Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Sturz der Bergwasser zur Folge haben, heimgesucht. In den
tropischen Gegenden sind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage
betragen, gar nicht selten, und in Cayenne hat es einmal in
24 Tagen 151 Zoll geregnet.

Die Ausdünstung dauert, wenn die Luft nicht sehr feucht
ist, selbst bei großer Kälte fort und selbst das Eis nimmt durch
Ausdünstung ab, so wie wir denn ja auch alle wissen, daß gefrorne
Wäsche trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. Schübler hat
sich von der Ausdünstung des Eises durch viele Versuche überzeugt,
und gefunden, daß selbst bei - 9 Gr. Temperatur beinahe 1/4 Lin.
von dem in einem Cylinder gefrornen Wasser unter günstigen Um-
ständen, das heißt bei trockner Luft und starkem Winde, in einem
Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen,
ob selbst die niedrigste Temperatur immer noch fähig bleibe, die
Verdampfung zu unterhalten. Wollastons Bemerkung, daß
in den höchsten Gegenden der Atmosphäre die Elasticität der Luft so
schwach werden müsse, daß sie die, der Schwere wegen herabstre-
benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudrängen vermöge, veran-
laßte Faraday zu der richtigen Bemerkung, daß aus ähnlichen
Gründen es auch eine Grenze der Verdampfung geben müsse. Se-
hen wir nämlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an,
daß die Wärme, vermöge der durch sie ertheilten elastischen Kraft,
ein Wassertheilchen nach dem andern losreißt, so muß bei sehr gerin-
ger Wärme diese elastische Kraft endlich so klein werden, daß sie
das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann hört alle Ver-
dampfung auf. Faraday glaubt bei dem Quecksilber eine solche
Grenze gefunden zu haben, indem Quecksilber in einem verschlosse-
nen Gefäße auf ein etwas entfernt von seiner Oberfläche ange-
brachtes Goldblättchen bei sehr kalter Luft gar keine Einwirkung
zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Wärme diese Einwirkung unver-
kennbar ist.

Hygrometer.

Doch ich darf Sie nicht zu lange mit dieser allgemeinen Be-
trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage über, welche
Mittel wir besitzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die
Menge der Wasserdämpfe in der Luft zu bestimmen. Um diese

Sturz der Bergwaſſer zur Folge haben, heimgeſucht. In den
tropiſchen Gegenden ſind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage
betragen, gar nicht ſelten, und in Cayenne hat es einmal in
24 Tagen 151 Zoll geregnet.

Die Ausduͤnſtung dauert, wenn die Luft nicht ſehr feucht
iſt, ſelbſt bei großer Kaͤlte fort und ſelbſt das Eis nimmt durch
Ausduͤnſtung ab, ſo wie wir denn ja auch alle wiſſen, daß gefrorne
Waͤſche trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. Schuͤbler hat
ſich von der Ausduͤnſtung des Eiſes durch viele Verſuche uͤberzeugt,
und gefunden, daß ſelbſt bei - 9 Gr. Temperatur beinahe ¼ Lin.
von dem in einem Cylinder gefrornen Waſſer unter guͤnſtigen Um-
ſtaͤnden, das heißt bei trockner Luft und ſtarkem Winde, in einem
Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen,
ob ſelbſt die niedrigſte Temperatur immer noch faͤhig bleibe, die
Verdampfung zu unterhalten. Wollaſtons Bemerkung, daß
in den hoͤchſten Gegenden der Atmoſphaͤre die Elaſticitaͤt der Luft ſo
ſchwach werden muͤſſe, daß ſie die, der Schwere wegen herabſtre-
benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudraͤngen vermoͤge, veran-
laßte Faraday zu der richtigen Bemerkung, daß aus aͤhnlichen
Gruͤnden es auch eine Grenze der Verdampfung geben muͤſſe. Se-
hen wir naͤmlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an,
daß die Waͤrme, vermoͤge der durch ſie ertheilten elaſtiſchen Kraft,
ein Waſſertheilchen nach dem andern losreißt, ſo muß bei ſehr gerin-
ger Waͤrme dieſe elaſtiſche Kraft endlich ſo klein werden, daß ſie
das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann hoͤrt alle Ver-
dampfung auf. Faraday glaubt bei dem Queckſilber eine ſolche
Grenze gefunden zu haben, indem Queckſilber in einem verſchloſſe-
nen Gefaͤße auf ein etwas entfernt von ſeiner Oberflaͤche ange-
brachtes Goldblaͤttchen bei ſehr kalter Luft gar keine Einwirkung
zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Waͤrme dieſe Einwirkung unver-
kennbar iſt.

Hygrometer.

