Um diese Zeit kam einst ein Mitglied der moralischen Gesellschaft zu L. in mein Haus, da ich eben die Ge- schichte von Brand und Struensee durchblätterte, und etwas von meinen Schreibereyen auf dem Tisch lag. "Das hätt' ich bey dir nicht gesucht", sagte er, und fragte: Ob ich denn gern so etwas lese, und oft dergleichen Sächelgen schreibe? "Ja"! sagt' ich: "Das ist neben meinen Geschäften mein einziges "Wohlleben". Von da an wurden wir Freunde, und besuchten einander zum öftersten. Er anerbot mir seine kleine Büchersammlung; ließ sich aber übri- gens in ökonomischen Sachen noch lieber von mir hel- fen, als daß er mir hätte beyspringen können, obschon ich ihm so von Weitem meine Umstände merken ließ. In einem dieser Jahre schrieb die erwähnte Gesell- schaft über verschiedene Gegenstände Preißfragen aus, welche jeder Landmann beantworten könnte. Mein Freund munterte mich auch zu einer solchen Arbeit auf; ich hatte grosse Lust dazu, machte ihm aber die Einwendung: Man wurde mich armen Tropfen nur auslachen. "Was thut das"? sagte er: "Schreib "du nur zu, in aller Einfalt, wie's kommt und dich "dünkt". Nun, da schrieb ich denn eben über den Baumwollengewerb und den Credit, sandte mein Geschmiere zur bestimmten Zeit neben vielen andern ein; und die Herrn waren so gut, mir den Preiß von
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LXXI. Das Saamenkorn meiner Authorſchaft.
Um dieſe Zeit kam einſt ein Mitglied der moraliſchen Geſellſchaft zu L. in mein Haus, da ich eben die Ge- ſchichte von Brand und Struenſee durchblaͤtterte, und etwas von meinen Schreibereyen auf dem Tiſch lag. „Das haͤtt’ ich bey dir nicht geſucht„, ſagte er, und fragte: Ob ich denn gern ſo etwas leſe, und oft dergleichen Saͤchelgen ſchreibe? „Ja„! ſagt’ ich: „Das iſt neben meinen Geſchaͤften mein einziges „Wohlleben„. Von da an wurden wir Freunde, und beſuchten einander zum oͤfterſten. Er anerbot mir ſeine kleine Buͤcherſammlung; ließ ſich aber uͤbri- gens in oͤkonomiſchen Sachen noch lieber von mir hel- fen, als daß er mir haͤtte beyſpringen koͤnnen, obſchon ich ihm ſo von Weitem meine Umſtaͤnde merken ließ. In einem dieſer Jahre ſchrieb die erwaͤhnte Geſell- ſchaft uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde Preißfragen aus, welche jeder Landmann beantworten koͤnnte. Mein Freund munterte mich auch zu einer ſolchen Arbeit auf; ich hatte groſſe Luſt dazu, machte ihm aber die Einwendung: Man wurde mich armen Tropfen nur auslachen. „Was thut das„? ſagte er: „Schreib „du nur zu, in aller Einfalt, wie’s kommt und dich „duͤnkt„. Nun, da ſchrieb ich denn eben uͤber den Baumwollengewerb und den Credit, ſandte mein Geſchmiere zur beſtimmten Zeit neben vielen andern ein; und die Herrn waren ſo gut, mir den Preiß von
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LXXI.
Das Saamenkorn meiner Authorſchaft.
Um dieſe Zeit kam einſt ein Mitglied der moraliſchen
Geſellſchaft zu L. in mein Haus, da ich eben die Ge-
ſchichte von Brand und Struenſee durchblaͤtterte,
und etwas von meinen Schreibereyen auf dem Tiſch
lag. „Das haͤtt’ ich bey dir nicht geſucht„, ſagte er,
und fragte: Ob ich denn gern ſo etwas leſe, und oft
dergleichen Saͤchelgen ſchreibe? „Ja„! ſagt’ ich:
„Das iſt neben meinen Geſchaͤften mein einziges
„Wohlleben„. Von da an wurden wir Freunde,
und beſuchten einander zum oͤfterſten. Er anerbot
mir ſeine kleine Buͤcherſammlung; ließ ſich aber uͤbri-
gens in oͤkonomiſchen Sachen noch lieber von mir hel-
fen, als daß er mir haͤtte beyſpringen koͤnnen, obſchon
ich ihm ſo von Weitem meine Umſtaͤnde merken ließ.
In einem dieſer Jahre ſchrieb die erwaͤhnte Geſell-
ſchaft uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde Preißfragen aus,
welche jeder Landmann beantworten koͤnnte. Mein
Freund munterte mich auch zu einer ſolchen Arbeit
auf; ich hatte groſſe Luſt dazu, machte ihm aber die
Einwendung: Man wurde mich armen Tropfen nur
auslachen. „Was thut das„? ſagte er: „Schreib
„du nur zu, in aller Einfalt, wie’s kommt und dich
„duͤnkt„. Nun, da ſchrieb ich denn eben uͤber den
Baumwollengewerb und den Credit, ſandte mein
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ein; und die Herrn waren ſo gut, mir den Preiß von
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/224>, abgerufen am 28.07.2024.
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