anstellen, und kann nicht jedes thun lassen, was es will. Sonst hoff' ich, du werdest dereinst noch Ge- schmack am Denken, Lesen und Schreiben finden, ungefähr wie dein Vater; obschon du noch zur Zeit den mir verhaßten Hang nährest, von einem Haus zum andern zu laufen, um allerhand unnützes Zeug zu erfragen oder zu erzählen. Aber deines Brod- erwerbs halber bin ich sehr verlegen. Doch wenn du deinen Kopf brauchst, und dem Herrn, der dich schon mehrmals dem Rachen des Todes entriß, weiter dei- ne Wege befiehlst, wird er's schon machen *).
Susanna Barbara, meine zweyte Tochter! Du flüchtiges, in allen Lüften schwebendes Ding! Wärst du das Kind eines Fürsten, und gerieth'st darnach un- ter Hände, so könnte ein weibliches Genie aus dir werden. Dein Falkenang macht dich verhaßt unter deinen Geschwistern, wenn du's schon nicht böse meinst. Dein empfindsames Herz leidet Schaden un- ter so viel spitzigen Zungen; und das donnernde Ge- lärm deines rohen Hofmeisters macht dich erwilden. Ach! ich fürchte, allzufrüh erwachende Leidenschaften, und dein zarter Nervenbau, werden dir noch Schmer- zen genug verursachen!
Anna Maria, meine jüngste Tochter, meine letzte Kraft, mein Kind --- noch das einzige das mich herzt, und an das ich hinwieder meine letzte Liebe verschwen- de! Still und verschlagen, das gesetzteste unter allen bist du --- kleine Anfälle von boshaften Neckereyen und Stettköpfigkeit ausgenommen. Du, mein Täub-
chen,
*) Er starb den 8. Jenner 1787.
anſtellen, und kann nicht jedes thun laſſen, was es will. Sonſt hoff’ ich, du werdeſt dereinſt noch Ge- ſchmack am Denken, Leſen und Schreiben finden, ungefaͤhr wie dein Vater; obſchon du noch zur Zeit den mir verhaßten Hang naͤhreſt, von einem Haus zum andern zu laufen, um allerhand unnuͤtzes Zeug zu erfragen oder zu erzaͤhlen. Aber deines Brod- erwerbs halber bin ich ſehr verlegen. Doch wenn du deinen Kopf brauchſt, und dem Herrn, der dich ſchon mehrmals dem Rachen des Todes entriß, weiter dei- ne Wege befiehlſt, wird er’s ſchon machen *).
Suſanna Barbara, meine zweyte Tochter! Du fluͤchtiges, in allen Luͤften ſchwebendes Ding! Waͤrſt du das Kind eines Fuͤrſten, und gerieth’ſt darnach un- ter Haͤnde, ſo koͤnnte ein weibliches Genie aus dir werden. Dein Falkenang macht dich verhaßt unter deinen Geſchwiſtern, wenn du’s ſchon nicht boͤſe meinſt. Dein empfindſames Herz leidet Schaden un- ter ſo viel ſpitzigen Zungen; und das donnernde Ge- laͤrm deines rohen Hofmeiſters macht dich erwilden. Ach! ich fuͤrchte, allzufruͤh erwachende Leidenſchaften, und dein zarter Nervenbau, werden dir noch Schmer- zen genug verurſachen!
Anna Maria, meine juͤngſte Tochter, meine letzte Kraft, mein Kind --- noch das einzige das mich herzt, und an das ich hinwieder meine letzte Liebe verſchwen- de! Still und verſchlagen, das geſetzteſte unter allen biſt du --- kleine Anfaͤlle von boshaften Neckereyen und Stettkoͤpfigkeit ausgenommen. Du, mein Taͤub-
chen,
*) Er ſtarb den 8. Jenner 1787.
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anſtellen, und kann nicht jedes thun laſſen, was es
will. Sonſt hoff’ ich, du werdeſt dereinſt noch Ge-
ſchmack am Denken, Leſen und Schreiben finden,
ungefaͤhr wie dein Vater; obſchon du noch zur Zeit
den mir verhaßten Hang naͤhreſt, von einem Haus
zum andern zu laufen, um allerhand unnuͤtzes Zeug
zu erfragen oder zu erzaͤhlen. Aber deines Brod-
erwerbs halber bin ich ſehr verlegen. Doch wenn du
deinen Kopf brauchſt, und dem Herrn, der dich ſchon
mehrmals dem Rachen des Todes entriß, weiter dei-
ne Wege befiehlſt, wird er’s ſchon machen *).
Suſanna Barbara, meine zweyte Tochter! Du
fluͤchtiges, in allen Luͤften ſchwebendes Ding! Waͤrſt
du das Kind eines Fuͤrſten, und gerieth’ſt darnach un-
ter Haͤnde, ſo koͤnnte ein weibliches Genie aus dir
werden. Dein Falkenang macht dich verhaßt unter
deinen Geſchwiſtern, wenn du’s ſchon nicht boͤſe
meinſt. Dein empfindſames Herz leidet Schaden un-
ter ſo viel ſpitzigen Zungen; und das donnernde Ge-
laͤrm deines rohen Hofmeiſters macht dich erwilden.
Ach! ich fuͤrchte, allzufruͤh erwachende Leidenſchaften,
und dein zarter Nervenbau, werden dir noch Schmer-
zen genug verurſachen!
Anna Maria, meine juͤngſte Tochter, meine letzte
Kraft, mein Kind --- noch das einzige das mich herzt,
und an das ich hinwieder meine letzte Liebe verſchwen-
de! Still und verſchlagen, das geſetzteſte unter allen
biſt du --- kleine Anfaͤlle von boshaften Neckereyen
und Stettkoͤpfigkeit ausgenommen. Du, mein Taͤub-
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*) Er ſtarb den 8. Jenner 1787.
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/288>, abgerufen am 29.07.2024.
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