Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

geneigte, aufwärts gehende Richtung an. Wenn man genau die
Höhenwinkel, unter welchen ein entfernter Gegenstand erscheint,
abmißt, so findet man in der That, daß die Refraction zuweilen
eine herabwärts gehende ist, und daß dieses zu den Tageszeiten
statt findet, wo die Erde am meisten erhitzt ist. Hiemit verbindet
sich nun in völlig ebenen, durch gar keine Hügel unterbrochenen
Gegenden eine Verdoppelung der Gegenstände. Wenn nämlich A
ein Gegenstand ist, der sich schon hoch genug über der Erde befin-
det, um den Schichten großer Erhitzung nicht mehr anzugehören,
so kann der Lichtstrahl AB, in ziemlicher Höhe über der Erde fort-
gehend, mit geringer Brechung nach B gelangen; die grade Linie
AB (Fig. 82.) kann diesen Lichtstrahl vorstellen. Aber offenbar
gelangen von A aus auch Lichtstrahlen in die tieferen Schichten, und
da sie dort, vorzüglich in der Gegend D, in der erhitzten, verdünn-
ten Luft vom Perpendikel abwärts gebrochen werden, so nehmen sie
ihren Weg wieder aufwärts, und es ist möglich, daß ein zweiter
von A kommender Lichtstrahl ADB nach B gelangt, so daß ein
Auge in B den Gegenstand A doppelt sieht, so wohl in der natür-
lichen Richtung BA, als in der viel niedrigeren Richtung BD.
Beide Lichtstrahlen sind offenbar gleich gut geeignet den Punct A
sichtbar zu machen, und dieser zeigt sich daher verdoppelt. Eben
das findet für die nahe an A liegenden Puncte statt; aber dabei be-
merkt man das Auffallende, daß im unteren Bilde, oder in der
durch den Strahl DB hervorgebrachten Erscheinung, die höheren
Puncte a des Gegenstandes tiefer hinab erscheinen. Es ist nämlich
nicht schwer zu beweisen, daß ein von a kommender Lichtstrahl tiefer
in die verdünnten Schichten bei DE eindringen muß, um zur ho-
rizontalen und zur aufwärts gehenden Richtung zu gelangen, daß
aber auf einem solchen Wege auch von a ein zweiter Lichtstrahl nach
B gelangen kann und der Gegenstand Aa nun zum zweiten Male,
so als ob er in der durch Ff bestimmten Richtung umgekehrt stände,
erscheint.

Durch eben die Betrachtungen, die wir früher einmal an-
wandten, um zu zeigen, daß von der unter dem Prisma liegenden
Schrift dem Auge nichts sichtbar wird, wenn das Auge so steht,
daß es die volle Reflexion der Lichtstrahlen von der unteren Seiten-

geneigte, aufwaͤrts gehende Richtung an. Wenn man genau die
Hoͤhenwinkel, unter welchen ein entfernter Gegenſtand erſcheint,
abmißt, ſo findet man in der That, daß die Refraction zuweilen
eine herabwaͤrts gehende iſt, und daß dieſes zu den Tageszeiten
ſtatt findet, wo die Erde am meiſten erhitzt iſt. Hiemit verbindet
ſich nun in voͤllig ebenen, durch gar keine Huͤgel unterbrochenen
Gegenden eine Verdoppelung der Gegenſtaͤnde. Wenn naͤmlich A
ein Gegenſtand iſt, der ſich ſchon hoch genug uͤber der Erde befin-
det, um den Schichten großer Erhitzung nicht mehr anzugehoͤren,
ſo kann der Lichtſtrahl AB, in ziemlicher Hoͤhe uͤber der Erde fort-
gehend, mit geringer Brechung nach B gelangen; die grade Linie
AB (Fig. 82.) kann dieſen Lichtſtrahl vorſtellen. Aber offenbar
gelangen von A aus auch Lichtſtrahlen in die tieferen Schichten, und
da ſie dort, vorzuͤglich in der Gegend D, in der erhitzten, verduͤnn-
ten Luft vom Perpendikel abwaͤrts gebrochen werden, ſo nehmen ſie
ihren Weg wieder aufwaͤrts, und es iſt moͤglich, daß ein zweiter
von A kommender Lichtſtrahl ADB nach B gelangt, ſo daß ein
Auge in B den Gegenſtand A doppelt ſieht, ſo wohl in der natuͤr-
lichen Richtung BA, als in der viel niedrigeren Richtung BD.
