je näher die negativ-electrische Materie an der einen Seite, die positiv-electrische Materie an der andern Seite des Glases, ein- ander sind, desto kräftiger ziehen sie sich gegenseitig an, und die Ladung wird, bei stets fortgehender Mittheilung neuer positiver Electricität an die innere Belegung, desto größer. Es könnte scheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen müßte; aber das ist nicht der Fall. Freilich ist es wahr, daß die der innern Belegung zugeführte positive Electricität mächtig gegen die Oberfläche des Glases gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen B zurückstoßend wirkt; aber so sehr sie auch an der Oberfläche des Glases gebunden und unthätig gemacht wird, so ist es doch offen- bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem fernern Eintritte positiv-electrischer Materie bei B entgegen wir- kende Abstoßung stärker wird, weshalb auch ein bei B auf der Flasche befestigtes Electrometer allmählig steigt; diese Gegenwir- kung wird endlich so stark, daß die Kraft der Electrisirmaschine nicht mehr fähig ist, neue Electricität hereinzudrängen, und hiermit tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter Umstand ein, der die Ladung nicht einmal so groß werden läßt. Wie sorgfältig man auch den Rand der Belegung so an das Glas anliegend mache, daß sich keine Spitzen darbieten, so fehlen diese doch nie gänzlich; diese aber lassen einige electrische Materie ent- weichen und immer stärker entweichen, je stärker die Ladung schon ist, wobei es denn endlich, ohne daß die Flasche sich durch einen Funken entladet, dahin kömmt, daß die vom Conductor auf B einströmende Electricität keine stärkere Ladung mehr bewirkt, son- dern nur jenen Verlust, den man im Dunkeln als ein Leuchten der Flasche gewahr wird, ersetzt. So, glaube ich, übersehen Sie die Bedingungen der Ladung völlig; ich will jetzt die Entladung näher betrachten.
Um diese genau zu verstehen, wollen wir die Flasche auf dem isolirenden Glasteller stehen lassen, und den Leiter, welcher an B Funken mittheilte, entfernen. Sie übersehen leicht, daß ich keinen Funken bekomme, wenn ich bloß die äußere Belegung berühre; denn da diese während der Ladung immer mit der Erde in Ver- bindung stand, da die Ladung nur dadurch möglich war, daß diese Verbindung unterhaltend ward, so hat die äußere Belegung kein
je naͤher die negativ-electriſche Materie an der einen Seite, die poſitiv-electriſche Materie an der andern Seite des Glaſes, ein- ander ſind, deſto kraͤftiger ziehen ſie ſich gegenſeitig an, und die Ladung wird, bei ſtets fortgehender Mittheilung neuer poſitiver Electricitaͤt an die innere Belegung, deſto groͤßer. Es koͤnnte ſcheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen muͤßte; aber das iſt nicht der Fall. Freilich iſt es wahr, daß die der innern Belegung zugefuͤhrte poſitive Electricitaͤt maͤchtig gegen die Oberflaͤche des Glaſes gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen B zuruͤckſtoßend wirkt; aber ſo ſehr ſie auch an der Oberflaͤche des Glaſes gebunden und unthaͤtig gemacht wird, ſo iſt es doch offen- bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem fernern Eintritte poſitiv-electriſcher Materie bei B entgegen wir- kende Abſtoßung ſtaͤrker wird, weshalb auch ein bei B auf der Flaſche befeſtigtes Electrometer allmaͤhlig ſteigt; dieſe Gegenwir- kung wird endlich ſo ſtark, daß die Kraft der Electriſirmaſchine nicht mehr faͤhig iſt, neue Electricitaͤt hereinzudraͤngen, und hiermit tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter Umſtand ein, der die Ladung nicht einmal ſo groß werden laͤßt. Wie ſorgfaͤltig man auch den Rand der Belegung ſo an das Glas anliegend mache, daß ſich keine Spitzen darbieten, ſo fehlen dieſe doch nie gaͤnzlich; dieſe aber laſſen einige electriſche Materie ent- weichen und immer ſtaͤrker entweichen, je ſtaͤrker die Ladung ſchon iſt, wobei es denn endlich, ohne daß die Flaſche ſich durch einen Funken entladet, dahin koͤmmt, daß die vom Conductor auf B einſtroͤmende Electricitaͤt keine ſtaͤrkere Ladung mehr bewirkt, ſon- dern nur jenen Verluſt, den man im Dunkeln als ein Leuchten der Flaſche gewahr wird, erſetzt. So, glaube ich, uͤberſehen Sie die Bedingungen der Ladung voͤllig; ich will jetzt die Entladung naͤher betrachten.
