sinken, daß dadurch eine Mischung der wärmern und kältern Theilchen entsteht, und sich schwer beurtheilen läßt, in welchem Grade die entferntern flüssigen Theile erwärmt werden würden, wenn die Erhaltung einer völligen Ruhe möglich wäre; indeß setzt doch diese in den flüssigen Theilchen bei der Berührung hervor- gebrachte Erwärmung schon eine Mittheilung, also eine Zuleitung, voraus, und die Meinung, daß flüssige Körper im strengsten Sinne die Wärme gar nicht leiten, ist fast von selbst widerlegt. Aber langsam und schwach ist die Wärmeleitung in flüssigen Körpern, und dieses hat Rumford allerdings bewiesen. Als Beweis dafür giebt er mit Recht die Erfahrung an, daß Körper von Feuchtigkeit durchdrungen, wo aber die festen Theile die Bewegung hindern, so sehr langsam erkalten. Es ist bekannt, daß breiartige Speisen, gebratene Aepfel und dergl. im Innern sehr lange heiß bleiben, wenn die Oberfläche auch abgekühlt ist, daß hier also die Leitung, die Mittheilung von Theilchen zu Theilchen, sehr schwach ist, wo- durch allerdings gezeigt wird, daß flüssige Theilchen wenig zu dieser Mittheilung geeignet sind.
Rumford hat dies durch einige merkwürdige Versuche andrer Art noch mehr gezeigt. Er füllte ein 14 Zoll hohes cylindri- sches Gefäß mit 6 Pfund kochend heißem Wasser, und legte eine, nach der Weite des Gefäßes ausgeschnittene, die Oberfläche fast ganz bedeckende, Eisschichte von 31/2 Zoll dick, (10 1/8 Unzen schwer) oben auf dieses Wasser; das Eis war in nicht völlig 3 Minuten ganz zerschmolzen. Wurde dagegen eine eben solche Eisscheibe auf dem Boden des Gefäßes befestigt und nun heißes Wasser vorsichtig auf- gegossen *), so vergingen 2 Stunden, ehe die Hälfte des Eises ge- schmolzen war; ja das Wasser behielt in der Nähe des Eises eine so große Wärme, daß es in 1 Zoll Entfernung über der Eisfläche nach 12 Minuten fast noch ebenso warm als oben, nämlich 77° Cent., war, obgleich ganz nahe an der Oberfläche des Eises das Wasser bis auf 5° Cent. abgekühlt gefunden wurde. Hier hatte also eine nur sehr schwache Zuleitung der Wärme statt gefunden, und die
*) Um das Zerspringen des Glases zu hindern, war schon etwas kaltes Wasser oberhalb des Eises, damit das heiße Wasser sich mit diesem mische.
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ſinken, daß dadurch eine Miſchung der waͤrmern und kaͤltern Theilchen entſteht, und ſich ſchwer beurtheilen laͤßt, in welchem Grade die entferntern fluͤſſigen Theile erwaͤrmt werden wuͤrden, wenn die Erhaltung einer voͤlligen Ruhe moͤglich waͤre; indeß ſetzt doch dieſe in den fluͤſſigen Theilchen bei der Beruͤhrung hervor- gebrachte Erwaͤrmung ſchon eine Mittheilung, alſo eine Zuleitung, voraus, und die Meinung, daß fluͤſſige Koͤrper im ſtrengſten Sinne die Waͤrme gar nicht leiten, iſt faſt von ſelbſt widerlegt. Aber langſam und ſchwach iſt die Waͤrmeleitung in fluͤſſigen Koͤrpern, und dieſes hat Rumford allerdings bewieſen. Als Beweis dafuͤr giebt er mit Recht die Erfahrung an, daß Koͤrper von Feuchtigkeit durchdrungen, wo aber die feſten Theile die Bewegung hindern, ſo ſehr langſam erkalten. Es iſt bekannt, daß breiartige Speiſen, gebratene Aepfel und dergl. im Innern ſehr lange heiß bleiben, wenn die Oberflaͤche auch abgekuͤhlt iſt, daß hier alſo die Leitung, die Mittheilung von Theilchen zu Theilchen, ſehr ſchwach iſt, wo- durch allerdings gezeigt wird, daß fluͤſſige Theilchen wenig zu dieſer Mittheilung geeignet ſind.
