Schwere dadurch geändert wird, sehr geringe ist, so hat man ihn doch, namentlich bei den ausdrücklich zu diesem Zwecke an dem Berge Shehallien angestellten Beobachtungen, wahrnehmen können. Diese Wahrnehmung findet nämlich dadurch statt, daß wir am Himmel sehr genau bestimmen können, wie weit die nach dem Mittelpuncte der Erde gehenden Richtungen AC, GC, bei bekannter Entfernung der Beobachtungs-Orte A, G, von einan- der abweichen müssen, und nun an den in A und in G durch das Zenith gehenden Sternen sehen, ob die beiden Verticallinien diese Richtungen haben. Die bei dieser Beobachtung sich ergebende Abweichung bietet ein Mittel dar, die Dichtigkeit der ganzen Erde zu bestimmen, wenn man die Dichtigkeit des die Ablenkung bewir- kenden Berges kennt. Wäre die Mitte dieses Berges, wo man sich seine Masse vereinigt denken kann, ein Tausendtel so weit, als der Mittelpunct der Erde, von G entfernt, so würde eine Masse in E eine Million mal so stark als eine gleiche in C wirken, betrüge also der Berg ein Tausend-Milliontel der ganzen Erde, so zöge eine tausendfache Kraft nach C und eine einfache nach E, woraus die Richtung der Mittelkraft, als die Richtung des Lothes, hervorginge. Kennt man umgekehrt diese aus Beobachtungen und weiß zum Beispiel, daß die Erde 2000 Millionen mal so stark wirkt, obgleich ihr Volumen nur 1000 Millionen mal so groß als der Berg wäre, so würde man ihr eine doppelt so große Dichtigkeit, als dem Berge zuschreiben. Die Berechnungen jener Versuche am Shehallien geben die Dichtigkeit der Erde ungefehr 5 mal so groß als die Dich- tigkeit des Wassers, und die auf dem Mont Cenis angestellten Versuche, welche die Schnelligkeit der Pendelschwingungen zum Gegenstande hatten, haben Carlini die Dichtigkeit beinahe 41/2 mal so groß, als die des Wassers, angegeben *).
Man hat die Kraft der Schwere noch auf eine andre Weise mit der Anziehungskraft kleiner Körper zu vergleichen gesucht. Ca- vendish bediente sich hiezu der Drehwaage. Ein leichter Waage- balken, an beiden Enden mit Bleimassen beschwert, hängt an einem sehr feinen Faden, und kömmt in der Stellung zur Ruhe, wo der Faden ganz ungedreht ist. Nähert man nun mit aller Vor-
*)Gehlers Wörterb. Art. Erde. S. 944. 949.
Schwere dadurch geaͤndert wird, ſehr geringe iſt, ſo hat man ihn doch, namentlich bei den ausdruͤcklich zu dieſem Zwecke an dem Berge Shehallien angeſtellten Beobachtungen, wahrnehmen koͤnnen. Dieſe Wahrnehmung findet naͤmlich dadurch ſtatt, daß wir am Himmel ſehr genau beſtimmen koͤnnen, wie weit die nach dem Mittelpuncte der Erde gehenden Richtungen AC, GC, bei bekannter Entfernung der Beobachtungs-Orte A, G, von einan- der abweichen muͤſſen, und nun an den in A und in G durch das Zenith gehenden Sternen ſehen, ob die beiden Verticallinien dieſe Richtungen haben. Die bei dieſer Beobachtung ſich ergebende Abweichung bietet ein Mittel dar, die Dichtigkeit der ganzen Erde zu beſtimmen, wenn man die Dichtigkeit des die Ablenkung bewir- kenden Berges kennt. Waͤre die Mitte dieſes Berges, wo man ſich ſeine Maſſe vereinigt denken kann, ein Tauſendtel ſo weit, als der Mittelpunct der Erde, von G entfernt, ſo wuͤrde eine Maſſe in E eine Million mal ſo ſtark als eine gleiche in C wirken, betruͤge alſo der Berg ein Tauſend-Milliontel der ganzen Erde, ſo zoͤge eine tauſendfache Kraft nach C und eine einfache nach E, woraus die Richtung der Mittelkraft, als die Richtung des Lothes, hervorginge. Kennt man umgekehrt dieſe aus Beobachtungen und weiß zum Beiſpiel, daß die Erde 2000 Millionen mal ſo ſtark wirkt, obgleich ihr Volumen nur 1000 Millionen mal ſo groß als der Berg waͤre, ſo wuͤrde man ihr eine doppelt ſo große Dichtigkeit, als dem Berge zuſchreiben. Die Berechnungen jener Verſuche am Shehallien geben die Dichtigkeit der Erde ungefehr 5 mal ſo groß als die Dich- tigkeit des Waſſers, und die auf dem Mont Cenis angeſtellten Verſuche, welche die Schnelligkeit der Pendelſchwingungen zum Gegenſtande hatten, haben Carlini die Dichtigkeit beinahe 4½ mal ſo groß, als die des Waſſers, angegeben *).