Um dieſe genau zu verſtehen, wollen wir die Flaſche auf dem iſolirenden Glasteller ſtehen laſſen, und den Leiter, welcher an B Funken mittheilte, entfernen. Sie uͤberſehen leicht, daß ich keinen Funken bekomme, wenn ich bloß die aͤußere Belegung beruͤhre; denn da dieſe waͤhrend der Ladung immer mit der Erde in Ver- bindung ſtand, da die Ladung nur dadurch moͤglich war, daß dieſe Verbindung unterhaltend ward, ſo hat die aͤußere Belegung kein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="271"/>
je naͤher die negativ-electriſche Materie an der einen Seite, die<lb/>
poſitiv-electriſche Materie an der andern Seite des Glaſes, ein-<lb/>
ander ſind, deſto kraͤftiger ziehen ſie ſich gegenſeitig an, und die<lb/>
Ladung wird, bei ſtets fortgehender Mittheilung neuer poſitiver<lb/>
Electricitaͤt an die innere Belegung, deſto groͤßer. Es koͤnnte<lb/>ſcheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen muͤßte; aber das iſt<lb/>
nicht der Fall. Freilich iſt es wahr, daß die der innern Belegung<lb/>
zugefuͤhrte poſitive Electricitaͤt maͤchtig gegen die Oberflaͤche des<lb/>
Glaſes gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#b">B</hi></hi> zuruͤckſtoßend wirkt; aber ſo ſehr ſie auch an der Oberflaͤche des<lb/>
Glaſes gebunden und unthaͤtig gemacht wird, ſo iſt es doch offen-<lb/>
bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem<lb/>
fernern Eintritte poſitiv-electriſcher Materie bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">B</hi></hi> entgegen wir-<lb/>
kende Abſtoßung ſtaͤrker wird, weshalb auch ein bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">B</hi></hi> auf der<lb/>
Flaſche befeſtigtes Electrometer allmaͤhlig ſteigt; dieſe Gegenwir-<lb/>
kung wird endlich ſo ſtark, daß die Kraft der Electriſirmaſchine<lb/>
nicht mehr faͤhig iſt, neue Electricitaͤt hereinzudraͤngen, und hiermit<lb/>
tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter<lb/>
Umſtand ein, der die Ladung nicht einmal ſo groß werden laͤßt.<lb/>
Wie ſorgfaͤltig man auch den Rand der Belegung ſo an das Glas<lb/>
anliegend mache, daß ſich keine Spitzen darbieten, ſo fehlen dieſe<lb/>
doch nie gaͤnzlich; dieſe aber laſſen einige electriſche Materie ent-<lb/>
weichen und immer ſtaͤrker entweichen, je ſtaͤrker die Ladung ſchon<lb/>
iſt, wobei es denn endlich, ohne daß die Flaſche ſich durch einen<lb/>
Funken entladet, dahin koͤmmt, daß die vom Conductor auf <hirendition="#aq"><hirendition="#b">B</hi></hi><lb/>
einſtroͤmende Electricitaͤt keine ſtaͤrkere Ladung mehr bewirkt, ſon-<lb/>
dern nur jenen Verluſt, den man im Dunkeln als ein Leuchten<lb/>
der Flaſche gewahr wird, erſetzt. So, glaube ich, uͤberſehen Sie die<lb/>
Bedingungen der Ladung voͤllig; ich will jetzt die Entladung<lb/>
naͤher betrachten.</p><lb/><p>Um dieſe genau zu verſtehen, wollen wir die Flaſche auf dem<lb/>
iſolirenden Glasteller ſtehen laſſen, und den Leiter, welcher an <hirendition="#aq"><hirendition="#b">B</hi></hi><lb/>
