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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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so weit es andere Forderungen gestatten, beim Bau der Schiffe
Rücksicht genommen wird. Es ist nämlich einleuchtend, daß eine
ganz ebene, dem Wasser senkrecht entgegen geführte Fläche mehr
Widerstand leidet, als eine eben den Wasserquerschnitt aus der
Stelle treibende gewölbte oder kegelförmig zugeschärfte, das Wasser
durchschneidende Fläche, und hieran knüpft sich die Bestimmung
der Fläche, die den geringsten Widerstand darbietet.

Einen mannigfaltigern Schatz von Anwendungen gewährt
uns die Betrachtung des Widerstandes der Luft. Wir sind zwar
gewohnt, die Luft als so dünne anzusehen, daß sie wohl nicht sehr
als widerstehendes Mittel in Betracht kommen könne; aber wenn
wir einem auch nur mittelmäßigen Winde entgegengehen, so fühlen
wir schon diesen Widerstand, und wenn wir den Sturm die stärksten
Bäume umreißen sehen, obgleich dieser Sturm doch nur eine Ge-
schwindigkeit von etwa 100 Fuß in 1 Secunde hat, so überzeugen wir
uns wohl, daß eine mit 2000 Fuß Geschwindigkeit fortbewegte Ca-
nonenkugel einen sehr großen Widerstand muß zu überwinden haben.

Um den Stoß, welchen die Gewalt des Sturmes bei einer
Geschwindigkeit von 120 Fuß in der Secunde ausüben würde, zu
berechnen, ist es hier am besten, an die Elasticität der Luft nicht zu
denken, sondern, ganz wie beim Wasser, zu sagen, zu einer Ge-
schwindigkeit von 120 Fuß gehört eine Fallhöhe von 240 Fuß, also
hier ein 240 Fuß hohes Gefäß, um die zu einem so schnellen Aus-
flusse gehörende Druckhöhe zu erhalten. Nehmen wir also die ge-
stoßene Fläche 1 Quadratfuß groß an, so ist die Kraft des Stoßes
wenigstens dem Gewichte einer Luftsäule von 240 Cubicfuß, das ist
21 Pfunden gleich, (weil ungefehr 11 Cubicfuß Luft 1 Pfund wie-
gen). Böte man also dem Winde eine Kreisfläche von 20 Fuß
Durchmesser oder 300 Quadratfuß Inhalt dar, so litte diese einen
Druck von 6000 Pfunden. Hiernach läßt sich die auf einen dicht
belaubten Baum von großer Krone ausgeübte Gewalt berechnen,
obgleich die Wirkung nicht ganz so groß, wie bei einer festen Ebne
ist, und da nach Eytelwein's Versuchen ein Stück Eichenholz
von 2 Zoll Seite im Querschnitte und 66 Zoll vom Unterstützungs-
puncte belastet, von 700 Pfund zerbrochen wurde, so müßte ein
Eichbaum von 1 Fuß Durchmesser in einer Höhe von 20 Fuß mit
etwas mehr als 30000 Pfund Kraft seitwärts gezogen werden, um

ſo weit es andere Forderungen geſtatten, beim Bau der Schiffe
Ruͤckſicht genommen wird. Es iſt naͤmlich einleuchtend, daß eine
ganz ebene, dem Waſſer ſenkrecht entgegen gefuͤhrte Flaͤche mehr
Widerſtand leidet, als eine eben den Waſſerquerſchnitt aus der
Stelle treibende gewoͤlbte oder kegelfoͤrmig zugeſchaͤrfte, das Waſſer
durchſchneidende Flaͤche, und hieran knuͤpft ſich die Beſtimmung
der Flaͤche, die den geringſten Widerſtand darbietet.

Einen mannigfaltigern Schatz von Anwendungen gewaͤhrt
uns die Betrachtung des Widerſtandes der Luft. Wir ſind zwar
gewohnt, die Luft als ſo duͤnne anzuſehen, daß ſie wohl nicht ſehr
als widerſtehendes Mittel in Betracht kommen koͤnne; aber wenn
wir einem auch nur mittelmaͤßigen Winde entgegengehen, ſo fuͤhlen
wir ſchon dieſen Widerſtand, und wenn wir den Sturm die ſtaͤrkſten
Baͤume umreißen ſehen, obgleich dieſer Sturm doch nur eine Ge-
ſchwindigkeit von etwa 100 Fuß in 1 Secunde hat, ſo uͤberzeugen wir
uns wohl, daß eine mit 2000 Fuß Geſchwindigkeit fortbewegte Ca-
nonenkugel einen ſehr großen Widerſtand muß zu uͤberwinden haben.

