"Zipfelwaid ist gar wohlfeil! Es könnte den Vater "reuen, und er's wieder an sich ziehen, wenn ich "ihm den Kaufschilling nicht baar erlege. Ich muß "um Geld schauen, so kann er mir nicht mehr ab "der Hand gehn." Ich gieng also zum Nachbar Görg, erzählt' ihm den ganzen Handel, und bat ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll' ihm bis auf Wiederbezahlung mein Land dafür zum Pfand einse- tzen. Er gab mir's ohne Bedenken. Ganz entzückt lief ich damit zum Vater, und wollt' ihn ausbe- zahlen. Potz hundert! wie der mich abschneutzte: "Wo hast du das Geld her?" Es fehlte wenig, so hätt' es noch Ohrfeigen oben drein gesetzt. Im er- sten Augenblick begriff ich nicht was ihn so entsetz- lich bös mache. Aber er erklärte mir's bald, da er fortfuhr: "Du Bärnhäuter! Mir mein Güt zu ver- "pfänden"! riß mir dann die fünf Gulden aus der Hand, rannte im Augenblick zu Görg, und gab sie ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, so lieb ihm Gott sey! seinem Buben kein Geld mehr liehe; Er woll' ihm schon geben was er brauche, u. s. f. -- So war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er bald wieder besänftigt war, mocht mir lang sagen: "Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich "könn' ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der "Schlempen Waid werde die Sach nicht aus- "machen; ich soll nur damit schalten und walten wie "mit meinem Eigenthum." Ich konnt' es ihm nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im Maul. Das war mir verdächtig. Aber er hatte gu-
„Zipfelwaid iſt gar wohlfeil! Es koͤnnte den Vater „reuen, und er’s wieder an ſich ziehen, wenn ich „ihm den Kaufſchilling nicht baar erlege. Ich muß „um Geld ſchauen, ſo kann er mir nicht mehr ab „der Hand gehn.„ Ich gieng alſo zum Nachbar Goͤrg, erzaͤhlt’ ihm den ganzen Handel, und bat ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll’ ihm bis auf Wiederbezahlung mein Land dafuͤr zum Pfand einſe- tzen. Er gab mir’s ohne Bedenken. Ganz entzuͤckt lief ich damit zum Vater, und wollt’ ihn ausbe- zahlen. Potz hundert! wie der mich abſchneutzte: „Wo haſt du das Geld her?„ Es fehlte wenig, ſo haͤtt’ es noch Ohrfeigen oben drein geſetzt. Im er- ſten Augenblick begriff ich nicht was ihn ſo entſetz- lich boͤs mache. Aber er erklaͤrte mir’s bald, da er fortfuhr: „Du Baͤrnhaͤuter! Mir mein Guͤt zu ver- „pfaͤnden„! riß mir dann die fuͤnf Gulden aus der Hand, rannte im Augenblick zu Goͤrg, und gab ſie ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, ſo lieb ihm Gott ſey! ſeinem Buben kein Geld mehr liehe; Er woll’ ihm ſchon geben was er brauche, u. ſ. f. — So war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er bald wieder beſaͤnftigt war, mocht mir lang ſagen: „Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich „koͤnn’ ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der „Schlempen Waid werde die Sach nicht aus- „machen; ich ſoll nur damit ſchalten und walten wie „mit meinem Eigenthum.„ Ich konnt’ es ihm nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im Maul. Das war mir verdaͤchtig. Aber er hatte gu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0058"n="42"/>„Zipfelwaid iſt gar wohlfeil! Es koͤnnte den Vater<lb/>„reuen, und er’s wieder an ſich ziehen, wenn ich<lb/>„ihm den Kaufſchilling nicht baar erlege. Ich muß<lb/>„um Geld ſchauen, ſo kann er mir nicht mehr ab<lb/>„der Hand gehn.„ Ich gieng alſo zum Nachbar<lb/>
Goͤrg, erzaͤhlt’ ihm den ganzen Handel, und bat<lb/>
ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll’ ihm bis auf<lb/>
Wiederbezahlung mein Land dafuͤr zum Pfand einſe-<lb/>
tzen. Er gab mir’s ohne Bedenken. Ganz entzuͤckt<lb/>
lief ich damit zum Vater, und wollt’ ihn ausbe-<lb/>
zahlen. Potz hundert! wie der mich abſchneutzte:<lb/>„Wo haſt du das Geld her?„ Es fehlte wenig,<lb/>ſo haͤtt’ es noch Ohrfeigen oben drein geſetzt. Im er-<lb/>ſten Augenblick begriff ich nicht was ihn ſo entſetz-<lb/>
lich boͤs mache. Aber er erklaͤrte mir’s bald, da er<lb/>
fortfuhr: „Du Baͤrnhaͤuter! Mir mein Guͤt zu ver-<lb/>„pfaͤnden„! riß mir dann die fuͤnf Gulden aus der<lb/>
Hand, rannte im <choice><sic>Angenblick</sic><corr>Augenblick</corr></choice> zu Goͤrg, und gab ſie<lb/>
ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, ſo lieb ihm<lb/>
Gott ſey! ſeinem Buben kein Geld mehr liehe; Er<lb/>
woll’ ihm ſchon geben was er brauche, u. ſ. f. — So<lb/>
war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er<lb/>
bald wieder beſaͤnftigt war, mocht mir lang ſagen:<lb/>„Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich<lb/>„koͤnn’ ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der<lb/>„Schlempen Waid werde die Sach nicht aus-<lb/>„machen; ich ſoll nur damit ſchalten und walten wie<lb/>„mit meinem Eigenthum.„ Ich konnt’ es ihm<lb/>
nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im<lb/>
Maul. Das war mir verdaͤchtig. Aber er hatte gu-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[42/0058]
„Zipfelwaid iſt gar wohlfeil! Es koͤnnte den Vater
„reuen, und er’s wieder an ſich ziehen, wenn ich
„ihm den Kaufſchilling nicht baar erlege. Ich muß
„um Geld ſchauen, ſo kann er mir nicht mehr ab
„der Hand gehn.„ Ich gieng alſo zum Nachbar
Goͤrg, erzaͤhlt’ ihm den ganzen Handel, und bat
ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll’ ihm bis auf
Wiederbezahlung mein Land dafuͤr zum Pfand einſe-
tzen. Er gab mir’s ohne Bedenken. Ganz entzuͤckt
lief ich damit zum Vater, und wollt’ ihn ausbe-
zahlen. Potz hundert! wie der mich abſchneutzte:
„Wo haſt du das Geld her?„ Es fehlte wenig,
ſo haͤtt’ es noch Ohrfeigen oben drein geſetzt. Im er-
ſten Augenblick begriff ich nicht was ihn ſo entſetz-
lich boͤs mache. Aber er erklaͤrte mir’s bald, da er
fortfuhr: „Du Baͤrnhaͤuter! Mir mein Guͤt zu ver-
„pfaͤnden„! riß mir dann die fuͤnf Gulden aus der
Hand, rannte im Augenblick zu Goͤrg, und gab ſie
ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, ſo lieb ihm
Gott ſey! ſeinem Buben kein Geld mehr liehe; Er
woll’ ihm ſchon geben was er brauche, u. ſ. f. — So
war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er
bald wieder beſaͤnftigt war, mocht mir lang ſagen:
„Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich
„koͤnn’ ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der
„Schlempen Waid werde die Sach nicht aus-
„machen; ich ſoll nur damit ſchalten und walten wie
„mit meinem Eigenthum.„ Ich konnt’ es ihm
nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im
Maul. Das war mir verdaͤchtig. Aber er hatte gu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/58>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.