ersten Secunde gar keine, dagegen nach unsrer Voraussetzung am Ende der ersten Secunde 30 Fuß Geschwindigkeit hat, so ist 15 Fuß seine mittlere Geschwindigkeit und er muß 15 Fuß in der ersten Se- cunde durchlaufen; in der zweiten Secunde ist seine mittlere Ge- schwindigkeit die mittlere zwischen 30 und 60, also 45 Fuß der Weg in der zweiten Secunde, 60 Fuß der Weg in den zwei ersten Se- cunden; in der dritten Secunde ist der Weg 75 Fuß, nämlich das Mittlere zwischen 60 und 90, und so ferner. Bei jeder gleichför- migen Beschleunigung ist daher der Weg in der zweiten Secunde 3mal so groß als in der ersten, in der dritten Secunde 5mal so groß, in der vierten Secunde 7mal so groß als in der ersten, und da 1+3 = 4, 1+3+5 = 9, 1+3+5+7 = 16, die Reihe der Quadratzahlen 2 mal 2, 3 mal 3, 4 mal 4, giebt, so erhal- ten wir die Regel, daß die durchlaufenen Räume den Quadraten der Zeiten proportional sind, das heißt, diejenige gleichförmig be- schleunigende Kraft, welche den Körper in 1 Secunde durch 15 Fuß treibt, führt ihn in 2 Secunden durch 4.15 Fuß, in 3 Secunden durch 9.15 Fuß, in 4 Secunden durch 16.15 Fuß und so weiter. Und hier haben wir also das Mittel zu entscheiden, ob die Schwere eine gleichförmig beschleunigende Kraft ist, da wir die in bestimm- ten Zeiten durchlaufenen Fallräume zu beobachten und zu vergleichen im Stande sind. Die Erfahrung zeigt, daß die Schwere sich wirklich dem angegebenen Gesetze gemäß verhält.
Um den Schwierigkeiten auszuweichen, die mit Fallversuchen bei freier Einwirkung der Schwere verbunden sind, dient die von Atwood angegebne Fallmaschine *), an welcher man den Fall der Körper so langsam, als man will, hervorbringen kann. Diese Vorrichtung dient erstlich zu zeigen, wie die Geschwindigkeit der fallenden Körper bei verminderter beschleunigender Kraft abnimmt, zweitens kann man an ihr die Größe der Fallräume in ungleichen Zeiten und drittens die in jedem bestimmten Augenblicke erlangte Geschwindigkeit wahrnehmen. Was das erste betrifft, so ist es offenbar, daß zwei an der Rolle (Fig. 49.) AB einander gegen über hängende Gewichte P, Q, völlig im Gleichgewichte sein werden, wenn sie gleich sind, und daß dagegen, wenn ein Uebergewicht an
*) Vergl. Gehlers Wörterbuch. Art. Fallmaschine.
erſten Secunde gar keine, dagegen nach unſrer Vorausſetzung am Ende der erſten Secunde 30 Fuß Geſchwindigkeit hat, ſo iſt 15 Fuß ſeine mittlere Geſchwindigkeit und er muß 15 Fuß in der erſten Se- cunde durchlaufen; in der zweiten Secunde iſt ſeine mittlere Ge- ſchwindigkeit die mittlere zwiſchen 30 und 60, alſo 45 Fuß der Weg in der zweiten Secunde, 60 Fuß der Weg in den zwei erſten Se- cunden; in der dritten Secunde iſt der Weg 75 Fuß, naͤmlich das Mittlere zwiſchen 60 und 90, und ſo ferner. Bei jeder gleichfoͤr- migen Beſchleunigung iſt daher der Weg in der zweiten Secunde 3mal ſo groß als in der erſten, in der dritten Secunde 5mal ſo groß, in der vierten Secunde 7mal ſo groß als in der erſten, und da 1+3 = 4, 1+3+5 = 9, 1+3+5+7 = 16, die Reihe der Quadratzahlen 2 mal 2, 3 mal 3, 4 mal 4, giebt, ſo erhal- ten wir die Regel, daß die durchlaufenen Raͤume den Quadraten der Zeiten proportional ſind, das heißt, diejenige gleichfoͤrmig be- ſchleunigende Kraft, welche den Koͤrper in 1 Secunde durch 15 Fuß treibt, fuͤhrt ihn in 2 Secunden durch 4.15 Fuß, in 3 Secunden durch 9.15 Fuß, in 4 Secunden durch 16.15 Fuß und ſo weiter. Und hier haben wir alſo das Mittel zu entſcheiden, ob die Schwere eine gleichfoͤrmig beſchleunigende Kraft iſt, da wir die in beſtimm- ten Zeiten durchlaufenen Fallraͤume zu beobachten und zu vergleichen im Stande ſind. Die Erfahrung zeigt, daß die Schwere ſich wirklich dem angegebenen Geſetze gemaͤß verhaͤlt.
