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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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gießt, entsteht ein Niederschlag; das Wasser nämlich hat eine
stärkere Verwandtschaft zu dem Weingeiste und nöthigt daher die
Harztheile, ihre Verbindung mit dem Weingeiste aufzugeben, so
daß sie wieder als Harz die Flüssigkeit trüben und nicht mehr mit
dem Weingeist verbunden bleiben. Diese einfache Wahlverwandt-
schaft tritt da ein, wo ein zusammengesetzter Körper durch einen
einfachen zerlegt, einer jener Bestandtheile durch diesen dritten
Körper aufgenommen, der andere aber freigelassen wird. Dagegen
nennt man es doppelte Wahlverwandtschaft, wenn zu
einem zusammengesetzten Körper ein zusammengesetzter Körper ge-
mischt wird, und dieser so beschaffen ist, daß sein einer Bestandtheil
sich mit dem einen Bestandtheil des erstern, sein zweiter Bestand-
theil sich mit dem zweiten Bestandtheile des erstern verbindet.
Blauer Vitriol, eine Verbindung von Kupfer mit Schwefelsäure,
löset sich im Wasser auf; ebenso löset sich Soda, eine Verbindung
von Natron und Kohlensäure, im Wasser auf. Bringt man beide
Auflösungen zusammen, so entsteht eine doppelte neue Verbindung,
indem die Kohlensäure mit dem Kupfer (eigentlich mit dem Kupfer-
Oxyd) einen im Wasser unauflöslichen Körper bildet, der zu Boden
fällt, während die Schwefelsäure mit dem Natron in Verbindung
eingeht, aber als auflösliches Salz im Wasser aufgelöst bleibt,
so daß man es erst durch Abdampfen aus dem Wasser herstellen
könnte.

Wenn die Verwandtschaft des einen Körpers zu einem zweiten
nicht hinreicht, um diesen zweiten von einem dritten zu trennen,
so wird diese Trennung zuweilen dadurch, daß noch eine Mitwir-
kung eines neuen Körpers zu Hülfe kömmt, zu Stande gebracht.
Eisen zum Beispiel hat ein starkes Bestreben, den Sauerstoff an
sich zu ziehen, aber dennoch ist der Sauerstoff als Bestandtheil des
Wassers zu innig mit dem zweiten Bestandtheile des Wassers, dem
Wasserstoff, verbunden, als daß jene Anziehung des Eisens ihn
von diesem trennen könnte. Mischt man aber Schwefelsäure zu
dem Wasser, in welches das Eisen gelegt ist, so wird das Wasser
zersetzt. Die Schwefelsäure nämlich hat zu dem mit Sauerstoff
verbundenen Eisen (dem Eisen-Oxyd,) eine so starke Verwandt-
schaft, daß indem diese sich mit der Verwandtschaft des Eisens zum
Sauerstoff verbindet, der im Wasser so fest gebundene Sauerstoff

gießt, entſteht ein Niederſchlag; das Waſſer naͤmlich hat eine
ſtaͤrkere Verwandtſchaft zu dem Weingeiſte und noͤthigt daher die
Harztheile, ihre Verbindung mit dem Weingeiſte aufzugeben, ſo
daß ſie wieder als Harz die Fluͤſſigkeit truͤben und nicht mehr mit
dem Weingeiſt verbunden bleiben. Dieſe einfache Wahlverwandt-
ſchaft tritt da ein, wo ein zuſammengeſetzter Koͤrper durch einen
einfachen zerlegt, einer jener Beſtandtheile durch dieſen dritten
Koͤrper aufgenommen, der andere aber freigelaſſen wird. Dagegen
nennt man es doppelte Wahlverwandtſchaft, wenn zu
einem zuſammengeſetzten Koͤrper ein zuſammengeſetzter Koͤrper ge-
miſcht wird, und dieſer ſo beſchaffen iſt, daß ſein einer Beſtandtheil
ſich mit dem einen Beſtandtheil des erſtern, ſein zweiter Beſtand-
theil ſich mit dem zweiten Beſtandtheile des erſtern verbindet.
Blauer Vitriol, eine Verbindung von Kupfer mit Schwefelſaͤure,
loͤſet ſich im Waſſer auf; ebenſo loͤſet ſich Soda, eine Verbindung
von Natron und Kohlenſaͤure, im Waſſer auf. Bringt man beide
Aufloͤſungen zuſammen, ſo entſteht eine doppelte neue Verbindung,
indem die Kohlenſaͤure mit dem Kupfer (eigentlich mit dem Kupfer-
Oxyd) einen im Waſſer unaufloͤslichen Koͤrper bildet, der zu Boden
faͤllt, waͤhrend die Schwefelſaͤure mit dem Natron in Verbindung
eingeht, aber als aufloͤsliches Salz im Waſſer aufgeloͤſt bleibt,
ſo daß man es erſt durch Abdampfen aus dem Waſſer herſtellen
koͤnnte.

