zeugen, daß, wo nur einfarbiges Licht auffällt, auch hier die Er- scheinung andrer Farben wegfällt.
Fraunhofer hat über diese Erscheinung eine eigne und ge- naue Reihe von Versuchen angestellt. Wenn man das Sonnen- licht durch eine schmale Oeffnung, etwa von ein Hunderttel Zoll einfallen läßt, und das Fernrohr so stellt, daß man diese Oeffnung scharf sieht, dann aber ein aus parallelen nach einer einzigen Rich- tung gezogenen Linien bestehendes Gitter vor das Objectivglas bringt; so sieht man erstlich jenen schmalen Spalt deutlich und ohne Farben, daran zweitens an jeder Seite einen dunkeln Raum, an welchen ein zweites Bild grenzt, das sein Violett gegen die Mitte der ganzen Erscheinung oder gegen jenes erste Bild wendet, daran stößt drittens an beiden Seiten symmetrisch ein dunkler Raum und dann ein neues doppelt so breites Farbenbild, worin wieder das Violett dem vorigen Bilde zugewandt ist und das Roth sich an der andern Seite zeigt; viertens grenzt hieran ein neues Farbenbild, das aber schon sein Violett mit dem Roth des vorigen mischt, und so folgen noch mehr Bilder, bei denen die Mischung noch stärker eintritt. Diese Farbenbilder werden am breitesten und haben die reinsten Farben, wenn die Linien, welche das Gitter bilden, recht fein und eng an einander sind; sie fordern, um schön zu erscheinen, eine ganz genaue Gleichförmigkeit. Sind die Zwischenräume zwi- schen den Linien und ist die Dicke der Linien selbst ungleich, so zeigt sich ein nicht mehr farbiger Schweif an beiden Seiten des hellen Raumes und ebenso an beiden Seiten einer Lichtflamme; denn da den weiter von einander abstehenden Linien eine enger an einander gereihte Folge von Bildern entspricht, den nähern Linien weiter entfernte Bilder, so fallen die den ungleichen Abständen entspre- chenden Bilder auf einander, und zeigen den hellen Streifen, den wir auf einer unreinen Glastafel zu sehen gewohnt sind, wenn wir auf dieser parallele Züge, etwa mit dem Finger oder einem Tuche gemacht haben und dann eine Lichtflamme durch sie ansehen. Um Gitter, die vermöge vollkommener Parallellinien recht schöne Far- benbilder zeigten, zu erhalten, wandte Fraunhofer theils mit Diamant in Glas eingeritzte mit Hülfe einer genau theilenden Ma- schine in gleichen Abständen gezogene Linien an, theils belegte er die Gläser mit Gold und radirte hierauf Parallellinien, die dann freie
II. T
zeugen, daß, wo nur einfarbiges Licht auffaͤllt, auch hier die Er- ſcheinung andrer Farben wegfaͤllt.
Fraunhofer hat uͤber dieſe Erſcheinung eine eigne und ge- naue Reihe von Verſuchen angeſtellt. Wenn man das Sonnen- licht durch eine ſchmale Oeffnung, etwa von ein Hunderttel Zoll einfallen laͤßt, und das Fernrohr ſo ſtellt, daß man dieſe Oeffnung ſcharf ſieht, dann aber ein aus parallelen nach einer einzigen Rich- tung gezogenen Linien beſtehendes Gitter vor das Objectivglas bringt; ſo ſieht man erſtlich jenen ſchmalen Spalt deutlich und ohne Farben, daran zweitens an jeder Seite einen dunkeln Raum, an welchen ein zweites Bild grenzt, das ſein Violett gegen die Mitte der ganzen Erſcheinung oder gegen jenes erſte Bild wendet, daran ſtoͤßt drittens an beiden Seiten ſymmetriſch ein dunkler Raum und dann ein neues doppelt ſo breites Farbenbild, worin wieder das Violett dem vorigen Bilde zugewandt iſt und das Roth ſich an der andern Seite zeigt; viertens grenzt hieran ein neues Farbenbild, das aber ſchon ſein Violett mit dem Roth des vorigen miſcht, und ſo folgen noch mehr Bilder, bei denen die Miſchung noch ſtaͤrker eintritt. Dieſe Farbenbilder werden am breiteſten und haben die reinſten Farben, wenn die Linien, welche das Gitter bilden, recht fein und eng an einander ſind; ſie fordern, um ſchoͤn zu erſcheinen, eine ganz genaue Gleichfoͤrmigkeit. Sind die Zwiſchenraͤume zwi- ſchen den Linien und iſt die Dicke der Linien ſelbſt ungleich, ſo zeigt ſich ein nicht mehr