der Schnelligkeit des Ersatzes an Wärme, die aus dem Innern des Körpers der Oberfläche zugeführt wird. Dulong und Petit haben diese Umstände einzeln berücksichtiget und so die wahren Gesetze der Abkühlung in der Luft gefunden. Um hiebei den Um- stand auszuschließen, daß bei festen Körpern die Wärme nicht ohne allen Zeitverlust aus dem Innern zur Oberfläche fortgeführt wird, oder daß die eigenthümliche Leitung nicht so sehr schnell ist, bedien- ten sie sich einer mit Quecksilber gefüllten Glaskugel, die dann selbst auch als Thermometer diente und die nach bestimmtem Zeit- verlaufe noch übrige Temperatur angab; Thermometerkugeln von verschiedener Größe zeigten ein gleiches Gesetz des Wärmeverlustes, indem zum Beispiel bei der einen wie bei der andern der Wärme- verlust in 1 Min., wenn die Kugel 100° wärmer als der umge- bende Raum war, doppelt so viel betrug als bei einer Erwärmung von 60 Gr. und ungefähr 8 mal so viel als bei einer Erwärmung von 20 Gr. Dieses Gesetz des verhältnißmäßigen Fortgangs der Abkühlung blieb auch bei andern in die Kugel eingeschlossenen Flüs- sigkeiten gleich, obgleich das Quecksilber sich schneller als Wasser abkühlte und die größere Quecksilberkugel eine längere Zeit zur Ab- kühlung brauchte, als die kleinere.
Nach diesen vorläufigen Versuchen, die deutlich anzugeben schienen, daß die innere Leitungsfähigkeit dieser Flüssigkeiten keinen erheblichen Einfluß auf das Gesetz der Abkühlung habe, wurden nun zuerst Versuche im luftleeren Raume, wo also bloß durch Aus- strahlung Wärme verloren ging, angestellt. Aber hier zeigte sich, daß nicht, wie man gewöhnlich annimmt und nach Newtons und Richmanns Regel zu rechnen pflegt, der Wärmeverlust in gleichen sehr kurzen Zeiten der Wärmedifferenz proportional ist, sondern wenn das Quecksilber 240° warm war, der umgebende leere Raum aber auf 0° erhalten wurde, so betrug der Wärme- verlust in jeder Minute 31/2 mal so viel, als wenn das Quecksilber 120° war und der leere Raum 0° blieb, und so bei andern Ver- schiedenheiten der Temperatur.
Die einfache Regel sollte hier für eine längere Zeit allmähliger Abkühlung die sein, daß wenn man den Wärmeverlust für 60° Temperatur-Unterschied und für 80 Gr. Temperatur-Unterschied kennte, man den für 100 Gr. als in gleichem Verhältnisse wachsend
der Schnelligkeit des Erſatzes an Waͤrme, die aus dem Innern des Koͤrpers der Oberflaͤche zugefuͤhrt wird. Dulong und Petit haben dieſe Umſtaͤnde einzeln beruͤckſichtiget und ſo die wahren Geſetze der Abkuͤhlung in der Luft gefunden. Um hiebei den Um- ſtand auszuſchließen, daß bei feſten Koͤrpern die Waͤrme nicht ohne allen Zeitverluſt aus dem Innern zur Oberflaͤche fortgefuͤhrt wird, oder daß die eigenthuͤmliche Leitung nicht ſo ſehr ſchnell iſt, bedien- ten ſie ſich einer mit Queckſilber gefuͤllten Glaskugel, die dann ſelbſt auch als Thermometer diente und die nach beſtimmtem Zeit- verlaufe noch uͤbrige Temperatur angab; Thermometerkugeln von verſchiedener Groͤße zeigten ein gleiches Geſetz des Waͤrmeverluſtes, indem zum Beiſpiel bei der einen wie bei der andern der Waͤrme- verluſt in 1 Min., wenn die Kugel 100° waͤrmer als der umge- bende Raum war, doppelt ſo viel betrug als bei einer Erwaͤrmung von 60 Gr. und ungefaͤhr 8 mal ſo viel als bei einer Erwaͤrmung von 20 Gr. Dieſes Geſetz des verhaͤltnißmaͤßigen Fortgangs der Abkuͤhlung blieb auch bei andern in die Kugel eingeſchloſſenen Fluͤſ- ſigkeiten gleich, obgleich das Queckſilber ſich ſchneller als Waſſer abkuͤhlte und die groͤßere Queckſilberkugel eine laͤngere Zeit zur Ab- kuͤhlung brauchte, als die kleinere.