Wenn die Verwandtſchaft des einen Koͤrpers zu einem zweiten
nicht hinreicht, um dieſen zweiten von einem dritten zu trennen,
ſo wird dieſe Trennung zuweilen dadurch, daß noch eine Mitwir-
kung eines neuen Koͤrpers zu Huͤlfe koͤmmt, zu Stande gebracht.
Eiſen zum Beiſpiel hat ein ſtarkes Beſtreben, den Sauerſtoff an
ſich zu ziehen, aber dennoch iſt der Sauerſtoff als Beſtandtheil des
Waſſers zu innig mit dem zweiten Beſtandtheile des Waſſers, dem
Waſſerſtoff, verbunden, als daß jene Anziehung des Eiſens ihn
von dieſem trennen koͤnnte. Miſcht man aber Schwefelſaͤure zu
dem Waſſer, in welches das Eiſen gelegt iſt, ſo wird das Waſſer
zerſetzt. Die Schwefelſaͤure naͤmlich hat zu dem mit Sauerſtoff
verbundenen Eiſen (dem Eiſen-Oxyd,) eine ſo ſtarke Verwandt-
ſchaft, daß indem dieſe ſich mit der Verwandtſchaft des Eiſens zum
Sauerſtoff verbindet, der im Waſſer ſo feſt gebundene Sauerſtoff

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[34/0048] gießt, entſteht ein Niederſchlag; das Waſſer naͤmlich hat eine ſtaͤrkere Verwandtſchaft zu dem Weingeiſte und noͤthigt daher die Harztheile, ihre Verbindung mit dem Weingeiſte aufzugeben, ſo daß ſie wieder als Harz die Fluͤſſigkeit truͤben und nicht mehr mit dem Weingeiſt verbunden bleiben. Dieſe einfache Wahlverwandt- ſchaft tritt da ein, wo ein zuſammengeſetzter Koͤrper durch einen einfachen zerlegt, einer jener Beſtandtheile durch dieſen dritten Koͤrper aufgenommen, der andere aber freigelaſſen wird. Dagegen nennt man es doppelte Wahlverwandtſchaft, wenn zu einem zuſammengeſetzten Koͤrper ein zuſammengeſetzter Koͤrper ge- miſcht wird, und dieſer ſo beſchaffen iſt, daß ſein einer Beſtandtheil ſich mit dem einen Beſtandtheil des erſtern, ſein zweiter Beſtand- theil ſich mit dem zweiten Beſtandtheile des erſtern verbindet. Blauer Vitriol, eine Verbindung von Kupfer mit Schwefelſaͤure, loͤſet ſich im Waſſer auf; ebenſo loͤſet ſich Soda, eine Verbindung von Natron und Kohlenſaͤure, im Waſſer auf. Bringt man beide Aufloͤſungen zuſammen, ſo entſteht eine doppelte neue Verbindung, indem die Kohlenſaͤure mit dem Kupfer (eigentlich mit dem Kupfer- Oxyd) einen im Waſſer unaufloͤslichen Koͤrper bildet, der zu Boden faͤllt, waͤhrend die Schwefelſaͤure mit dem Natron in Verbindung eingeht, aber als aufloͤsliches Salz im Waſſer aufgeloͤſt bleibt, ſo daß man es erſt durch Abdampfen aus dem Waſſer herſtellen koͤnnte. Wenn die Verwandtſchaft des einen Koͤrpers zu einem zweiten nicht hinreicht, um dieſen zweiten von einem dritten zu trennen, ſo wird dieſe Trennung zuweilen dadurch, daß noch eine Mitwir- kung eines neuen Koͤrpers zu Huͤlfe koͤmmt, zu Stande gebracht. Eiſen zum Beiſpiel hat ein ſtarkes Beſtreben, den Sauerſtoff an ſich zu ziehen, aber dennoch iſt der Sauerſtoff als Beſtandtheil des Waſſers zu innig mit dem zweiten Beſtandtheile des Waſſers, dem Waſſerſtoff, verbunden, als daß jene Anziehung des Eiſens ihn von dieſem trennen koͤnnte. Miſcht man aber Schwefelſaͤure zu dem Waſſer, in welches das Eiſen gelegt iſt, ſo wird das Waſſer zerſetzt. Die Schwefelſaͤure naͤmlich hat zu dem mit Sauerſtoff verbundenen Eiſen (dem Eiſen-Oxyd,) eine ſo ſtarke Verwandt- ſchaft, daß indem dieſe ſich mit der Verwandtſchaft des Eiſens zum Sauerſtoff verbindet, der im Waſſer ſo feſt gebundene Sauerſtoff

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/48>, abgerufen am 27.04.2024.