Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

man den Körper EF auf einer hohen und wenig schweren Unter-
lage hinauf gerückt hätte, der Schwerpunct L jenseits K liegen, dann
würde der Körper sich in der neuen Lage nicht erhalten, sondern
völlig umstürzen. Die Sicherheit des Gleichgewichts findet also
bei nicht zu großen Schwankungen dann statt, wenn der Schwer-
punct des ganzen Körpers weniger als der Schwerpunct des einge-
tauchten Theiles nach der Seite hin rückt, wo die tiefere Eintau-
chung erfolgt.

Diese Betrachtung zeigt genauer, als eine bloß oberflächliche
Ueberlegung, warum man einen gewissen Theil der Belastung der
Schiffe tief gegen den untersten Theil des Bodens hin bringen
muß, und warum dies um so mehr nöthig wird, je größer die
durch Masten und Tauwerk hoch hinauf gerückte Masse wird.
Indeß würden wir bei den Schiffen sehr irren, wenn wir uns be-
gnügen wollten, ihnen ein für ruhiges Wetter sicheres Gleichgewicht
zu geben; der selbst auf Masten und Tauwerk, noch mehr aber
auf die Segel heftig stoßende Wind, der bei der Höhe der Masten
ein großes statisches Moment hat, drängt das sich seitwärts nei-
gende Schiff noch tiefer, und kömmt als eine horizontal wirkende,
das Umwerfen des Schiffes befördernde Kraft in Betrachtung.
Damit diese Kraft bei Stürmen minder groß sei, verkleinern die
Schiffer beim Sturme ihre Segel durch das eintreffen oder Ein-
binden, und ziehen sie nur am untern Theile des Mastes hinauf;
dagegen kann ein unvermutheter Windstoß theils deswegen, weil
er die Segel am Maste zu hoch hinauf gezogen trifft, theils weil
man in der Richtung des Schiffes nicht die nöthige Rücksicht auf
ihn genommen hat, zu hindern, daß er es nicht zu sehr von der
Seite treffe, doppelt gefährlich werden. Dagegen aber zeigt auch
die Betrachtung der vorhin als Beispiel gebrauchten Korkplatte, daß
eine bedeutend schiefe Stellung des Schiffes ohne Gefahr statt fin-
den kann, indem die Seite C sich schon sehr tief ins Wasser ein-
tauchen kann, ohne daß noch die mindeste Gefahr des Umschlagens
vorhanden sei.

Die Frage, in welchen verschiedenen Lagen ein Körper auf
dem Wasser ruhen kann, wie groß die Oscillationen, in welche man
ihn setzt, sein dürfen, um ihn noch immer zu seiner vorigen Lage
zurückkehren zu lassen, u. s. w. gehören zu den ziemlich schwierigen

man den Koͤrper EF auf einer hohen und wenig ſchweren Unter-
lage hinauf geruͤckt haͤtte, der Schwerpunct L jenſeits K liegen, dann
wuͤrde der Koͤrper ſich in der neuen Lage nicht erhalten, ſondern
voͤllig umſtuͤrzen. Die Sicherheit des Gleichgewichts findet alſo
bei nicht zu großen Schwankungen dann ſtatt, wenn der Schwer-
punct des ganzen Koͤrpers weniger als der Schwerpunct des einge-
tauchten Theiles nach der Seite hin ruͤckt, wo die tiefere Eintau-
chung erfolgt.

Dieſe Betrachtung zeigt genauer, als eine bloß oberflaͤchliche
Ueberlegung, warum man einen gewiſſen Theil der Belaſtung der
Schiffe tief gegen den unterſten Theil des Bodens hin bringen
muß, und warum dies um ſo mehr noͤthig wird, je groͤßer die
durch Maſten und Tauwerk hoch hinauf geruͤckte Maſſe wird.
Indeß wuͤrden wir bei den Schiffen ſehr irren, wenn wir uns be-
gnuͤgen wollten, ihnen ein fuͤr ruhiges Wetter ſicheres Gleichgewicht
zu geben; der ſelbſt auf Maſten und Tauwerk, noch mehr aber
auf die Segel heftig ſtoßende Wind, der bei der Hoͤhe der Maſten
ein großes ſtatiſches Moment hat, draͤngt das ſich ſeitwaͤrts nei-
gende Schiff noch tiefer, und koͤmmt als eine horizontal wirkende,
das Umwerfen des Schiffes befoͤrdernde Kraft in Betrachtung.
Damit dieſe Kraft bei Stuͤrmen minder groß ſei, verkleinern die
Schiffer beim Sturme ihre Segel durch das eintreffen oder Ein-
binden, und ziehen ſie nur am untern Theile des Maſtes hinauf;
dagegen kann ein unvermutheter Windſtoß theils deswegen, weil
er die Segel am Maſte zu hoch hinauf gezogen trifft, theils weil
man in der Richtung des Schiffes nicht die noͤthige Ruͤckſicht auf
ihn genommen hat, zu hindern, daß er es nicht zu ſehr von der
Seite treffe, doppelt gefaͤhrlich werden. Dagegen aber zeigt auch
die Betrachtung der vorhin als Beiſpiel gebrauchten Korkplatte, daß
eine bedeutend ſchiefe Stellung des Schiffes ohne Gefahr ſtatt fin-
den kann, indem die Seite C ſich ſchon ſehr tief ins Waſſer ein-
tauchen kann, ohne daß noch die mindeſte Gefahr des Umſchlagens
vorhanden ſei.