Funken mittheilte, entfernen. Sie uͤberſehen leicht, daß ich keinen<lb/>
Funken bekomme, wenn ich bloß die aͤußere Belegung beruͤhre;<lb/>
denn da dieſe waͤhrend der Ladung immer mit der Erde in Ver-<lb/>
bindung ſtand, da die Ladung nur dadurch moͤglich war, daß dieſe<lb/>
Verbindung unterhaltend ward, ſo hat die aͤußere Belegung kein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0285]
je naͤher die negativ-electriſche Materie an der einen Seite, die
poſitiv-electriſche Materie an der andern Seite des Glaſes, ein-
ander ſind, deſto kraͤftiger ziehen ſie ſich gegenſeitig an, und die
Ladung wird, bei ſtets fortgehender Mittheilung neuer poſitiver
Electricitaͤt an die innere Belegung, deſto groͤßer. Es koͤnnte
ſcheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen muͤßte; aber das iſt
nicht der Fall. Freilich iſt es wahr, daß die der innern Belegung
zugefuͤhrte poſitive Electricitaͤt maͤchtig gegen die Oberflaͤche des
Glaſes gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen
B zuruͤckſtoßend wirkt; aber ſo ſehr ſie auch an der Oberflaͤche des
Glaſes gebunden und unthaͤtig gemacht wird, ſo iſt es doch offen-
bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem
fernern Eintritte poſitiv-electriſcher Materie bei B entgegen wir-
kende Abſtoßung ſtaͤrker wird, weshalb auch ein bei B auf der
Flaſche befeſtigtes Electrometer allmaͤhlig ſteigt; dieſe Gegenwir-
kung wird endlich ſo ſtark, daß die Kraft der Electriſirmaſchine
nicht mehr faͤhig iſt, neue Electricitaͤt hereinzudraͤngen, und hiermit
tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter
Umſtand ein, der die Ladung nicht einmal ſo groß werden laͤßt.
Wie ſorgfaͤltig man auch den Rand der Belegung ſo an das Glas
anliegend mache, daß ſich keine Spitzen darbieten, ſo fehlen dieſe
doch nie gaͤnzlich; dieſe aber laſſen einige electriſche Materie ent-
weichen und immer ſtaͤrker entweichen, je ſtaͤrker die Ladung ſchon
iſt, wobei es denn endlich, ohne daß die Flaſche ſich durch einen
Funken entladet, dahin koͤmmt, daß die vom Conductor auf B
einſtroͤmende Electricitaͤt keine ſtaͤrkere Ladung mehr bewirkt, ſon-
dern nur jenen Verluſt, den man im Dunkeln als ein Leuchten
der Flaſche gewahr wird, erſetzt. So, glaube ich, uͤberſehen Sie die
Bedingungen der Ladung voͤllig; ich will jetzt die Entladung
naͤher betrachten.
Um dieſe genau zu verſtehen, wollen wir die Flaſche auf dem
iſolirenden Glasteller ſtehen laſſen, und den Leiter, welcher an B
Funken mittheilte, entfernen. Sie uͤberſehen leicht, daß ich keinen
Funken bekomme, wenn ich bloß die aͤußere Belegung beruͤhre;
denn da dieſe waͤhrend der Ladung immer mit der Erde in Ver-
bindung ſtand, da die Ladung nur dadurch moͤglich war, daß dieſe
Verbindung unterhaltend ward, ſo hat die aͤußere Belegung kein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/285>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.