Nach dieſen vorlaͤufigen Verſuchen, die deutlich anzugeben ſchienen, daß die innere Leitungsfaͤhigkeit dieſer Fluͤſſigkeiten keinen erheblichen Einfluß auf das Geſetz der Abkuͤhlung habe, wurden nun zuerſt Verſuche im luftleeren Raume, wo alſo bloß durch Aus- ſtrahlung Waͤrme verloren ging, angeſtellt. Aber hier zeigte ſich, daß nicht, wie man gewoͤhnlich annimmt und nach Newtons und Richmanns Regel zu rechnen pflegt, der Waͤrmeverluſt in gleichen ſehr kurzen Zeiten der Waͤrmedifferenz proportional iſt, ſondern wenn das Queckſilber 240° warm war, der umgebende leere Raum aber auf 0° erhalten wurde, ſo betrug der Waͤrme- verluſt in jeder Minute 3½ mal ſo viel, als wenn das Queckſilber 120° war und der leere Raum 0° blieb, und ſo bei andern Ver- ſchiedenheiten der Temperatur.
Die einfache Regel ſollte hier fuͤr eine laͤngere Zeit allmaͤhliger Abkuͤhlung die ſein, daß wenn man den Waͤrmeverluſt fuͤr 60° Temperatur-Unterſchied und fuͤr 80 Gr. Temperatur-Unterſchied kennte, man den fuͤr 100 Gr. als in gleichem Verhaͤltniſſe wachſend
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der Schnelligkeit des Erſatzes an Waͤrme, die aus dem Innern des
Koͤrpers der Oberflaͤche zugefuͤhrt wird. Dulong und Petit
haben dieſe Umſtaͤnde einzeln beruͤckſichtiget und ſo die wahren
Geſetze der Abkuͤhlung in der Luft gefunden. Um hiebei den Um-
ſtand auszuſchließen, daß bei feſten Koͤrpern die Waͤrme nicht ohne
allen Zeitverluſt aus dem Innern zur Oberflaͤche fortgefuͤhrt wird,
oder daß die eigenthuͤmliche Leitung nicht ſo ſehr ſchnell iſt, bedien-
ten ſie ſich einer mit Queckſilber gefuͤllten Glaskugel, die dann
ſelbſt auch als Thermometer diente und die nach beſtimmtem Zeit-
verlaufe noch uͤbrige Temperatur angab; Thermometerkugeln von
verſchiedener Groͤße zeigten ein gleiches Geſetz des Waͤrmeverluſtes,
indem zum Beiſpiel bei der einen wie bei der andern der Waͤrme-
verluſt in 1 Min., wenn die Kugel 100° waͤrmer als der umge-
bende Raum war, doppelt ſo viel betrug als bei einer Erwaͤrmung
von 60 Gr. und ungefaͤhr 8 mal ſo viel als bei einer Erwaͤrmung
von 20 Gr. Dieſes Geſetz des verhaͤltnißmaͤßigen Fortgangs der
Abkuͤhlung blieb auch bei andern in die Kugel eingeſchloſſenen Fluͤſ-
ſigkeiten gleich, obgleich das Queckſilber ſich ſchneller als Waſſer
abkuͤhlte und die groͤßere Queckſilberkugel eine laͤngere Zeit zur Ab-
kuͤhlung brauchte, als die kleinere.
Nach dieſen vorlaͤufigen Verſuchen, die deutlich anzugeben
ſchienen, daß die innere Leitungsfaͤhigkeit dieſer Fluͤſſigkeiten keinen
erheblichen Einfluß auf das Geſetz der Abkuͤhlung habe, wurden
nun zuerſt Verſuche im luftleeren Raume, wo alſo bloß durch Aus-
ſtrahlung Waͤrme verloren ging, angeſtellt. Aber hier zeigte ſich,
daß nicht, wie man gewoͤhnlich annimmt und nach Newtons
und Richmanns Regel zu rechnen pflegt, der Waͤrmeverluſt in
gleichen ſehr kurzen Zeiten der Waͤrmedifferenz proportional iſt,
ſondern wenn das Queckſilber 240° warm war, der umgebende
leere Raum aber auf 0° erhalten wurde, ſo betrug der Waͤrme-
verluſt in jeder Minute 3½ mal ſo viel, als wenn das Queckſilber
120° war und der leere Raum 0° blieb, und ſo bei andern Ver-
ſchiedenheiten der Temperatur.
Die einfache Regel ſollte hier fuͤr eine laͤngere Zeit allmaͤhliger
Abkuͤhlung die ſein, daß wenn man den Waͤrmeverluſt fuͤr 60°
Temperatur-Unterſchied und fuͤr 80 Gr. Temperatur-Unterſchied
kennte, man den fuͤr 100 Gr. als in gleichem Verhaͤltniſſe wachſend
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/67>, abgerufen am 25.11.2024.
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