farbiger Schweif an beiden Seiten des hellen Raumes und ebenſo an beiden Seiten einer Lichtflamme; denn da den weiter von einander abſtehenden Linien eine enger an einander gereihte Folge von Bildern entſpricht, den naͤhern Linien weiter entfernte Bilder, ſo fallen die den ungleichen Abſtaͤnden entſpre- chenden Bilder auf einander, und zeigen den hellen Streifen, den wir auf einer unreinen Glastafel zu ſehen gewohnt ſind, wenn wir auf dieſer parallele Zuͤge, etwa mit dem Finger oder einem Tuche gemacht haben und dann eine Lichtflamme durch ſie anſehen. Um Gitter, die vermoͤge vollkommener Parallellinien recht ſchoͤne Far- benbilder zeigten, zu erhalten, wandte Fraunhofer theils mit Diamant in Glas eingeritzte mit Huͤlfe einer genau theilenden Ma- ſchine in gleichen Abſtaͤnden gezogene Linien an, theils belegte er die Glaͤſer mit Gold und radirte hierauf Parallellinien, die dann freie
II. T
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0303"n="289"/>
zeugen, daß, wo nur einfarbiges Licht auffaͤllt, auch hier die Er-<lb/>ſcheinung andrer Farben wegfaͤllt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Fraunhofer</hi> hat uͤber dieſe Erſcheinung eine eigne und ge-<lb/>
naue Reihe von Verſuchen angeſtellt. Wenn man das Sonnen-<lb/>
licht durch eine ſchmale Oeffnung, etwa von ein Hunderttel Zoll<lb/>
einfallen laͤßt, und das Fernrohr ſo ſtellt, daß man dieſe Oeffnung<lb/>ſcharf ſieht, dann aber ein aus parallelen nach einer einzigen Rich-<lb/>
tung gezogenen Linien beſtehendes Gitter vor das Objectivglas<lb/>
bringt; ſo ſieht man erſtlich jenen ſchmalen Spalt deutlich und ohne<lb/>
Farben, daran zweitens an jeder Seite einen dunkeln Raum, an<lb/>
welchen ein zweites Bild grenzt, das ſein Violett gegen die Mitte<lb/>
der ganzen Erſcheinung oder gegen jenes erſte Bild wendet, daran<lb/>ſtoͤßt drittens an beiden Seiten ſymmetriſch ein dunkler Raum und<lb/>
dann ein neues doppelt ſo breites Farbenbild, worin wieder das<lb/>
Violett dem vorigen Bilde zugewandt iſt und das Roth ſich an der<lb/>
andern Seite zeigt; viertens grenzt hieran ein neues Farbenbild,<lb/>
das aber ſchon ſein Violett mit dem Roth des vorigen miſcht, und<lb/>ſo folgen noch mehr Bilder, bei denen die Miſchung noch ſtaͤrker<lb/>
eintritt. Dieſe Farbenbilder werden am breiteſten und haben die<lb/>
reinſten Farben, wenn die Linien, welche das Gitter bilden, recht<lb/>
fein und eng an einander ſind; ſie fordern, um ſchoͤn zu erſcheinen,<lb/>
eine ganz genaue Gleichfoͤrmigkeit. Sind die Zwiſchenraͤume zwi-<lb/>ſchen den Linien und iſt die Dicke der Linien ſelbſt ungleich, ſo zeigt<lb/>ſich ein nicht mehr farbiger Schweif an beiden Seiten des hellen<lb/>
Raumes und ebenſo an beiden Seiten einer Lichtflamme; denn da<lb/>
den weiter von einander abſtehenden Linien eine enger an einander<lb/>
gereihte Folge von Bildern entſpricht, den naͤhern Linien weiter<lb/>
entfernte Bilder, ſo fallen die den ungleichen Abſtaͤnden entſpre-<lb/>
chenden Bilder auf einander, und zeigen den hellen Streifen, den<lb/>
wir auf einer unreinen Glastafel zu ſehen gewohnt ſind, wenn wir<lb/>
auf dieſer parallele Zuͤge, etwa mit dem Finger oder einem Tuche<lb/>
gemacht haben und dann eine Lichtflamme durch ſie anſehen. Um<lb/>
Gitter, die vermoͤge vollkommener Parallellinien recht ſchoͤne Far-<lb/>
benbilder zeigten, zu erhalten, wandte <hirendition="#g">Fraunhofer</hi> theils mit<lb/>
Diamant in Glas eingeritzte mit Huͤlfe einer genau theilenden Ma-<lb/>ſchine in gleichen Abſtaͤnden gezogene Linien an, theils belegte er die<lb/>
Glaͤſer mit Gold und radirte hierauf Parallellinien, die dann freie<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq"><hirendition="#b">II.</hi></hi> T</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[289/0303]
zeugen, daß, wo nur einfarbiges Licht auffaͤllt, auch hier die Er-
ſcheinung andrer Farben wegfaͤllt.