Die Frage, in welchen verſchiedenen Lagen ein Koͤrper auf
dem Waſſer ruhen kann, wie groß die Oſcillationen, in welche man
ihn ſetzt, ſein duͤrfen, um ihn noch immer zu ſeiner vorigen Lage
zuruͤckkehren zu laſſen, u. ſ. w. gehoͤren zu den ziemlich ſchwierigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="164"/>
man den Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">EF</hi></hi> auf einer hohen und wenig &#x017F;chweren Unter-<lb/>
lage hinauf geru&#x0364;ckt ha&#x0364;tte, der Schwerpunct <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">L</hi></hi> jen&#x017F;eits <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">K</hi></hi> liegen, dann<lb/>
wu&#x0364;rde der Ko&#x0364;rper &#x017F;ich in der neuen Lage nicht erhalten, &#x017F;ondern<lb/>
vo&#x0364;llig um&#x017F;tu&#x0364;rzen. Die Sicherheit des Gleichgewichts findet al&#x017F;o<lb/>
bei nicht zu großen Schwankungen dann &#x017F;tatt, wenn der Schwer-<lb/>
punct des ganzen Ko&#x0364;rpers weniger als der Schwerpunct des einge-<lb/>
tauchten Theiles nach der Seite hin ru&#x0364;ckt, wo die tiefere Eintau-<lb/>
chung erfolgt.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Betrachtung zeigt genauer, als eine bloß oberfla&#x0364;chliche<lb/>
Ueberlegung, warum man einen gewi&#x017F;&#x017F;en Theil der Bela&#x017F;tung der<lb/>
Schiffe tief gegen den unter&#x017F;ten Theil des Bodens hin bringen<lb/>
muß, und warum dies um &#x017F;o mehr no&#x0364;thig wird, je gro&#x0364;ßer die<lb/>
durch Ma&#x017F;ten und Tauwerk hoch hinauf geru&#x0364;ckte Ma&#x017F;&#x017F;e wird.<lb/>
Indeß wu&#x0364;rden wir bei den Schiffen &#x017F;ehr irren, wenn wir uns be-<lb/>
gnu&#x0364;gen wollten, ihnen ein fu&#x0364;r ruhiges Wetter &#x017F;icheres Gleichgewicht<lb/>
zu geben; der &#x017F;elb&#x017F;t auf Ma&#x017F;ten und Tauwerk, noch mehr aber<lb/>
auf die Segel heftig &#x017F;toßende Wind, der bei der Ho&#x0364;he der Ma&#x017F;ten<lb/>
ein großes &#x017F;tati&#x017F;ches Moment hat, dra&#x0364;ngt das &#x017F;ich &#x017F;eitwa&#x0364;rts nei-<lb/>
gende Schiff noch tiefer, und ko&#x0364;mmt als eine horizontal wirkende,<lb/>
das Umwerfen des Schiffes befo&#x0364;rdernde Kraft in Betrachtung.<lb/>
Damit die&#x017F;e Kraft bei Stu&#x0364;rmen minder groß &#x017F;ei, verkleinern die<lb/>
Schiffer beim Sturme ihre Segel durch das eintreffen oder Ein-<lb/>
binden, und ziehen &#x017F;ie nur am untern Theile des Ma&#x017F;tes hinauf;<lb/>
dagegen kann ein unvermutheter Wind&#x017F;toß theils deswegen, weil<lb/>
er die Segel am Ma&#x017F;te zu hoch hinauf gezogen trifft, theils weil<lb/>
man in der Richtung des Schiffes nicht die no&#x0364;thige Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf<lb/>
ihn genommen hat, zu hindern, daß er es nicht zu &#x017F;ehr von der<lb/>
Seite treffe, doppelt gefa&#x0364;hrlich werden. Dagegen aber zeigt auch<lb/>
die Betrachtung der vorhin als Bei&#x017F;piel gebrauchten Korkplatte, daß<lb/>
eine bedeutend &#x017F;chiefe Stellung des Schiffes ohne Gefahr &#x017F;tatt fin-<lb/>
den kann, indem die Seite <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;ehr tief ins Wa&#x017F;&#x017F;er ein-<lb/>