Man hat die Kraft der Schwere noch auf eine andre Weiſe mit der Anziehungskraft kleiner Koͤrper zu vergleichen geſucht. Ca- vendiſh bediente ſich hiezu der Drehwaage. Ein leichter Waage- balken, an beiden Enden mit Bleimaſſen beſchwert, haͤngt an einem ſehr feinen Faden, und koͤmmt in der Stellung zur Ruhe, wo der Faden ganz ungedreht iſt. Naͤhert man nun mit aller Vor-
*)Gehlers Woͤrterb. Art. Erde. S. 944. 949.
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Schwere dadurch geaͤndert wird, ſehr geringe iſt, ſo hat man ihn
doch, namentlich bei den ausdruͤcklich zu dieſem Zwecke an dem
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koͤnnen. Dieſe Wahrnehmung findet naͤmlich dadurch ſtatt, daß
wir am Himmel ſehr genau beſtimmen koͤnnen, wie weit die nach
dem Mittelpuncte der Erde gehenden Richtungen AC, GC, bei
bekannter Entfernung der Beobachtungs-Orte A, G, von einan-
der abweichen muͤſſen, und nun an den in A und in G durch
das Zenith gehenden Sternen ſehen, ob die beiden Verticallinien
dieſe Richtungen haben. Die bei dieſer Beobachtung ſich ergebende
Abweichung bietet ein Mittel dar, die Dichtigkeit der ganzen Erde
zu beſtimmen, wenn man die Dichtigkeit des die Ablenkung bewir-
kenden Berges kennt. Waͤre die Mitte dieſes Berges, wo man ſich
ſeine Maſſe vereinigt denken kann, ein Tauſendtel ſo weit, als der
Mittelpunct der Erde, von G entfernt, ſo wuͤrde eine Maſſe in E
eine Million mal ſo ſtark als eine gleiche in C wirken, betruͤge alſo
der Berg ein Tauſend-Milliontel der ganzen Erde, ſo zoͤge eine
tauſendfache Kraft nach C und eine einfache nach E, woraus die
Richtung der Mittelkraft, als die Richtung des Lothes, hervorginge.
Kennt man umgekehrt dieſe aus Beobachtungen und weiß zum
Beiſpiel, daß die Erde 2000 Millionen mal ſo ſtark wirkt, obgleich
ihr Volumen nur 1000 Millionen mal ſo groß als der Berg waͤre,
ſo wuͤrde man ihr eine doppelt ſo große Dichtigkeit, als dem Berge
zuſchreiben. Die Berechnungen jener Verſuche am Shehallien
geben die Dichtigkeit der Erde ungefehr 5 mal ſo groß als die Dich-
tigkeit des Waſſers, und die auf dem Mont Cenis angeſtellten
Verſuche, welche die Schnelligkeit der Pendelſchwingungen zum
Gegenſtande hatten, haben Carlini die Dichtigkeit beinahe 4½
mal ſo groß, als die des Waſſers, angegeben *).
Man hat die Kraft der Schwere noch auf eine andre Weiſe
mit der Anziehungskraft kleiner Koͤrper zu vergleichen geſucht. Ca-
vendiſh bediente ſich hiezu der Drehwaage. Ein leichter Waage-
balken, an beiden Enden mit Bleimaſſen beſchwert, haͤngt an
einem ſehr feinen Faden, und koͤmmt in der Stellung zur Ruhe,
wo der Faden ganz ungedreht iſt. Naͤhert man nun mit aller Vor-
*) Gehlers Woͤrterb. Art. Erde. S. 944. 949.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/107>, abgerufen am 16.07.2024.
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