Fraunhofer hat uͤber dieſe Erſcheinung eine eigne und ge-
naue Reihe von Verſuchen angeſtellt. Wenn man das Sonnen-
licht durch eine ſchmale Oeffnung, etwa von ein Hunderttel Zoll
einfallen laͤßt, und das Fernrohr ſo ſtellt, daß man dieſe Oeffnung
ſcharf ſieht, dann aber ein aus parallelen nach einer einzigen Rich-
tung gezogenen Linien beſtehendes Gitter vor das Objectivglas
bringt; ſo ſieht man erſtlich jenen ſchmalen Spalt deutlich und ohne
Farben, daran zweitens an jeder Seite einen dunkeln Raum, an
welchen ein zweites Bild grenzt, das ſein Violett gegen die Mitte
der ganzen Erſcheinung oder gegen jenes erſte Bild wendet, daran
ſtoͤßt drittens an beiden Seiten ſymmetriſch ein dunkler Raum und
dann ein neues doppelt ſo breites Farbenbild, worin wieder das
Violett dem vorigen Bilde zugewandt iſt und das Roth ſich an der
andern Seite zeigt; viertens grenzt hieran ein neues Farbenbild,
das aber ſchon ſein Violett mit dem Roth des vorigen miſcht, und
ſo folgen noch mehr Bilder, bei denen die Miſchung noch ſtaͤrker
eintritt. Dieſe Farbenbilder werden am breiteſten und haben die
reinſten Farben, wenn die Linien, welche das Gitter bilden, recht
fein und eng an einander ſind; ſie fordern, um ſchoͤn zu erſcheinen,
eine ganz genaue Gleichfoͤrmigkeit. Sind die Zwiſchenraͤume zwi-
ſchen den Linien und iſt die Dicke der Linien ſelbſt ungleich, ſo zeigt
ſich ein nicht mehr farbiger Schweif an beiden Seiten des hellen
Raumes und ebenſo an beiden Seiten einer Lichtflamme; denn da
den weiter von einander abſtehenden Linien eine enger an einander
gereihte Folge von Bildern entſpricht, den naͤhern Linien weiter
entfernte Bilder, ſo fallen die den ungleichen Abſtaͤnden entſpre-
chenden Bilder auf einander, und zeigen den hellen Streifen, den
wir auf einer unreinen Glastafel zu ſehen gewohnt ſind, wenn wir
auf dieſer parallele Zuͤge, etwa mit dem Finger oder einem Tuche
gemacht haben und dann eine Lichtflamme durch ſie anſehen. Um
Gitter, die vermoͤge vollkommener Parallellinien recht ſchoͤne Far-
benbilder zeigten, zu erhalten, wandte Fraunhofer theils mit
Diamant in Glas eingeritzte mit Huͤlfe einer genau theilenden Ma-
ſchine in gleichen Abſtaͤnden gezogene Linien an, theils belegte er die
Glaͤſer mit Gold und radirte hierauf Parallellinien, die dann freie
II. T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/303>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.