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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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in der That das Experiment überzeugend genug. Einige Arten von
Blumen sind noch mehr dazu geeignet, indem die Lychnis chalce-
donica
ein fast reines Roth, und einige blaue Blumen ein wenig-
stens nicht mit allzu erheblichem grünem Rande versehenes Blau
liefern. Man kann den Versuch auch so abändern, daß man
(Fig. 86.) an den obern Rand des rothen Vier-Eckes ein blaues
Blättchen g, einen kleinen Theil des Roth verdeckend, legt; be-
trachtet man nun das Vier-Eck AB durch das Prisma, so daß es
nach ab herabgerückt erscheint, so sieht man bei gI einen dunkeln
Fleck ohne Farbe, das Blau aber zeigt sich bei e als einen violettern
Schimmer auf dem Roth verbreitend. In der Gegend gI erschei-
nen dem Auge gar keine Farbenstrahlen, von dort kömmt gar kein
Licht zum Auge, indem dort keine rothe, einer geringen Brechung
empfängliche Strahlen ausgehen, die blauen aber, stärker gebrochen,
das Auge so treffen, als ob sie von e ausgingen.

Daß aus dem weißen Sonnenlichte ein farbiges Bild hervor-
ging, hatte Newton durch einen ähnlichen Versuch, wie den
oben beschriebenen, gezeigt; aber es konnte nun die Frage entstehen,
ob denn nicht durch eine neue Brechung jeder Farbenstrahl sich
abermals ebenso in neue Strahlen zerstreuen oder ausbreiten werde.
Newton suchte daher zuerst die bei der ersten Brechung getrenn-
ten Strahlen so zu erhalten, daß sie möglichst ungemischt hervor-
gingen, und unterwarf sie dann einer neuen Brechung. Um das
erstere zu bewirken, wurde der durch das Prisma A (Fig. 87.)
gebrochene Strahl durch eine kleine Oeffnung B und abermals
durch eine kleine Oeffnung C durchgelassen; dadurch konnte man,
indem die Mitte des rothen Strahles durch B nach C fiel, alles
Gelb, und so, bei ähnlicher Anwendung eines andern Farben-
strahles, fast alles fremde Licht entfernt halten, also auf das Prisma
D möglichst reines, einfarbiges Licht fallen lassen. Ward nun dieses
im Prisma D zum zweiten Male gebrochen, so zeigte sich, daß dieser
farbige Strahl keine merkliche abermalige Ausbreitung, wie es
bei erheblich verschiedener Brechung seiner einzelnen Theile hätte
statt finden müssen, zeigte; aber daß die neue Ablenkung, die er
durch das Prisma D erlitt, am geringsten war, wenn man einen
rothen Strahl durch B, C hatte einfallen lassen, am stärksten, wenn
der Strahl violett war, und daß also die stärkere Brechbarkeit auch

in der That das Experiment uͤberzeugend genug. Einige Arten von
Blumen ſind noch mehr dazu geeignet, indem die Lychnis chalce-
donica
ein faſt reines Roth, und einige blaue Blumen ein wenig-
ſtens nicht mit allzu erheblichem gruͤnem Rande verſehenes Blau
liefern. Man kann den Verſuch auch ſo abaͤndern, daß man
(Fig. 86.) an den obern Rand des rothen Vier-Eckes ein blaues
Blaͤttchen g, einen kleinen Theil des Roth verdeckend, legt; be-
trachtet man nun das Vier-Eck AB durch das Prisma, ſo daß es
nach ab herabgeruͤckt erſcheint, ſo ſieht man bei gI einen dunkeln
Fleck ohne Farbe, das Blau aber zeigt ſich bei e als einen violettern
Schimmer auf dem Roth verbreitend. In der Gegend gI erſchei-
nen dem Auge gar keine Farbenſtrahlen, von dort koͤmmt gar kein
Licht zum Auge, indem dort keine rothe, einer geringen Brechung
empfaͤngliche Strahlen ausgehen, die blauen aber, ſtaͤrker gebrochen,
das Auge ſo treffen, als ob ſie von e ausgingen.

