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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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wärmung. In den Crystallen mit zwei Axen ist die Ausdehnung
nach allen drei Richtungen verschieden, statt daß in denen mit einer
Axe die Ausdehnung nach den beiden Dimensionen, welche auf die
eine Axe senkrecht sind, gleich ist *).

Endlich steht hiemit auch noch Fresnel's Bemerkung, daß
man selbst das Glas durch ungleichen Druck doppelt brechend
machen kann, in Verbindung. Fresnel verband vier Prismen
A, B, C, D, die neben einander gelegt waren, (Fig. 140.) so,
daß sie vermittelst eines nach der Längenrichtung gehenden starken
Druckes in eine ungewöhnliche Spannung ihrer Theilchen versetzt
wurden; die Zwischenräume wurden nun durch andre Prismen
E, F, G, H, die keinem Drucke ausgesetzt wurden, ausgefüllt;
ein auf die Vorderfläche 1 m treffender Strahl ging dann durch
diese vermittelst eines Firniß zu einer Masse verbundenen Gläser
und zeigte sich an der Hinterfläche als gespalten, als doppelt gebro-
chen, wie es bei den doppelt brechenden Crystallen der Fall ist.

Theoretische Betrachtungen über die doppelte Brechung.

Die Erklärung dieser Erscheinungen hat nicht unbedeutende
Schwierigkeiten. Folgen wir zuerst Newton's Ansicht, so müssen
wir offenbar einräumen, daß die Lichttheilchen nicht alle einer
gleichen Anziehung ausgesetzt sind, daß nämlich in den Crystallen
mit einer Axe zwar einige Lichttheilchen, nämlich die der gewöhn-
lichen Brechung folgenden, eine immer gleiche Geschwindigkeit er-
langen, die übrigen aber eine nach der Lage des Strahles gegen
die Axe ungleiche Geschwindigkeit annehmen. Hier würde es uns
nun freilich nicht so sehr überraschen, eine von der Richtung der
Axe abhängende Anziehungskraft zu bemerken, da alle Crystallisa-
tion auf einer regelmäßig ungleich vertheilten Anordnung der Ma-
terie zu beruhen scheint; aber der Grund, warum nur einige Licht-
theilchen der einen Art von Anziehung folgen, andre Theilchen der
andern, bleibt völlig unerklärt. Bemerkenswerth ist es indeß, daß
Laplace aus der bloßen Voraussetzung, daß die Geschwindigkeit
der Theilchen im ungewöhnlichen Strahle nach einem bestimmten
Gesetze veränderlich sei, die für die doppelte Brechung geltenden

*) Gilb. Ann. LXIX. 1. Poggend. Ann. X. 137.

waͤrmung. In den Cryſtallen mit zwei Axen iſt die Ausdehnung
nach allen drei Richtungen verſchieden, ſtatt daß in denen mit einer
Axe die Ausdehnung nach den beiden Dimenſionen, welche auf die
eine Axe ſenkrecht ſind, gleich iſt *).

Endlich ſteht hiemit auch noch Fresnel's Bemerkung, daß
man ſelbſt das Glas durch ungleichen Druck doppelt brechend
machen kann, in Verbindung. Fresnel verband vier Prismen
A, B, C, D, die neben einander gelegt waren, (Fig. 140.) ſo,
daß ſie vermittelſt eines nach der Laͤngenrichtung gehenden ſtarken
Druckes in eine ungewoͤhnliche Spannung ihrer Theilchen verſetzt
wurden; die Zwiſchenraͤume wurden nun durch andre Prismen
E, F, G, H, die keinem Drucke ausgeſetzt wurden, ausgefuͤllt;
ein auf die Vorderflaͤche 1 m treffender Strahl ging dann durch
dieſe vermittelſt eines Firniß zu einer Maſſe verbundenen Glaͤſer
und zeigte ſich an der Hinterflaͤche als geſpalten, als doppelt gebro-
chen, wie es bei den doppelt brechenden Cryſtallen der Fall iſt.

Theoretiſche Betrachtungen uͤber die doppelte Brechung.