Um den Stoß, welchen die Gewalt des Sturmes bei einer
Geſchwindigkeit von 120 Fuß in der Secunde ausuͤben wuͤrde, zu
berechnen, iſt es hier am beſten, an die Elaſticitaͤt der Luft nicht zu
denken, ſondern, ganz wie beim Waſſer, zu ſagen, zu einer Ge-
ſchwindigkeit von 120 Fuß gehoͤrt eine Fallhoͤhe von 240 Fuß, alſo
hier ein 240 Fuß hohes Gefaͤß, um die zu einem ſo ſchnellen Aus-
fluſſe gehoͤrende Druckhoͤhe zu erhalten. Nehmen wir alſo die ge-
ſtoßene Flaͤche 1 Quadratfuß groß an, ſo iſt die Kraft des Stoßes
wenigſtens dem Gewichte einer Luftſaͤule von 240 Cubicfuß, das iſt
21 Pfunden gleich, (weil ungefehr 11 Cubicfuß Luft 1 Pfund wie-
gen). Boͤte man alſo dem Winde eine Kreisflaͤche von 20 Fuß
Durchmeſſer oder 300 Quadratfuß Inhalt dar, ſo litte dieſe einen
Druck von 6000 Pfunden. Hiernach laͤßt ſich die auf einen dicht
belaubten Baum von großer Krone ausgeuͤbte Gewalt berechnen,
obgleich die Wirkung nicht ganz ſo groß, wie bei einer feſten Ebne
iſt, und da nach Eytelwein's Verſuchen ein Stuͤck Eichenholz
von 2 Zoll Seite im Querſchnitte und 66 Zoll vom Unterſtuͤtzungs-
puncte belaſtet, von 700 Pfund zerbrochen wurde, ſo muͤßte ein
Eichbaum von 1 Fuß Durchmeſſer in einer Hoͤhe von 20 Fuß mit
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[194/0216] ſo weit es andere Forderungen geſtatten, beim Bau der Schiffe Ruͤckſicht genommen wird. Es iſt naͤmlich einleuchtend, daß eine ganz ebene, dem Waſſer ſenkrecht entgegen gefuͤhrte Flaͤche mehr Widerſtand leidet, als eine eben den Waſſerquerſchnitt aus der Stelle treibende gewoͤlbte oder kegelfoͤrmig zugeſchaͤrfte, das Waſſer durchſchneidende Flaͤche, und hieran knuͤpft ſich die Beſtimmung der Flaͤche, die den geringſten Widerſtand darbietet. Einen mannigfaltigern Schatz von Anwendungen gewaͤhrt uns die Betrachtung des Widerſtandes der Luft. Wir ſind zwar gewohnt, die Luft als ſo duͤnne anzuſehen, daß ſie wohl nicht ſehr als widerſtehendes Mittel in Betracht kommen koͤnne; aber wenn wir einem auch nur mittelmaͤßigen Winde entgegengehen, ſo fuͤhlen wir ſchon dieſen Widerſtand, und wenn wir den Sturm die ſtaͤrkſten Baͤume umreißen ſehen, obgleich dieſer Sturm doch nur eine Ge- ſchwindigkeit von etwa 100 Fuß in 1 Secunde hat, ſo uͤberzeugen wir uns wohl, daß eine mit 2000 Fuß Geſchwindigkeit fortbewegte Ca- nonenkugel einen ſehr großen Widerſtand muß zu uͤberwinden haben. Um den Stoß, welchen die Gewalt des Sturmes bei einer Geſchwindigkeit von 120 Fuß in der Secunde ausuͤben wuͤrde, zu berechnen, iſt es hier am beſten, an die Elaſticitaͤt der Luft nicht zu denken, ſondern, ganz wie beim Waſſer, zu ſagen, zu einer Ge- ſchwindigkeit von 120 Fuß gehoͤrt eine Fallhoͤhe von 240 Fuß, alſo hier ein 240 Fuß hohes Gefaͤß, um die zu einem ſo ſchnellen Aus- fluſſe gehoͤrende Druckhoͤhe zu erhalten. Nehmen wir alſo die ge- ſtoßene Flaͤche 1 Quadratfuß groß an, ſo iſt die Kraft des Stoßes wenigſtens dem Gewichte einer Luftſaͤule von 240 Cubicfuß, das iſt 21 Pfunden gleich, (weil ungefehr 11 Cubicfuß Luft 1 Pfund wie- gen). Boͤte man alſo dem Winde eine Kreisflaͤche von 20 Fuß Durchmeſſer oder 300 Quadratfuß Inhalt dar, ſo litte dieſe einen Druck von 6000 Pfunden. Hiernach laͤßt ſich die auf einen dicht belaubten Baum von großer Krone ausgeuͤbte Gewalt berechnen, obgleich die Wirkung nicht ganz ſo groß, wie bei einer feſten Ebne iſt, und da nach Eytelwein's Verſuchen ein Stuͤck Eichenholz von 2 Zoll Seite im Querſchnitte und 66 Zoll vom Unterſtuͤtzungs- puncte belaſtet, von 700 Pfund zerbrochen wurde, ſo muͤßte ein Eichbaum von 1 Fuß Durchmeſſer in einer Hoͤhe von 20 Fuß mit etwas mehr als 30000 Pfund Kraft ſeitwaͤrts gezogen werden, um

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/216>, abgerufen am 18.12.2024.