Drey Jahre sind wieder dahingeflossen, ins Meer der Zeiten, seitdem ich mein Lebensgeschichtgen aus allen meinen kuderwelschen Papieren zusammenge- flickt. Was mir seither merkwürdiges vorfiel, hab' ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die- ses einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt mir hier nur sehr weniges übrig, von meiner gegen- wärtigen Lage, und den bisherigen Schicksalen mei- ner armen unschuldigen Authorschaft.
Noch wall' ich im Lande der Lebendigen meinen alten Schlendrian fort, und zwar -- je länger je lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei- tern Tag, jedes frohe Weilchen -- Gottes Sonne mißgönnen -- und doch mir kein Haar krümmen kön- nen. Denn fest ist meine Burg unter dem Schutz des Allerhöchsten.
Ein und ebendasselbe ist mein Wohnort. Einför- mig, ein und eben dieselben sind Beruf, Geschäfte, Laune, Glück und -- Menschengunst. Dafür lachet mich die ganze Natur an: Der größre und bessere Theil meiner Nebenmenschen mögen mich recht wohl leiden; ich geniesse sogar das unschätzbare Gut, et- liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Gesundheit ist besser als noch nie.
Mit der Harmonie in meinem Hause -- Ha! da bleibt's immer beym Alten; und die dießfällige Un- vollkommenheit meines Zustands gehört -- kurz und gut -- unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt, die man nicht so leicht ändern als sich -- drüber weg-
Drey Jahre ſind wieder dahingefloſſen, ins Meer der Zeiten, ſeitdem ich mein Lebensgeſchichtgen aus allen meinen kuderwelſchen Papieren zuſammenge- flickt. Was mir ſeither merkwuͤrdiges vorfiel, hab’ ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die- ſes einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt mir hier nur ſehr weniges uͤbrig, von meiner gegen- waͤrtigen Lage, und den bisherigen Schickſalen mei- ner armen unſchuldigen Authorſchaft.
Noch wall’ ich im Lande der Lebendigen meinen alten Schlendrian fort, und zwar — je laͤnger je lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei- tern Tag, jedes frohe Weilchen — Gottes Sonne mißgoͤnnen — und doch mir kein Haar kruͤmmen koͤn- nen. Denn feſt iſt meine Burg unter dem Schutz des Allerhoͤchſten.
Ein und ebendaſſelbe iſt mein Wohnort. Einfoͤr- mig, ein und eben dieſelben ſind Beruf, Geſchaͤfte, Laune, Gluͤck und — Menſchengunſt. Dafuͤr lachet mich die ganze Natur an: Der groͤßre und beſſere Theil meiner Nebenmenſchen moͤgen mich recht wohl leiden; ich genieſſe ſogar das unſchaͤtzbare Gut, et- liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Geſundheit iſt beſſer als noch nie.
Mit der Harmonie in meinem Hauſe — Ha! da bleibt’s immer beym Alten; und die dießfaͤllige Un- vollkommenheit meines Zuſtands gehoͤrt — kurz und gut — unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt, die man nicht ſo leicht aͤndern als ſich — druͤber weg-
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Drey Jahre ſind wieder dahingefloſſen, ins Meer
der Zeiten, ſeitdem ich mein Lebensgeſchichtgen aus
allen meinen kuderwelſchen Papieren zuſammenge-
flickt. Was mir ſeither merkwuͤrdiges vorfiel, hab’
ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die-
ſes einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt
mir hier nur ſehr weniges uͤbrig, von meiner gegen-
waͤrtigen Lage, und den bisherigen Schickſalen mei-
ner armen unſchuldigen Authorſchaft.
Noch wall’ ich im Lande der Lebendigen meinen
alten Schlendrian fort, und zwar — je laͤnger je
lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei-
tern Tag, jedes frohe Weilchen — Gottes Sonne
mißgoͤnnen — und doch mir kein Haar kruͤmmen koͤn-
nen. Denn feſt iſt meine Burg unter dem Schutz
des Allerhoͤchſten.
Ein und ebendaſſelbe iſt mein Wohnort. Einfoͤr-
mig, ein und eben dieſelben ſind Beruf, Geſchaͤfte,
Laune, Gluͤck und — Menſchengunſt. Dafuͤr lachet
mich die ganze Natur an: Der groͤßre und beſſere
Theil meiner Nebenmenſchen moͤgen mich recht wohl
leiden; ich genieſſe ſogar das unſchaͤtzbare Gut, et-
liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Geſundheit
iſt beſſer als noch nie.
Mit der Harmonie in meinem Hauſe — Ha! da
bleibt’s immer beym Alten; und die dießfaͤllige Un-
vollkommenheit meines Zuſtands gehoͤrt — kurz und
gut — unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt,
die man nicht ſo leicht aͤndern als ſich — druͤber weg-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/299>, abgerufen am 16.02.2025.
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