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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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auf allen Vieren durch Stauden und Dörn' hinauf
der Wiese zu, auf welcher ich überall herumirrte,
und den Gaden nicht mehr finden konnte -- als ich
gegen einer Windhelle zwey Kerls -- Birn- oder Aepfel-
diebe -- auf einem Baum ansichtig ward. Diesen
ruft ich zu, sie sollten mir doch auf den Weg hel-
fen. Aber da war kein Bescheid; vielleicht daß sie
mich für ein Ungeheuer hielten, und oben im Gipfel
noch ärger zittern mochten, als ich armer Bube un-
ten im Koth. -- Inzwischen war mein Vater, der
während meinem Schlummer nach einem ziemlich
entfernten Haus gieng, etwas zu holen, wieder
zurückgekehrt. Da er mich vermißte, suchte er in
allen Winkeln nach, wo ich mich etwa mögte verkro-
chen haben; zündete bis in die siedenden Kessel hin-
ein, und hörte endlich mein Geschrey, dem er nach-
gieng, und mich nun bald ausfindig machte. O,
wie er mich da herzte und küßte, Freudenthränen
weinte und Gott dankte, und mich, sobald wir zum
Gaden zurückkamen, sauber und trocken machte --
denn ich war mausnaß, dreckigt bis über die Ohren,
und hatte aus Angst noch in die Hosen .... Morn-
deß
am Morgen führte er mich an der Hand durch
die Wiese: Ich sollt' ihm auch den Ort zeigen, wo
ich heruntergepurzelt. Ich konnt' ihn nicht finden:
Zuletzt fand Er ihn an dem Geschlirpe, das ich beym
Hinabrutschen gemacht; schlug dann die Händ' überm
Kopf zusamen, vor Entsetzen über die Gefahren
worinn ich geschwebt, und vor Lob und Preis über
die Wunderhand Gottes, die mich allein erretten

auf allen Vieren durch Stauden und Doͤrn’ hinauf
der Wieſe zu, auf welcher ich uͤberall herumirrte,
und den Gaden nicht mehr finden konnte — als ich
gegen einer Windhelle zwey Kerls — Birn- oder Aepfel-
diebe — auf einem Baum anſichtig ward. Dieſen
ruft ich zu, ſie ſollten mir doch auf den Weg hel-
fen. Aber da war kein Beſcheid; vielleicht daß ſie
mich fuͤr ein Ungeheuer hielten, und oben im Gipfel
noch aͤrger zittern mochten, als ich armer Bube un-
ten im Koth. — Inzwiſchen war mein Vater, der
waͤhrend meinem Schlummer nach einem ziemlich
entfernten Haus gieng, etwas zu holen, wieder
zuruͤckgekehrt. Da er mich vermißte, ſuchte er in
allen Winkeln nach, wo ich mich etwa moͤgte verkro-
chen haben; zuͤndete bis in die ſiedenden Keſſel hin-
ein, und hoͤrte endlich mein Geſchrey, dem er nach-
gieng, und mich nun bald ausfindig machte. O,
wie er mich da herzte und kuͤßte, Freudenthraͤnen
weinte und Gott dankte, und mich, ſobald wir zum
Gaden zuruͤckkamen, ſauber und trocken machte —
denn ich war mausnaß, dreckigt bis uͤber die Ohren,
und hatte aus Angſt noch in die Hoſen .... Morn-
deß
am Morgen fuͤhrte er mich an der Hand durch
die Wieſe: Ich ſollt’ ihm auch den Ort zeigen, wo
ich heruntergepurzelt. Ich konnt’ ihn nicht finden:
Zuletzt fand Er ihn an dem Geſchlirpe, das ich beym
Hinabrutſchen gemacht; ſchlug dann die Haͤnd’ uͤberm
Kopf zuſamen, vor Entſetzen uͤber die Gefahren
worinn ich geſchwebt, und vor Lob und Preis uͤber
die Wunderhand Gottes, die mich allein erretten

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[10/0026] auf allen Vieren durch Stauden und Doͤrn’ hinauf der Wieſe zu, auf welcher ich uͤberall herumirrte, und den Gaden nicht mehr finden konnte — als ich gegen einer Windhelle zwey Kerls — Birn- oder Aepfel- diebe — auf einem Baum anſichtig ward. Dieſen ruft ich zu, ſie ſollten mir doch auf den Weg hel- fen. Aber da war kein Beſcheid; vielleicht daß ſie mich fuͤr ein Ungeheuer hielten, und oben im Gipfel noch aͤrger zittern mochten, als ich armer Bube un- ten im Koth. — Inzwiſchen war mein Vater, der waͤhrend meinem Schlummer nach einem ziemlich entfernten Haus gieng, etwas zu holen, wieder zuruͤckgekehrt. Da er mich vermißte, ſuchte er in allen Winkeln nach, wo ich mich etwa moͤgte verkro- chen haben; zuͤndete bis in die ſiedenden Keſſel hin- ein, und hoͤrte endlich mein Geſchrey, dem er nach- gieng, und mich nun bald ausfindig machte. O, wie er mich da herzte und kuͤßte, Freudenthraͤnen weinte und Gott dankte, und mich, ſobald wir zum Gaden zuruͤckkamen, ſauber und trocken machte — denn ich war mausnaß, dreckigt bis uͤber die Ohren, und hatte aus Angſt noch in die Hoſen .... Morn- deß am Morgen fuͤhrte er mich an der Hand durch die Wieſe: Ich ſollt’ ihm auch den Ort zeigen, wo ich heruntergepurzelt. Ich konnt’ ihn nicht finden: Zuletzt fand Er ihn an dem Geſchlirpe, das ich beym Hinabrutſchen gemacht; ſchlug dann die Haͤnd’ uͤberm Kopf zuſamen, vor Entſetzen uͤber die Gefahren worinn ich geſchwebt, und vor Lob und Preis uͤber die Wunderhand Gottes, die mich allein erretten

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/26>, abgerufen am 28.03.2024.