Daß aus dem weißen Sonnenlichte ein farbiges Bild hervor-
ging, hatte Newton durch einen aͤhnlichen Verſuch, wie den
oben beſchriebenen, gezeigt; aber es konnte nun die Frage entſtehen,
ob denn nicht durch eine neue Brechung jeder Farbenſtrahl ſich
abermals ebenſo in neue Strahlen zerſtreuen oder ausbreiten werde.
Newton ſuchte daher zuerſt die bei der erſten Brechung getrenn-
ten Strahlen ſo zu erhalten, daß ſie moͤglichſt ungemiſcht hervor-
gingen, und unterwarf ſie dann einer neuen Brechung. Um das
erſtere zu bewirken, wurde der durch das Prisma A (Fig. 87.)
gebrochene Strahl durch eine kleine Oeffnung B und abermals
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indem die Mitte des rothen Strahles durch B nach C fiel, alles
Gelb, und ſo, bei aͤhnlicher Anwendung eines andern Farben-
ſtrahles, faſt alles fremde Licht entfernt halten, alſo auf das Prisma
D moͤglichſt reines, einfarbiges Licht fallen laſſen. Ward nun dieſes
im Prisma D zum zweiten Male gebrochen, ſo zeigte ſich, daß dieſer
farbige Strahl keine merkliche abermalige Ausbreitung, wie es
bei erheblich verſchiedener Brechung ſeiner einzelnen Theile haͤtte
ſtatt finden muͤſſen, zeigte; aber daß die neue Ablenkung, die er
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[174/0188] in der That das Experiment uͤberzeugend genug. Einige Arten von Blumen ſind noch mehr dazu geeignet, indem die Lychnis chalce- donica ein faſt reines Roth, und einige blaue Blumen ein wenig- ſtens nicht mit allzu erheblichem gruͤnem Rande verſehenes Blau liefern. Man kann den Verſuch auch ſo abaͤndern, daß man (Fig. 86.) an den obern Rand des rothen Vier-Eckes ein blaues Blaͤttchen g, einen kleinen Theil des Roth verdeckend, legt; be- trachtet man nun das Vier-Eck AB durch das Prisma, ſo daß es nach ab herabgeruͤckt erſcheint, ſo ſieht man bei gI einen dunkeln Fleck ohne Farbe, das Blau aber zeigt ſich bei e als einen violettern Schimmer auf dem Roth verbreitend. In der Gegend gI erſchei- nen dem Auge gar keine Farbenſtrahlen, von dort koͤmmt gar kein Licht zum Auge, indem dort keine rothe, einer geringen Brechung empfaͤngliche Strahlen ausgehen, die blauen aber, ſtaͤrker gebrochen, das Auge ſo treffen, als ob ſie von e ausgingen. Daß aus dem weißen Sonnenlichte ein farbiges Bild hervor- ging, hatte Newton durch einen aͤhnlichen Verſuch, wie den oben beſchriebenen, gezeigt; aber es konnte nun die Frage entſtehen, ob denn nicht durch eine neue Brechung jeder Farbenſtrahl ſich abermals ebenſo in neue Strahlen zerſtreuen oder ausbreiten werde. Newton ſuchte daher zuerſt die bei der erſten Brechung getrenn- ten Strahlen ſo zu erhalten, daß ſie moͤglichſt ungemiſcht hervor- gingen, und unterwarf ſie dann einer neuen Brechung. Um das erſtere zu bewirken, wurde der durch das Prisma A (Fig. 87.) gebrochene Strahl durch eine kleine Oeffnung B und abermals durch eine kleine Oeffnung C durchgelaſſen; dadurch konnte man, indem die Mitte des rothen Strahles durch B nach C fiel, alles Gelb, und ſo, bei aͤhnlicher Anwendung eines andern Farben- ſtrahles, faſt alles fremde Licht entfernt halten, alſo auf das Prisma D moͤglichſt reines, einfarbiges Licht fallen laſſen. Ward nun dieſes im Prisma D zum zweiten Male gebrochen, ſo zeigte ſich, daß dieſer farbige Strahl keine merkliche abermalige Ausbreitung, wie es bei erheblich verſchiedener Brechung ſeiner einzelnen Theile haͤtte ſtatt finden muͤſſen, zeigte; aber daß die neue Ablenkung, die er durch das Prisma D erlitt, am geringſten war, wenn man einen rothen Strahl durch B, C hatte einfallen laſſen, am ſtaͤrkſten, wenn der Strahl violett war, und daß alſo die ſtaͤrkere Brechbarkeit auch

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/188>, abgerufen am 25.11.2024.