Rumford hat dies durch einige merkwuͤrdige Verſuche andrer Art noch mehr gezeigt. Er fuͤllte ein 14 Zoll hohes cylindri- ſches Gefaͤß mit 6 Pfund kochend heißem Waſſer, und legte eine, nach der Weite des Gefaͤßes ausgeſchnittene, die Oberflaͤche faſt ganz bedeckende, Eisſchichte von 3½ Zoll dick, (10⅛ Unzen ſchwer) oben auf dieſes Waſſer; das Eis war in nicht voͤllig 3 Minuten ganz zerſchmolzen. Wurde dagegen eine eben ſolche Eisſcheibe auf dem Boden des Gefaͤßes befeſtigt und nun heißes Waſſer vorſichtig auf- gegoſſen *), ſo vergingen 2 Stunden, ehe die Haͤlfte des Eiſes ge- ſchmolzen war; ja das Waſſer behielt in der Naͤhe des Eiſes eine ſo große Waͤrme, daß es in 1 Zoll Entfernung uͤber der Eisflaͤche nach 12 Minuten faſt noch ebenſo warm als oben, naͤmlich 77° Cent., war, obgleich ganz nahe an der Oberflaͤche des Eiſes das Waſſer bis auf 5° Cent. abgekuͤhlt gefunden wurde. Hier hatte alſo eine nur ſehr ſchwache Zuleitung der Waͤrme ſtatt gefunden, und die
*) Um das Zerſpringen des Glaſes zu hindern, war ſchon etwas kaltes Waſſer oberhalb des Eiſes, damit das heiße Waſſer ſich mit dieſem miſche.
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ſinken, daß dadurch eine Miſchung der waͤrmern und kaͤltern
Theilchen entſteht, und ſich ſchwer beurtheilen laͤßt, in welchem
Grade die entferntern fluͤſſigen Theile erwaͤrmt werden wuͤrden,
wenn die Erhaltung einer voͤlligen Ruhe moͤglich waͤre; indeß ſetzt
doch dieſe in den fluͤſſigen Theilchen bei der Beruͤhrung hervor-
gebrachte Erwaͤrmung ſchon eine Mittheilung, alſo eine Zuleitung,
voraus, und die Meinung, daß fluͤſſige Koͤrper im ſtrengſten Sinne
die Waͤrme gar nicht leiten, iſt faſt von ſelbſt widerlegt. Aber
langſam und ſchwach iſt die Waͤrmeleitung in fluͤſſigen Koͤrpern,
und dieſes hat Rumford allerdings bewieſen. Als Beweis dafuͤr
giebt er mit Recht die Erfahrung an, daß Koͤrper von Feuchtigkeit
durchdrungen, wo aber die feſten Theile die Bewegung hindern,
ſo ſehr langſam erkalten. Es iſt bekannt, daß breiartige Speiſen,
gebratene Aepfel und dergl. im Innern ſehr lange heiß bleiben,
wenn die Oberflaͤche auch abgekuͤhlt iſt, daß hier alſo die Leitung,
die Mittheilung von Theilchen zu Theilchen, ſehr ſchwach iſt, wo-
durch allerdings gezeigt wird, daß fluͤſſige Theilchen wenig zu dieſer
Mittheilung geeignet ſind.
Rumford hat dies durch einige merkwuͤrdige Verſuche
andrer Art noch mehr gezeigt. Er fuͤllte ein 14 Zoll hohes cylindri-
ſches Gefaͤß mit 6 Pfund kochend heißem Waſſer, und legte eine, nach
der Weite des Gefaͤßes ausgeſchnittene, die Oberflaͤche faſt ganz
bedeckende, Eisſchichte von 3½ Zoll dick, (10⅛ Unzen ſchwer) oben
auf dieſes Waſſer; das Eis war in nicht voͤllig 3 Minuten ganz
zerſchmolzen. Wurde dagegen eine eben ſolche Eisſcheibe auf dem
Boden des Gefaͤßes befeſtigt und nun heißes Waſſer vorſichtig auf-
gegoſſen *), ſo vergingen 2 Stunden, ehe die Haͤlfte des Eiſes ge-
ſchmolzen war; ja das Waſſer behielt in der Naͤhe des Eiſes eine
ſo große Waͤrme, daß es in 1 Zoll Entfernung uͤber der Eisflaͤche
nach 12 Minuten faſt noch ebenſo warm als oben, naͤmlich 77° Cent.,
war, obgleich ganz nahe an der Oberflaͤche des Eiſes das Waſſer
bis auf 5° Cent. abgekuͤhlt gefunden wurde. Hier hatte alſo eine
nur ſehr ſchwache Zuleitung der Waͤrme ſtatt gefunden, und die
*) Um das Zerſpringen des Glaſes zu hindern, war ſchon etwas
kaltes Waſſer oberhalb des Eiſes, damit das heiße Waſſer ſich mit
dieſem miſche.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/65>, abgerufen am 22.11.2024.
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