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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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auf Gottes Erdboden zu seyn. Aber bey allem dem
fühlt' ichs lebhaft: Noch fehle mir -- und dann wußt'
ich doch nicht was? Meist aber kam's, glaub ich,
darauf hinaus: O könnt' ich mein Aennchen --
könnt' ich dieß holde holde Kind doch ganz ganz be-
sitzen -- völlig völlig mein heissen -- und ich sein --
sein Schätzgen, sein Liebchen. Wo ich darum stuhnd
und gieng, waren meine Gedanken bey ihr. Alle
Wochen durft' ich eine Nacht zu ihr wandeln; die
schien mir eine Minute, die Zwischenzeit sechs Jahre
zu seyn. O der seligen Stunden! Da setzte es tau-
send und hunderterley verliebte Gespräche -- da eifer-
ten wir in die Wette, einander in Honigwörtgen zu
übertreffen; und jeder neue oder alte Ausdruck galt
einen neuen Kuß. -- Ich mag nicht schwören -- und
schwöre nicht -- aber das waren gewiß nicht nur die
seligsten, sondern -- auch die schuldlosesten Nächte
meines Lebens! -- Und doch -- ich darf's noch einmal
nicht verbergen -- aber Aennchens Ruf war nicht
der beßte. Dieß hatte sie ohne Zweifel ihrem frey-
en, geschwätzigen Mäulchen zu verdanken. Ich hin-
gegen habe stets und immer mehr das redlichste,
beßte, züchtigste Mädchen an ihr gefunden. Frey-
lich -- von jenen mannigfaltigen eigentlichen Verfüh-
rer-Künsten braucht' ich, und kannt' ich wirklich
keine -- und doch bin ich vollkommen überzeugt,
daß sie auch dergleichen siegreich widerstanden wäre.

So gieng der mir unvergeßliche Sommer des

auf Gottes Erdboden zu ſeyn. Aber bey allem dem
fuͤhlt’ ichs lebhaft: Noch fehle mir — und dann wußt’
ich doch nicht was? Meiſt aber kam’s, glaub ich,
darauf hinaus: O koͤnnt’ ich mein Aennchen
koͤnnt’ ich dieß holde holde Kind doch ganz ganz be-
ſitzen — voͤllig voͤllig mein heiſſen — und ich ſein —
ſein Schaͤtzgen, ſein Liebchen. Wo ich darum ſtuhnd
und gieng, waren meine Gedanken bey ihr. Alle
Wochen durft’ ich eine Nacht zu ihr wandeln; die
ſchien mir eine Minute, die Zwiſchenzeit ſechs Jahre
zu ſeyn. O der ſeligen Stunden! Da ſetzte es tau-
ſend und hunderterley verliebte Geſpraͤche — da eifer-
ten wir in die Wette, einander in Honigwoͤrtgen zu
uͤbertreffen; und jeder neue oder alte Ausdruck galt
einen neuen Kuß. — Ich mag nicht ſchwoͤren — und
ſchwoͤre nicht — aber das waren gewiß nicht nur die
ſeligſten, ſondern — auch die ſchuldloſeſten Naͤchte
meines Lebens! — Und doch — ich darf’s noch einmal
nicht verbergen — aber Aennchens Ruf war nicht
der beßte. Dieß hatte ſie ohne Zweifel ihrem frey-
en, geſchwaͤtzigen Maͤulchen zu verdanken. Ich hin-
gegen habe ſtets und immer mehr das redlichſte,
beßte, zuͤchtigſte Maͤdchen an ihr gefunden. Frey-
lich — von jenen mannigfaltigen eigentlichen Verfuͤh-
rer-Kuͤnſten braucht’ ich, und kannt’ ich wirklich
keine — und doch bin ich vollkommen uͤberzeugt,
daß ſie auch dergleichen ſiegreich widerſtanden waͤre.

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[77/0093] auf Gottes Erdboden zu ſeyn. Aber bey allem dem fuͤhlt’ ichs lebhaft: Noch fehle mir — und dann wußt’ ich doch nicht was? Meiſt aber kam’s, glaub ich, darauf hinaus: O koͤnnt’ ich mein Aennchen — koͤnnt’ ich dieß holde holde Kind doch ganz ganz be- ſitzen — voͤllig voͤllig mein heiſſen — und ich ſein — ſein Schaͤtzgen, ſein Liebchen. Wo ich darum ſtuhnd und gieng, waren meine Gedanken bey ihr. Alle Wochen durft’ ich eine Nacht zu ihr wandeln; die ſchien mir eine Minute, die Zwiſchenzeit ſechs Jahre zu ſeyn. O der ſeligen Stunden! Da ſetzte es tau- ſend und hunderterley verliebte Geſpraͤche — da eifer- ten wir in die Wette, einander in Honigwoͤrtgen zu uͤbertreffen; und jeder neue oder alte Ausdruck galt einen neuen Kuß. — Ich mag nicht ſchwoͤren — und ſchwoͤre nicht — aber das waren gewiß nicht nur die ſeligſten, ſondern — auch die ſchuldloſeſten Naͤchte meines Lebens! — Und doch — ich darf’s noch einmal nicht verbergen — aber Aennchens Ruf war nicht der beßte. Dieß hatte ſie ohne Zweifel ihrem frey- en, geſchwaͤtzigen Maͤulchen zu verdanken. Ich hin- gegen habe ſtets und immer mehr das redlichſte, beßte, zuͤchtigſte Maͤdchen an ihr gefunden. Frey- lich — von jenen mannigfaltigen eigentlichen Verfuͤh- rer-Kuͤnſten braucht’ ich, und kannt’ ich wirklich keine — und doch bin ich vollkommen uͤberzeugt, daß ſie auch dergleichen ſiegreich widerſtanden waͤre. So gieng der mir unvergeßliche Sommer des

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/93>, abgerufen am 23.11.2024.