Um den Schwierigkeiten auszuweichen, die mit Fallverſuchen bei freier Einwirkung der Schwere verbunden ſind, dient die von Atwood angegebne Fallmaſchine *), an welcher man den Fall der Koͤrper ſo langſam, als man will, hervorbringen kann. Dieſe Vorrichtung dient erſtlich zu zeigen, wie die Geſchwindigkeit der fallenden Koͤrper bei verminderter beſchleunigender Kraft abnimmt, zweitens kann man an ihr die Groͤße der Fallraͤume in ungleichen Zeiten und drittens die in jedem beſtimmten Augenblicke erlangte Geſchwindigkeit wahrnehmen. Was das erſte betrifft, ſo iſt es offenbar, daß zwei an der Rolle (Fig. 49.) AB einander gegen uͤber haͤngende Gewichte P, Q, voͤllig im Gleichgewichte ſein werden, wenn ſie gleich ſind, und daß dagegen, wenn ein Uebergewicht an
*) Vergl. Gehlers Woͤrterbuch. Art. Fallmaſchine.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0094"n="72"/>
erſten Secunde gar keine, dagegen nach unſrer Vorausſetzung am<lb/>
Ende der erſten Secunde 30 Fuß Geſchwindigkeit hat, ſo iſt 15 Fuß<lb/>ſeine mittlere Geſchwindigkeit und er muß 15 Fuß in der erſten Se-<lb/>
cunde durchlaufen; in der zweiten Secunde iſt ſeine mittlere Ge-<lb/>ſchwindigkeit die mittlere zwiſchen 30 und 60, alſo 45 Fuß der Weg<lb/>
in der zweiten Secunde, 60 Fuß der Weg in den zwei erſten Se-<lb/>
cunden; in der dritten Secunde iſt der Weg 75 Fuß, naͤmlich das<lb/>
Mittlere zwiſchen 60 und 90, und ſo ferner. Bei jeder gleichfoͤr-<lb/>
migen Beſchleunigung iſt daher der Weg in der zweiten Secunde<lb/>
3mal ſo groß als in der erſten, in der dritten Secunde 5mal ſo<lb/>
groß, in der vierten Secunde 7mal ſo groß als in der erſten, und<lb/>
da 1+3 = 4, 1+3+5 = 9, 1+3+5+7 = 16, die Reihe<lb/>
der Quadratzahlen 2 mal 2, 3 mal 3, 4 mal 4, giebt, ſo erhal-<lb/>
ten wir die Regel, daß die durchlaufenen Raͤume den Quadraten<lb/>
der Zeiten proportional ſind, das heißt, diejenige gleichfoͤrmig be-<lb/>ſchleunigende Kraft, welche den Koͤrper in 1 Secunde durch 15 Fuß<lb/>
treibt, fuͤhrt ihn in 2 Secunden durch 4.15 Fuß, in 3 Secunden<lb/>
durch 9.15 Fuß, in 4 Secunden durch 16.15 Fuß und ſo weiter.<lb/>
Und hier haben wir alſo das Mittel zu entſcheiden, ob die Schwere<lb/>
eine gleichfoͤrmig beſchleunigende Kraft iſt, da wir die in beſtimm-<lb/>
ten Zeiten durchlaufenen Fallraͤume zu beobachten und zu vergleichen<lb/>
im Stande ſind. Die Erfahrung zeigt, daß die Schwere ſich<lb/>
wirklich dem angegebenen Geſetze gemaͤß verhaͤlt.</p><lb/><p>Um den Schwierigkeiten auszuweichen, die mit Fallverſuchen<lb/>
bei freier Einwirkung der Schwere verbunden ſind, dient die von<lb/><hirendition="#g">Atwood</hi> angegebne Fallmaſchine <noteplace="foot"n="*)">Vergl. <hirendition="#g">Gehlers</hi> Woͤrterbuch. Art. Fallmaſchine.</note>, an welcher man den Fall<lb/>
der Koͤrper ſo langſam, als man will, hervorbringen kann. Dieſe<lb/>
Vorrichtung dient erſtlich zu zeigen, wie die Geſchwindigkeit der<lb/>
fallenden Koͤrper bei verminderter beſchleunigender Kraft abnimmt,<lb/>
