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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Die Schwungkraft zeigt sich uns noch bei manchen andern
theils mehr spielenden, theils ernsthaften Anwendungen. Man
kann ein in einen Reifen gestelltes Glas mit Wasser bei geschicktem
Schwingen so herum schwingen, daß die Mündung des Glases zu
unterst gekehrt ist, ohne daß das Wasser ausläuft; denn wenn in
demselben Augenblicke, wo die Schwere das Wasser aus der unten
stehenden Mündung treiben sollte, die Schwungkraft vertical auf-
wärts gerichtet, und größer als die Schwerkraft ist, so drängt sie
das Wasser gegen den oben stehenden Boden des Gefäßes. Das
Brummen der Brummkräusel, womit die Kinder zu spielen pflegen,
ist eine Folge der Schwungkraft. Die in der hohlen Kugel enthal-
tene Luft drängt sich nämlich, bei der schnellen Rotation, durch
die Schwungkraft getrieben, aus der Seiten-Oeffnung heraus,
und wenn die Luft größtentheils ausgetrieben ist, hört das brum-
mende Getöse auf, bis gegen das Ende der Bewegung bei abneh-
mender Schnelligkeit die wieder eindringende Luft ein ähnliches Ge-
räusch macht. -- Doch dies sind Spielereien!

Aber wichtig sind dagegen die Anwendungen, welche die Ma-
schinenlehre von der Schwungkraft macht, und die Rücksichten, die
ihretwegen bei der Berechnung der Maschinen vorkommen. Es scheint
zuweilen dem Unkundigen räthselhaft, warum man die Maschine,
außer den sonst nothwendigen Rädern oft noch mit einem Schwung-
rade beschwert; aber der Nutzen hievon ist, vorzüglich in gewissen
Fällen, leicht einleuchtend zu machen. Manche zum Betriebe von
Maschinen brauchbare Kräfte lassen sich nicht so anordnen, daß sie
mit immer gleicher Gewalt wirken, und bei andern Maschinen ist die
entgegen wirkende Last nicht immer gleich wirksam; in diesen Fällen
würde eine ungleichförmige Bewegung entstehen, und die im einen
Augenblicke etwas nachlassende Kraft müßte im nächsten Augenblicke
erst die in jener Zwischenzeit verminderte Geschwindigkeit wieder
herstellen. Ist aber ein Rad, das eine große Masse besitzt und
dessen Masse ziemlich weit von der Axe liegt, mit in Drehungsbe-
wegung gesetzt, so behält ja dieses Schwungrad seine Drehungs-
bewegung lange fast ungeändert, selbst wenn auch die wirkende
Kraft diese Drehung zu befördern aufhörte, um so mehr also wird
es in den kurzen Zeiträumen einer verminderten Wirksamkeit der
Kraft, seine Bewegung gleichförmig behalten, und die mit ihm

Die Schwungkraft zeigt ſich uns noch bei manchen andern
theils mehr ſpielenden, theils ernſthaften Anwendungen. Man
kann ein in einen Reifen geſtelltes Glas mit Waſſer bei geſchicktem
Schwingen ſo herum ſchwingen, daß die Muͤndung des Glaſes zu
unterſt gekehrt iſt, ohne daß das Waſſer auslaͤuft; denn wenn in
demſelben Augenblicke, wo die Schwere das Waſſer aus der unten
ſtehenden Muͤndung treiben ſollte, die Schwungkraft vertical auf-
waͤrts gerichtet, und groͤßer als die Schwerkraft iſt, ſo draͤngt ſie
das Waſſer gegen den oben ſtehenden Boden des Gefaͤßes. Das
Brummen der Brummkraͤuſel, womit die Kinder zu ſpielen pflegen,
iſt eine Folge der Schwungkraft. Die in der hohlen Kugel enthal-
tene Luft draͤngt ſich naͤmlich, bei der ſchnellen Rotation, durch
die Schwungkraft getrieben, aus der Seiten-Oeffnung heraus,
und wenn die Luft groͤßtentheils ausgetrieben iſt, hoͤrt das brum-
mende Getoͤſe auf, bis gegen das Ende der Bewegung bei abneh-
mender Schnelligkeit die wieder eindringende Luft ein aͤhnliches Ge-
raͤuſch macht. — Doch dies ſind Spielereien!