Die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen hat nicht unbedeutende
Schwierigkeiten. Folgen wir zuerſt Newton's Anſicht, ſo muͤſſen
wir offenbar einraͤumen, daß die Lichttheilchen nicht alle einer
gleichen Anziehung ausgeſetzt ſind, daß naͤmlich in den Cryſtallen
mit einer Axe zwar einige Lichttheilchen, naͤmlich die der gewoͤhn-
lichen Brechung folgenden, eine immer gleiche Geſchwindigkeit er-
langen, die uͤbrigen aber eine nach der Lage des Strahles gegen
die Axe ungleiche Geſchwindigkeit annehmen. Hier wuͤrde es uns
nun freilich nicht ſo ſehr uͤberraſchen, eine von der Richtung der
Axe abhaͤngende Anziehungskraft zu bemerken, da alle Cryſtalliſa-
tion auf einer regelmaͤßig ungleich vertheilten Anordnung der Ma-
terie zu beruhen ſcheint; aber der Grund, warum nur einige Licht-
theilchen der einen Art von Anziehung folgen, andre Theilchen der
andern, bleibt voͤllig unerklaͤrt. Bemerkenswerth iſt es indeß, daß
Laplace aus der bloßen Vorausſetzung, daß die Geſchwindigkeit
der Theilchen im ungewoͤhnlichen Strahle nach einem beſtimmten
Geſetze veraͤnderlich ſei, die fuͤr die doppelte Brechung geltenden

*) Gilb. Ann. LXIX. 1. Poggend. Ann. X. 137.
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[316/0330] waͤrmung. In den Cryſtallen mit zwei Axen iſt die Ausdehnung nach allen drei Richtungen verſchieden, ſtatt daß in denen mit einer Axe die Ausdehnung nach den beiden Dimenſionen, welche auf die eine Axe ſenkrecht ſind, gleich iſt *). Endlich ſteht hiemit auch noch Fresnel's Bemerkung, daß man ſelbſt das Glas durch ungleichen Druck doppelt brechend machen kann, in Verbindung. Fresnel verband vier Prismen A, B, C, D, die neben einander gelegt waren, (Fig. 140.) ſo, daß ſie vermittelſt eines nach der Laͤngenrichtung gehenden ſtarken Druckes in eine ungewoͤhnliche Spannung ihrer Theilchen verſetzt wurden; die Zwiſchenraͤume wurden nun durch andre Prismen E, F, G, H, die keinem Drucke ausgeſetzt wurden, ausgefuͤllt; ein auf die Vorderflaͤche 1 m treffender Strahl ging dann durch dieſe vermittelſt eines Firniß zu einer Maſſe verbundenen Glaͤſer und zeigte ſich an der Hinterflaͤche als geſpalten, als doppelt gebro- chen, wie es bei den doppelt brechenden Cryſtallen der Fall iſt. Theoretiſche Betrachtungen uͤber die doppelte Brechung. Die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen hat nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Folgen wir zuerſt Newton's Anſicht, ſo muͤſſen wir offenbar einraͤumen, daß die Lichttheilchen nicht alle einer gleichen Anziehung ausgeſetzt ſind, daß naͤmlich in den Cryſtallen mit einer Axe zwar einige Lichttheilchen, naͤmlich die der gewoͤhn- lichen Brechung folgenden, eine immer gleiche Geſchwindigkeit er- langen, die uͤbrigen aber eine nach der Lage des Strahles gegen die Axe ungleiche Geſchwindigkeit annehmen. Hier wuͤrde es uns nun freilich nicht ſo ſehr uͤberraſchen, eine von der Richtung der Axe abhaͤngende Anziehungskraft zu bemerken, da alle Cryſtalliſa- tion auf einer regelmaͤßig ungleich vertheilten Anordnung der Ma- terie zu beruhen ſcheint; aber der Grund, warum nur einige Licht- theilchen der einen Art von Anziehung folgen, andre Theilchen der andern, bleibt voͤllig unerklaͤrt. Bemerkenswerth iſt es indeß, daß Laplace aus der bloßen Vorausſetzung, daß die Geſchwindigkeit der Theilchen im ungewoͤhnlichen Strahle nach einem beſtimmten Geſetze veraͤnderlich ſei, die fuͤr die doppelte Brechung geltenden *) Gilb. Ann. LXIX. 1. Poggend. Ann. X. 137.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/330>, abgerufen am 22.11.2024.