denn allerdings die große Erhitzung erklaͤrt wuͤrde.
Aehnliche Beiſpiele ſind zahlreich vorhanden. Die Erhitzung des
Kaltes beim Loͤſchen; die bis zum Entzuͤnden gehende Erhitzung,
wenn man gleiche Theile concentrirte rauchende Salpeterſaͤure und
Schwefelſaͤure gemiſcht zu ebenſo viel Terpentin-Oel gießt, u. ſ. w.
— Ob aber jene Erklaͤrung die richtige ſei, ſcheint immer noch
zweifelhaft, und Dulong und Petit behaupten geradezu, daß
die auf ſolche Weiſe entwickelten Waͤrmemengen gar in keinem
Verhaͤltniſſe zu den Waͤrmecapacitaͤten der gemiſchten Koͤrper ſtehen,
und daß, nachdem dieſe Waͤrme frei geworden, ſich keine vermin-
derte Waͤrmecapacitaͤt der Miſchung zeigt. Dieſe und aͤhnliche
Erzeugungen von Waͤrme ſind daher noch im hoͤchſten Grade
raͤthſelhaft.
Man hat auch die thieriſche Waͤrme, die allerdings durch das
Athmen großen Theils hervorgebracht wird, aus der ungleichen
Capacitaͤt des Sauerſtoffgas und des kohlenſauren Gas zu erklaͤren
geſucht, ſie ſei naͤmlich der frei werdende Waͤrme-Ueberſchuß, den
ein gleiches Volumen Sauerſtoffgas mehr enthalte, als ein gleiches
Volumen kohlenſaures Gas; aber auch dieſe Erklaͤrung iſt nicht ſo
genuͤgend, als man anzunehmen geneigt war.
*) G. G. Schmidt Handb. d. Naturl. 1826. S. 413.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/96>, abgerufen am 30.01.2025.
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