Aber wichtig ſind dagegen die Anwendungen, welche die Ma-
ſchinenlehre von der Schwungkraft macht, und die Ruͤckſichten, die
ihretwegen bei der Berechnung der Maſchinen vorkommen. Es ſcheint
zuweilen dem Unkundigen raͤthſelhaft, warum man die Maſchine,
außer den ſonſt nothwendigen Raͤdern oft noch mit einem Schwung-
rade beſchwert; aber der Nutzen hievon iſt, vorzuͤglich in gewiſſen
Faͤllen, leicht einleuchtend zu machen. Manche zum Betriebe von
Maſchinen brauchbare Kraͤfte laſſen ſich nicht ſo anordnen, daß ſie
mit immer gleicher Gewalt wirken, und bei andern Maſchinen iſt die
entgegen wirkende Laſt nicht immer gleich wirkſam; in dieſen Faͤllen
wuͤrde eine ungleichfoͤrmige Bewegung entſtehen, und die im einen
Augenblicke etwas nachlaſſende Kraft muͤßte im naͤchſten Augenblicke
erſt die in jener Zwiſchenzeit verminderte Geſchwindigkeit wieder
herſtellen. Iſt aber ein Rad, das eine große Maſſe beſitzt und
deſſen Maſſe ziemlich weit von der Axe liegt, mit in Drehungsbe-
wegung geſetzt, ſo behaͤlt ja dieſes Schwungrad ſeine Drehungs-
bewegung lange faſt ungeaͤndert, ſelbſt wenn auch die wirkende
Kraft dieſe Drehung zu befoͤrdern aufhoͤrte, um ſo mehr alſo wird
es in den kurzen Zeitraͤumen einer verminderten Wirkſamkeit der
Kraft, ſeine Bewegung gleichfoͤrmig behalten, und die mit ihm

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[96/0118] Die Schwungkraft zeigt ſich uns noch bei manchen andern theils mehr ſpielenden, theils ernſthaften Anwendungen. Man kann ein in einen Reifen geſtelltes Glas mit Waſſer bei geſchicktem Schwingen ſo herum ſchwingen, daß die Muͤndung des Glaſes zu unterſt gekehrt iſt, ohne daß das Waſſer auslaͤuft; denn wenn in demſelben Augenblicke, wo die Schwere das Waſſer aus der unten ſtehenden Muͤndung treiben ſollte, die Schwungkraft vertical auf- waͤrts gerichtet, und groͤßer als die Schwerkraft iſt, ſo draͤngt ſie das Waſſer gegen den oben ſtehenden Boden des Gefaͤßes. Das Brummen der Brummkraͤuſel, womit die Kinder zu ſpielen pflegen, iſt eine Folge der Schwungkraft. Die in der hohlen Kugel enthal- tene Luft draͤngt ſich naͤmlich, bei der ſchnellen Rotation, durch die Schwungkraft getrieben, aus der Seiten-Oeffnung heraus, und wenn die Luft groͤßtentheils ausgetrieben iſt, hoͤrt das brum- mende Getoͤſe auf, bis gegen das Ende der Bewegung bei abneh- mender Schnelligkeit die wieder eindringende Luft ein aͤhnliches Ge- raͤuſch macht. — Doch dies ſind Spielereien! Aber wichtig ſind dagegen die Anwendungen, welche die Ma- ſchinenlehre von der Schwungkraft macht, und die Ruͤckſichten, die ihretwegen bei der Berechnung der Maſchinen vorkommen. Es ſcheint zuweilen dem Unkundigen raͤthſelhaft, warum man die Maſchine, außer den ſonſt nothwendigen Raͤdern oft noch mit einem Schwung- rade beſchwert; aber der Nutzen hievon iſt, vorzuͤglich in gewiſſen Faͤllen, leicht einleuchtend zu machen. Manche zum Betriebe von Maſchinen brauchbare Kraͤfte laſſen ſich nicht ſo anordnen, daß ſie mit immer gleicher Gewalt wirken, und bei andern Maſchinen iſt die entgegen wirkende Laſt nicht immer gleich wirkſam; in dieſen Faͤllen wuͤrde eine ungleichfoͤrmige Bewegung entſtehen, und die im einen Augenblicke etwas nachlaſſende Kraft muͤßte im naͤchſten Augenblicke erſt die in jener Zwiſchenzeit verminderte Geſchwindigkeit wieder herſtellen. Iſt aber ein Rad, das eine große Maſſe beſitzt und deſſen Maſſe ziemlich weit von der Axe liegt, mit in Drehungsbe- wegung geſetzt, ſo behaͤlt ja dieſes Schwungrad ſeine Drehungs- bewegung lange faſt ungeaͤndert, ſelbſt wenn auch die wirkende Kraft dieſe Drehung zu befoͤrdern aufhoͤrte, um ſo mehr alſo wird es in den kurzen Zeitraͤumen einer verminderten Wirkſamkeit der Kraft, ſeine Bewegung gleichfoͤrmig behalten, und die mit ihm

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/118>, abgerufen am 23.11.2024.