tauchen kann, ohne daß noch die minde&#x017F;te Gefahr des Um&#x017F;chlagens<lb/>
vorhanden &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>Die Frage, in welchen ver&#x017F;chiedenen Lagen ein Ko&#x0364;rper auf<lb/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er ruhen kann, wie groß die O&#x017F;cillationen, in welche man<lb/>
ihn &#x017F;etzt, &#x017F;ein du&#x0364;rfen, um ihn noch immer zu &#x017F;einer vorigen Lage<lb/>
zuru&#x0364;ckkehren zu la&#x017F;&#x017F;en, u. &#x017F;. w. geho&#x0364;ren zu den ziemlich &#x017F;chwierigen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0186] man den Koͤrper EF auf einer hohen und wenig ſchweren Unter- lage hinauf geruͤckt haͤtte, der Schwerpunct L jenſeits K liegen, dann wuͤrde der Koͤrper ſich in der neuen Lage nicht erhalten, ſondern voͤllig umſtuͤrzen. Die Sicherheit des Gleichgewichts findet alſo bei nicht zu großen Schwankungen dann ſtatt, wenn der Schwer- punct des ganzen Koͤrpers weniger als der Schwerpunct des einge- tauchten Theiles nach der Seite hin ruͤckt, wo die tiefere Eintau- chung erfolgt. Dieſe Betrachtung zeigt genauer, als eine bloß oberflaͤchliche Ueberlegung, warum man einen gewiſſen Theil der Belaſtung der Schiffe tief gegen den unterſten Theil des Bodens hin bringen muß, und warum dies um ſo mehr noͤthig wird, je groͤßer die durch Maſten und Tauwerk hoch hinauf geruͤckte Maſſe wird. Indeß wuͤrden wir bei den Schiffen ſehr irren, wenn wir uns be- gnuͤgen wollten, ihnen ein fuͤr ruhiges Wetter ſicheres Gleichgewicht zu geben; der ſelbſt auf Maſten und Tauwerk, noch mehr aber auf die Segel heftig ſtoßende Wind, der bei der Hoͤhe der Maſten ein großes ſtatiſches Moment hat, draͤngt das ſich ſeitwaͤrts nei- gende Schiff noch tiefer, und koͤmmt als eine horizontal wirkende, das Umwerfen des Schiffes befoͤrdernde Kraft in Betrachtung. Damit dieſe Kraft bei Stuͤrmen minder groß ſei, verkleinern die Schiffer beim Sturme ihre Segel durch das eintreffen oder Ein- binden, und ziehen ſie nur am untern Theile des Maſtes hinauf; dagegen kann ein unvermutheter Windſtoß theils deswegen, weil er die Segel am Maſte zu hoch hinauf gezogen trifft, theils weil man in der Richtung des Schiffes nicht die noͤthige Ruͤckſicht auf ihn genommen hat, zu hindern, daß er es nicht zu ſehr von der Seite treffe, doppelt gefaͤhrlich werden. Dagegen aber zeigt auch die Betrachtung der vorhin als Beiſpiel gebrauchten Korkplatte, daß eine bedeutend ſchiefe Stellung des Schiffes ohne Gefahr ſtatt fin- den kann, indem die Seite C ſich ſchon ſehr tief ins Waſſer ein- tauchen kann, ohne daß noch die mindeſte Gefahr des Umſchlagens vorhanden ſei. Die Frage, in welchen verſchiedenen Lagen ein Koͤrper auf dem Waſſer ruhen kann, wie groß die Oſcillationen, in welche man ihn ſetzt, ſein duͤrfen, um ihn noch immer zu ſeiner vorigen Lage zuruͤckkehren zu laſſen, u. ſ. w. gehoͤren zu den ziemlich ſchwierigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/186
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/186>, abgerufen am 21.11.2024.