Beide Lichtſtrahlen ſind offenbar gleich gut geeignet den Punct A
ſichtbar zu machen, und dieſer zeigt ſich daher verdoppelt. Eben
das findet fuͤr die nahe an A liegenden Puncte ſtatt; aber dabei be-
merkt man das Auffallende, daß im unteren Bilde, oder in der
durch den Strahl DB hervorgebrachten Erſcheinung, die hoͤheren
Puncte a des Gegenſtandes tiefer hinab erſcheinen. Es iſt naͤmlich
nicht ſchwer zu beweiſen, daß ein von a kommender Lichtſtrahl tiefer
in die verduͤnnten Schichten bei DE eindringen muß, um zur ho-
rizontalen und zur aufwaͤrts gehenden Richtung zu gelangen, daß
aber auf einem ſolchen Wege auch von a ein zweiter Lichtſtrahl nach
B gelangen kann und der Gegenſtand Aa nun zum zweiten Male,
ſo als ob er in der durch Ff beſtimmten Richtung umgekehrt ſtaͤnde,
erſcheint.

Durch eben die Betrachtungen, die wir fruͤher einmal an-
wandten, um zu zeigen, daß von der unter dem Prisma liegenden
Schrift dem Auge nichts ſichtbar wird, wenn das Auge ſo ſteht,
daß es die volle Reflexion der Lichtſtrahlen von der unteren Seiten-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0178" n="164"/>
geneigte, aufwa&#x0364;rts gehende Richtung an. Wenn                         man genau die<lb/>
Ho&#x0364;henwinkel, unter welchen ein entfernter                         Gegen&#x017F;tand er&#x017F;cheint,<lb/>
abmißt, &#x017F;o findet                         man in der That, daß die Refraction zuweilen<lb/>
eine herabwa&#x0364;rts                         gehende i&#x017F;t, und daß die&#x017F;es zu den                         Tageszeiten<lb/>
&#x017F;tatt findet, wo die Erde am mei&#x017F;ten                         erhitzt i&#x017F;t. Hiemit verbindet<lb/>
&#x017F;ich nun in                         vo&#x0364;llig ebenen, durch gar keine Hu&#x0364;gel                         unterbrochenen<lb/>
Gegenden eine Verdoppelung der                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde. Wenn na&#x0364;mlich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi><lb/>
ein Gegen&#x017F;tand i&#x017F;t, der &#x017F;ich                         &#x017F;chon hoch genug u&#x0364;ber der Erde befin-<lb/>
det, um den                         Schichten großer Erhitzung nicht mehr                         anzugeho&#x0364;ren,<lb/>
&#x017F;o kann der Licht&#x017F;trahl <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB,</hi></hi> in ziemlicher Ho&#x0364;he u&#x0364;ber der Erde                         fort-<lb/>
gehend, mit geringer Brechung nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> gelangen; die grade Linie<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 82.</hi></hi>) kann die&#x017F;en Licht&#x017F;trahl vor&#x017F;tellen.                         Aber offenbar<lb/>
gelangen von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> aus auch Licht&#x017F;trahlen in die tieferen Schichten,                         und<lb/>
da &#x017F;ie dort, vorzu&#x0364;glich in der Gegend <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D,</hi></hi> in der erhitzten, verdu&#x0364;nn-<lb/>
ten Luft vom Perpendikel                         abwa&#x0364;rts gebrochen werden, &#x017F;o nehmen                         &#x017F;ie<lb/>
ihren Weg wieder aufwa&#x0364;rts, und es                         i&#x017F;t mo&#x0364;glich, daß ein zweiter<lb/>
von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> kommender Licht&#x017F;trahl <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">ADB</hi></hi> nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> gelangt, &#x017F;o daß ein<lb/>
Auge in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> den Gegen&#x017F;tand <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> doppelt &#x017F;ieht, &#x017F;o wohl in der                         natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Richtung <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BA,</hi></hi> als in der viel niedrigeren Richtung <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BD.</hi></hi><lb/>
Beide Licht&#x017F;trahlen &#x017F;ind offenbar gleich gut                         geeignet den Punct <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi><lb/>
&#x017F;ichtbar zu machen, und die&#x017F;er zeigt                         &#x017F;ich daher verdoppelt. Eben<lb/>
das findet fu&#x0364;r die                         nahe an <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> liegenden Puncte &#x017F;tatt; aber dabei be-<lb/>
