aller Erschütterung sichert, bis mehrere Grade unter Null abküh- len, ohne daß es in Eis verwandelt wird; bringt man aber, nach- dem dies geglückt ist, eine kleine Erschütterung hervor, so erfolgt das Gefrieren in einem Augenblicke und das Thermometer steigt bis auf Null, das heißt, im Gefrieren wird so viel Wärme frei, daß das bis zu mehrern Graden unter Null erkältete Wasser, Thermo- meter und Gefäß nun wieder die Nulltemperatur erhält.
Auch für andre Körper hat man die Wärme, die bei dem Flüssigwerden latent wird, zu bestimmen gesucht. Bei den Me- tallen, die erst in sehr hohen Hitzegraden schmelzen, scheint dies nach Rudbergs Beobachtungen am besten durch die Beobachtung der Abkühlungszeiten von 10 zu 10 Grad zu geschehen. Man be- merkte nämlich, daß sehr erhitztes geschmolzenes Zinn von 290° auf 280° Cent. in 14 Sec., von 240 bis 230° in 23 Sec. abkühlte, aber von 230 bis 220 Gr., wo es fest wird, 560 Sec. Zeit ge- brauchte; man schließt also mit Recht, daß in dieser so sehr langen Zeit nicht allein die freie Wärme, sondern auch die im flüssigen Zinn latente Wärme verloren geht, und dadurch die Verzögerung der Abkühlung statt findet. Dieser Schluß ist um desto mehr be- gründet, da nachher die Abkühlung wieder schneller fortgeht und zum Beispiel in dem vorigen Versuche die Abkühlung des festen Zinnes von 220° bis 210° nur 33 Sec. forderte. Rudberg schließt aus diesen Versuchen, daß ein Gewichttheil flüssiges Zinn so viel Wärme latent enthält, als erforderlich ist, um 1 Gewichttheil Wasser 13 1/3 Grad zu erwärmen, und dieses ist ungefähr so viel Wärme, als nöthig ist, um ein Gewichttheil Zinn um 220 Grad zu erwärmen *). Diese Rechnung ist unsicher, da wir die specifische Wärme des so sehr erhitzten Zinnes nicht genau kennen, indeß zeigt sie doch, daß auch hier viel Wärme frei wird, wenn der Zustand der Festigkeit eintritt; und bei Blei, welches mit 320° Cent. schmilzt, findet etwas Aehnliches statt, doch ist die Wärme, die 1 Gewichttheil Blei im Schmelzen aufnimmt, nur so groß, daß sie 1 Gewichttheil Wasser um beinahe 6 Grad erhitzen könnte.
*) Poggend. Ann. XIX. 125, XX. 284. u. Gilb. Ann. XXXVIII. 305.
aller Erſchuͤtterung ſichert, bis mehrere Grade unter Null abkuͤh- len, ohne daß es in Eis verwandelt wird; bringt man aber, nach- dem dies gegluͤckt iſt, eine kleine Erſchuͤtterung hervor, ſo erfolgt das Gefrieren in einem Augenblicke und das Thermometer ſteigt bis auf Null, das heißt, im Gefrieren wird ſo viel Waͤrme frei, daß das bis zu mehrern Graden unter Null erkaͤltete Waſſer, Thermo- meter und Gefaͤß nun wieder die Nulltemperatur erhaͤlt.