zweitens kann man an ihr die Groͤße der Fallraͤume in ungleichen<lb/>
Zeiten und drittens die in jedem beſtimmten Augenblicke erlangte<lb/>
Geſchwindigkeit wahrnehmen. Was das erſte betrifft, ſo iſt es<lb/>
offenbar, daß zwei an der Rolle (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 49.</hi></hi>) <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB</hi></hi> einander gegen<lb/>
uͤber haͤngende Gewichte <hirendition="#aq"><hirendition="#b">P, Q,</hi></hi> voͤllig im Gleichgewichte ſein werden,<lb/>
wenn ſie gleich ſind, und daß dagegen, wenn ein Uebergewicht an<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0094]
erſten Secunde gar keine, dagegen nach unſrer Vorausſetzung am
Ende der erſten Secunde 30 Fuß Geſchwindigkeit hat, ſo iſt 15 Fuß
ſeine mittlere Geſchwindigkeit und er muß 15 Fuß in der erſten Se-
cunde durchlaufen; in der zweiten Secunde iſt ſeine mittlere Ge-
ſchwindigkeit die mittlere zwiſchen 30 und 60, alſo 45 Fuß der Weg
in der zweiten Secunde, 60 Fuß der Weg in den zwei erſten Se-
cunden; in der dritten Secunde iſt der Weg 75 Fuß, naͤmlich das
Mittlere zwiſchen 60 und 90, und ſo ferner. Bei jeder gleichfoͤr-
migen Beſchleunigung iſt daher der Weg in der zweiten Secunde
3mal ſo groß als in der erſten, in der dritten Secunde 5mal ſo
groß, in der vierten Secunde 7mal ſo groß als in der erſten, und
da 1+3 = 4, 1+3+5 = 9, 1+3+5+7 = 16, die Reihe
der Quadratzahlen 2 mal 2, 3 mal 3, 4 mal 4, giebt, ſo erhal-
ten wir die Regel, daß die durchlaufenen Raͤume den Quadraten
der Zeiten proportional ſind, das heißt, diejenige gleichfoͤrmig be-
ſchleunigende Kraft, welche den Koͤrper in 1 Secunde durch 15 Fuß
treibt, fuͤhrt ihn in 2 Secunden durch 4.15 Fuß, in 3 Secunden
durch 9.15 Fuß, in 4 Secunden durch 16.15 Fuß und ſo weiter.
Und hier haben wir alſo das Mittel zu entſcheiden, ob die Schwere
eine gleichfoͤrmig beſchleunigende Kraft iſt, da wir die in beſtimm-
ten Zeiten durchlaufenen Fallraͤume zu beobachten und zu vergleichen
im Stande ſind. Die Erfahrung zeigt, daß die Schwere ſich
wirklich dem angegebenen Geſetze gemaͤß verhaͤlt.
Um den Schwierigkeiten auszuweichen, die mit Fallverſuchen
bei freier Einwirkung der Schwere verbunden ſind, dient die von
Atwood angegebne Fallmaſchine *), an welcher man den Fall
der Koͤrper ſo langſam, als man will, hervorbringen kann. Dieſe
Vorrichtung dient erſtlich zu zeigen, wie die Geſchwindigkeit der
fallenden Koͤrper bei verminderter beſchleunigender Kraft abnimmt,
zweitens kann man an ihr die Groͤße der Fallraͤume in ungleichen
Zeiten und drittens die in jedem beſtimmten Augenblicke erlangte
Geſchwindigkeit wahrnehmen. Was das erſte betrifft, ſo iſt es
offenbar, daß zwei an der Rolle (Fig. 49.) AB einander gegen
uͤber haͤngende Gewichte P, Q, voͤllig im Gleichgewichte ſein werden,
wenn ſie gleich ſind, und daß dagegen, wenn ein Uebergewicht an
*) Vergl. Gehlers Woͤrterbuch. Art. Fallmaſchine.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/94>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.