merkt man das                         Auffallende, daß im unteren Bilde, oder in der<lb/>
durch den Strahl <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">DB</hi></hi> hervorgebrachten Er&#x017F;cheinung, die                         ho&#x0364;heren<lb/>
Puncte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">a</hi></hi> des Gegen&#x017F;tandes tiefer hinab er&#x017F;cheinen. Es                         i&#x017F;t na&#x0364;mlich<lb/>
nicht &#x017F;chwer zu                         bewei&#x017F;en, daß ein von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">a</hi></hi> kommender Licht&#x017F;trahl tiefer<lb/>
in die                         verdu&#x0364;nnten Schichten bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">DE</hi></hi> eindringen muß, um zur ho-<lb/>
rizontalen und zur aufwa&#x0364;rts                         gehenden Richtung zu gelangen, daß<lb/>
aber auf einem &#x017F;olchen                         Wege auch von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">a</hi></hi> ein zweiter Licht&#x017F;trahl nach<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> gelangen kann und der Gegen&#x017F;tand <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Aa</hi></hi> nun zum zweiten Male,<lb/>
&#x017F;o als ob er in der durch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Ff</hi></hi> be&#x017F;timmten Richtung umgekehrt                         &#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
er&#x017F;cheint.</p><lb/>
          <p>Durch eben die Betrachtungen, die wir fru&#x0364;her einmal                         an-<lb/>
wandten, um zu zeigen, daß von der unter dem Prisma                         liegenden<lb/>
Schrift dem Auge nichts &#x017F;ichtbar wird, wenn das                         Auge &#x017F;o &#x017F;teht,<lb/>
daß es die volle Reflexion der                         Licht&#x017F;trahlen von der unteren Seiten-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0178] geneigte, aufwaͤrts gehende Richtung an. Wenn man genau die Hoͤhenwinkel, unter welchen ein entfernter Gegenſtand erſcheint, abmißt, ſo findet man in der That, daß die Refraction zuweilen eine herabwaͤrts gehende iſt, und daß dieſes zu den Tageszeiten ſtatt findet, wo die Erde am meiſten erhitzt iſt. Hiemit verbindet ſich nun in voͤllig ebenen, durch gar keine Huͤgel unterbrochenen Gegenden eine Verdoppelung der Gegenſtaͤnde. Wenn naͤmlich A ein Gegenſtand iſt, der ſich ſchon hoch genug uͤber der Erde befin- det, um den Schichten großer Erhitzung nicht mehr anzugehoͤren, ſo kann der Lichtſtrahl AB, in ziemlicher Hoͤhe uͤber der Erde fort- gehend, mit geringer Brechung nach B gelangen; die grade Linie AB (Fig. 82.) kann dieſen Lichtſtrahl vorſtellen. Aber offenbar gelangen von A aus auch Lichtſtrahlen in die tieferen Schichten, und da ſie dort, vorzuͤglich in der Gegend D, in der erhitzten, verduͤnn- ten Luft vom Perpendikel abwaͤrts gebrochen werden, ſo nehmen ſie ihren Weg wieder aufwaͤrts, und es iſt moͤglich, daß ein zweiter von A kommender Lichtſtrahl ADB nach B gelangt, ſo daß ein Auge in B den Gegenſtand A doppelt ſieht, ſo wohl in der natuͤr- lichen Richtung BA, als in der viel niedrigeren Richtung BD. Beide Lichtſtrahlen ſind offenbar gleich gut geeignet den Punct A ſichtbar zu machen, und dieſer zeigt ſich daher verdoppelt. Eben das findet fuͤr die nahe an A liegenden Puncte ſtatt; aber dabei be- merkt man das Auffallende, daß im unteren Bilde, oder in der durch den Strahl DB hervorgebrachten Erſcheinung, die hoͤheren Puncte a des Gegenſtandes tiefer hinab erſcheinen. Es iſt naͤmlich nicht ſchwer zu beweiſen, daß ein von a kommender Lichtſtrahl tiefer in die verduͤnnten Schichten bei DE eindringen muß, um zur ho- rizontalen und zur aufwaͤrts gehenden Richtung zu gelangen, daß aber auf einem ſolchen Wege auch von a ein zweiter Lichtſtrahl nach B gelangen kann und der Gegenſtand Aa nun zum zweiten Male, ſo als ob er in der durch Ff beſtimmten Richtung umgekehrt ſtaͤnde, erſcheint. Durch eben die Betrachtungen, die wir fruͤher einmal an- wandten, um zu zeigen, daß von der unter dem Prisma liegenden Schrift dem Auge nichts ſichtbar wird, wenn das Auge ſo ſteht, daß es die volle Reflexion der Lichtſtrahlen von der unteren Seiten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/178
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/178>, abgerufen am 24.11.2024.