Doch ich darf Sie nicht zu lange mit dieſer allgemeinen Be-
trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage uͤber, welche
Mittel wir beſitzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die
Menge der Waſſerdaͤmpfe in der Luft zu beſtimmen. Um dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0156" n="142"/>
Sturz der Bergwa&#x017F;&#x017F;er zur Folge haben, heimge&#x017F;ucht. In den<lb/>
tropi&#x017F;chen Gegenden &#x017F;ind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage<lb/>
betragen, gar nicht &#x017F;elten, und in <hi rendition="#g">Cayenne</hi> hat es einmal in<lb/>
24 Tagen 151 Zoll geregnet.</p><lb/>
          <p>Die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung dauert, wenn die Luft nicht &#x017F;ehr feucht<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t bei großer Ka&#x0364;lte fort und &#x017F;elb&#x017F;t das Eis nimmt durch<lb/>
Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung ab, &#x017F;o wie wir denn ja auch alle wi&#x017F;&#x017F;en, daß gefrorne<lb/>
Wa&#x0364;&#x017F;che trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. <hi rendition="#g">Schu&#x0364;bler</hi> hat<lb/>
&#x017F;ich von der Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung des Ei&#x017F;es durch viele Ver&#x017F;uche u&#x0364;berzeugt,<lb/>
und gefunden, daß &#x017F;elb&#x017F;t bei - 9 Gr. Temperatur beinahe ¼ Lin.<lb/>
von dem in einem Cylinder gefrornen Wa&#x017F;&#x017F;er unter gu&#x0364;n&#x017F;tigen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, das heißt bei trockner Luft und &#x017F;tarkem Winde, in einem<lb/>
Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen,<lb/>
ob &#x017F;elb&#x017F;t die niedrig&#x017F;te Temperatur immer noch fa&#x0364;hig bleibe, die<lb/>
Verdampfung zu unterhalten. <hi rendition="#g">Wolla&#x017F;tons</hi> Bemerkung, daß<lb/>
in den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gegenden der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re die Ela&#x017F;ticita&#x0364;t der Luft &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwach werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, daß &#x017F;ie die, der Schwere wegen herab&#x017F;tre-<lb/>
benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudra&#x0364;ngen vermo&#x0364;ge, veran-<lb/>
laßte <hi rendition="#g">Faraday</hi> zu der richtigen Bemerkung, daß aus a&#x0364;hnlichen<lb/>
Gru&#x0364;nden es auch eine Grenze der Verdampfung geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Se-<lb/>
hen wir na&#x0364;mlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an,<lb/>
daß die Wa&#x0364;rme, vermo&#x0364;ge der durch &#x017F;ie ertheilten ela&#x017F;ti&#x017F;chen Kraft,<lb/>
ein Wa&#x017F;&#x017F;ertheilchen nach dem andern losreißt, &#x017F;o muß bei &#x017F;ehr gerin-<lb/>
ger Wa&#x0364;rme die&#x017F;e ela&#x017F;ti&#x017F;che Kraft endlich &#x017F;o klein werden, daß &#x017F;ie<lb/>
das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann ho&#x0364;rt alle Ver-<lb/>
dampfung auf. <hi rendition="#g">Faraday</hi> glaubt bei dem Queck&#x017F;ilber eine &#x017F;olche<lb/>
Grenze gefunden zu haben, indem Queck&#x017F;ilber in einem ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nen Gefa&#x0364;ße auf ein etwas entfernt von &#x017F;einer Oberfla&#x0364;che ange-<lb/>
brachtes Goldbla&#x0364;ttchen bei &#x017F;ehr kalter Luft gar keine Einwirkung<lb/>
zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Wa&#x0364;rme die&#x017F;e Einwirkung unver-<lb/>
kennbar i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Hygrometer</hi>.</head><lb/>
          <p>Doch ich darf Sie nicht zu lange mit die&#x017F;er allgemeinen Be-<lb/>
trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage u&#x0364;ber, welche<lb/>
Mittel wir be&#x017F;itzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die<lb/>
Menge der Wa&#x017F;&#x017F;erda&#x0364;mpfe in der Luft zu be&#x017F;timmen. Um die&#x017F;e<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0156] Sturz der Bergwaſſer zur Folge haben, heimgeſucht. In den tropiſchen Gegenden ſind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage betragen, gar nicht ſelten, und in Cayenne hat es einmal in 24 Tagen 151 Zoll geregnet. Die Ausduͤnſtung dauert, wenn die Luft nicht ſehr feucht iſt, ſelbſt bei großer Kaͤlte fort und ſelbſt das Eis nimmt durch Ausduͤnſtung ab, ſo wie wir denn ja auch alle wiſſen, daß gefrorne Waͤſche trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. Schuͤbler hat ſich von der Ausduͤnſtung des Eiſes durch viele Verſuche uͤberzeugt, und gefunden, daß ſelbſt bei - 9 Gr. Temperatur beinahe ¼ Lin. von dem in einem Cylinder gefrornen Waſſer unter guͤnſtigen Um- ſtaͤnden, das heißt bei trockner Luft und ſtarkem Winde, in einem Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen, ob ſelbſt die niedrigſte Temperatur immer noch faͤhig bleibe, die Verdampfung zu unterhalten. Wollaſtons Bemerkung, daß in den hoͤchſten Gegenden der Atmoſphaͤre die Elaſticitaͤt der Luft ſo ſchwach werden muͤſſe, daß ſie die, der Schwere wegen herabſtre- benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudraͤngen vermoͤge, veran- laßte Faraday zu der richtigen Bemerkung, daß aus aͤhnlichen Gruͤnden es auch eine Grenze der Verdampfung geben muͤſſe. Se- hen wir naͤmlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an, daß die Waͤrme, vermoͤge der durch ſie ertheilten elaſtiſchen Kraft, ein Waſſertheilchen nach dem andern losreißt, ſo muß bei ſehr gerin- ger Waͤrme dieſe elaſtiſche Kraft endlich ſo klein werden, daß ſie das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann hoͤrt alle Ver- dampfung auf. Faraday glaubt bei dem Queckſilber eine ſolche Grenze gefunden zu haben, indem Queckſilber in einem verſchloſſe- nen Gefaͤße auf ein etwas entfernt von ſeiner Oberflaͤche ange- brachtes Goldblaͤttchen bei ſehr kalter Luft gar keine Einwirkung zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Waͤrme dieſe Einwirkung unver- kennbar iſt. Hygrometer. Doch ich darf Sie nicht zu lange mit dieſer allgemeinen Be- trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage uͤber, welche Mittel wir beſitzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die Menge der Waſſerdaͤmpfe in der Luft zu beſtimmen. Um dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/156
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/156>, abgerufen am 03.05.2024.