Auch fuͤr andre Koͤrper hat man die Waͤrme, die bei dem Fluͤſſigwerden latent wird, zu beſtimmen geſucht. Bei den Me- tallen, die erſt in ſehr hohen Hitzegraden ſchmelzen, ſcheint dies nach Rudbergs Beobachtungen am beſten durch die Beobachtung der Abkuͤhlungszeiten von 10 zu 10 Grad zu geſchehen. Man be- merkte naͤmlich, daß ſehr erhitztes geſchmolzenes Zinn von 290° auf 280° Cent. in 14 Sec., von 240 bis 230° in 23 Sec. abkuͤhlte, aber von 230 bis 220 Gr., wo es feſt wird, 560 Sec. Zeit ge- brauchte; man ſchließt alſo mit Recht, daß in dieſer ſo ſehr langen Zeit nicht allein die freie Waͤrme, ſondern auch die im fluͤſſigen Zinn latente Waͤrme verloren geht, und dadurch die Verzoͤgerung der Abkuͤhlung ſtatt findet. Dieſer Schluß iſt um deſto mehr be- gruͤndet, da nachher die Abkuͤhlung wieder ſchneller fortgeht und zum Beiſpiel in dem vorigen Verſuche die Abkuͤhlung des feſten Zinnes von 220° bis 210° nur 33 Sec. forderte. Rudberg ſchließt aus dieſen Verſuchen, daß ein Gewichttheil fluͤſſiges Zinn ſo viel Waͤrme latent enthaͤlt, als erforderlich iſt, um 1 Gewichttheil Waſſer 13⅓ Grad zu erwaͤrmen, und dieſes iſt ungefaͤhr ſo viel Waͤrme, als noͤthig iſt, um ein Gewichttheil Zinn um 220 Grad zu erwaͤrmen *). Dieſe Rechnung iſt unſicher, da wir die ſpecifiſche Waͤrme des ſo ſehr erhitzten Zinnes nicht genau kennen, indeß zeigt ſie doch, daß auch hier viel Waͤrme frei wird, wenn der Zuſtand der Feſtigkeit eintritt; und bei Blei, welches mit 320° Cent. ſchmilzt, findet etwas Aehnliches ſtatt, doch iſt die Waͤrme, die 1 Gewichttheil Blei im Schmelzen aufnimmt, nur ſo groß, daß ſie 1 Gewichttheil Waſſer um beinahe 6 Grad erhitzen koͤnnte.
*) Poggend. Ann. XIX. 125, XX. 284. u. Gilb. Ann. XXXVIII. 305.
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[87/0101]
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bis auf Null, das heißt, im Gefrieren wird ſo viel Waͤrme frei, daß
das bis zu mehrern Graden unter Null erkaͤltete Waſſer, Thermo-
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Auch fuͤr andre Koͤrper hat man die Waͤrme, die bei dem
Fluͤſſigwerden latent wird, zu beſtimmen geſucht. Bei den Me-
tallen, die erſt in ſehr hohen Hitzegraden ſchmelzen, ſcheint dies nach
Rudbergs Beobachtungen am beſten durch die Beobachtung der
Abkuͤhlungszeiten von 10 zu 10 Grad zu geſchehen. Man be-
merkte naͤmlich, daß ſehr erhitztes geſchmolzenes Zinn von 290°
auf 280° Cent. in 14 Sec., von 240 bis 230° in 23 Sec. abkuͤhlte,
aber von 230 bis 220 Gr., wo es feſt wird, 560 Sec. Zeit ge-
brauchte; man ſchließt alſo mit Recht, daß in dieſer ſo ſehr langen
Zeit nicht allein die freie Waͤrme, ſondern auch die im fluͤſſigen
Zinn latente Waͤrme verloren geht, und dadurch die Verzoͤgerung
der Abkuͤhlung ſtatt findet. Dieſer Schluß iſt um deſto mehr be-
gruͤndet, da nachher die Abkuͤhlung wieder ſchneller fortgeht und
zum Beiſpiel in dem vorigen Verſuche die Abkuͤhlung des feſten
Zinnes von 220° bis 210° nur 33 Sec. forderte. Rudberg ſchließt
aus dieſen Verſuchen, daß ein Gewichttheil fluͤſſiges Zinn ſo viel
Waͤrme latent enthaͤlt, als erforderlich iſt, um 1 Gewichttheil
Waſſer 13⅓ Grad zu erwaͤrmen, und dieſes iſt ungefaͤhr ſo viel
Waͤrme, als noͤthig iſt, um ein Gewichttheil Zinn um 220 Grad
zu erwaͤrmen *). Dieſe Rechnung iſt unſicher, da wir die ſpecifiſche
Waͤrme des ſo ſehr erhitzten Zinnes nicht genau kennen, indeß zeigt
ſie doch, daß auch hier viel Waͤrme frei wird, wenn der Zuſtand
der Feſtigkeit eintritt; und bei Blei, welches mit 320° Cent.
ſchmilzt, findet etwas Aehnliches ſtatt, doch iſt die Waͤrme, die 1
Gewichttheil Blei im Schmelzen aufnimmt, nur ſo groß, daß ſie
1 Gewichttheil Waſſer um beinahe 6 Grad erhitzen koͤnnte.
*) Poggend. Ann. XIX. 125, XX. 284. u. Gilb. Ann. XXXVIII. 305.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/101>, abgerufen am 03.10.2024.
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