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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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denmachen, um die alten zu tilgen. Und da waren
mir allemal die nächsten Wochen vor der Zurzacher-
Messe sehr schwarze Tag' im Kalender, wo ich vie-
le dutzend Stunden verlaufen mußte, um wieder Cre-
dit zu finden. O, wie mir da manch liebes Mal das
Herz klopfte, wenn ich so an drey, vier Orten ein
christliches Helf dir Gott! bekam. Wie rang' ich
dann oft meine Hände gen Himmel, und betete zu
dem der die Herzen wendet wohin er will, auch eines
zu meinem Beystand zu lenken. Und allemal ward's
mir von Stund an leichter um das meinige, und fand
sich zuletzt, freylich nach unermüdetem Suchen und
Anklopfen, noch irgend eine gutmüthige Seele, meist
in einem unverhoften Winkel. Ich hatte ein Paar
Bekannte, die mir wohl schon hundertmal aus der
Noth geholfen; aber die Furcht, sie endlich zu ermü-
den, machte daß ich bald immer zuletzt zu ihnen
kehrte; und dann, hätt' ich ihnen ein einzigmal nicht
Wort gehalten, so wäre mir auch diese Hülfsquelle
auf immer versiegt; ich trug darum zu ihr wie zu
meinem Leben Sorg'. Uebrigens trauten's mir nur
wenige von meinen Nachbarn und nächsten Gefreund-
ten zu, daß ich so gar bis an die Ohren in Schulden
stecke; vielmehr wußt' ich das Ding so ziemlich geheim zu
halten, meinen Kummer und Unmuth zu verbergen,
und mich bey den Leuthen allzeit aufgeräumt und
wohlauf zu stellen. Auch glaub' ich, ohne diesen
ehrlichen Kunstgriff wär' es längst mit mir aus ge-
wesen. Freylich hatt' ich -- wer sollte es glauben? --
auch meine Neider, von denen ich gar wohl wußte,

denmachen, um die alten zu tilgen. Und da waren
mir allemal die naͤchſten Wochen vor der Zurzacher-
Meſſe ſehr ſchwarze Tag’ im Kalender, wo ich vie-
le dutzend Stunden verlaufen mußte, um wieder Cre-
dit zu finden. O, wie mir da manch liebes Mal das
Herz klopfte, wenn ich ſo an drey, vier Orten ein
chriſtliches Helf dir Gott! bekam. Wie rang’ ich
dann oft meine Haͤnde gen Himmel, und betete zu
dem der die Herzen wendet wohin er will, auch eines
zu meinem Beyſtand zu lenken. Und allemal ward’s
mir von Stund an leichter um das meinige, und fand
ſich zuletzt, freylich nach unermuͤdetem Suchen und
Anklopfen, noch irgend eine gutmuͤthige Seele, meiſt
in einem unverhoften Winkel. Ich hatte ein Paar
Bekannte, die mir wohl ſchon hundertmal aus der
Noth geholfen; aber die Furcht, ſie endlich zu ermuͤ-
den, machte daß ich bald immer zuletzt zu ihnen
kehrte; und dann, haͤtt’ ich ihnen ein einzigmal nicht
Wort gehalten, ſo waͤre mir auch dieſe Huͤlfsquelle
auf immer verſiegt; ich trug darum zu ihr wie zu
meinem Leben Sorg’. Uebrigens trauten’s mir nur
wenige von meinen Nachbarn und naͤchſten Gefreund-
ten zu, daß ich ſo gar bis an die Ohren in Schulden
ſtecke; vielmehr wußt’ ich das Ding ſo ziemlich geheim zu
halten, meinen Kummer und Unmuth zu verbergen,
und mich bey den Leuthen allzeit aufgeraͤumt und
wohlauf zu ſtellen. Auch glaub’ ich, ohne dieſen
ehrlichen Kunſtgriff waͤr’ es laͤngſt mit mir aus ge-
weſen. Freylich hatt’ ich — wer ſollte es glauben? —
auch meine Neider, von denen ich gar wohl wußte,

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[205/0221] denmachen, um die alten zu tilgen. Und da waren mir allemal die naͤchſten Wochen vor der Zurzacher- Meſſe ſehr ſchwarze Tag’ im Kalender, wo ich vie- le dutzend Stunden verlaufen mußte, um wieder Cre- dit zu finden. O, wie mir da manch liebes Mal das Herz klopfte, wenn ich ſo an drey, vier Orten ein chriſtliches Helf dir Gott! bekam. Wie rang’ ich dann oft meine Haͤnde gen Himmel, und betete zu dem der die Herzen wendet wohin er will, auch eines zu meinem Beyſtand zu lenken. Und allemal ward’s mir von Stund an leichter um das meinige, und fand ſich zuletzt, freylich nach unermuͤdetem Suchen und Anklopfen, noch irgend eine gutmuͤthige Seele, meiſt in einem unverhoften Winkel. Ich hatte ein Paar Bekannte, die mir wohl ſchon hundertmal aus der Noth geholfen; aber die Furcht, ſie endlich zu ermuͤ- den, machte daß ich bald immer zuletzt zu ihnen kehrte; und dann, haͤtt’ ich ihnen ein einzigmal nicht Wort gehalten, ſo waͤre mir auch dieſe Huͤlfsquelle auf immer verſiegt; ich trug darum zu ihr wie zu meinem Leben Sorg’. Uebrigens trauten’s mir nur wenige von meinen Nachbarn und naͤchſten Gefreund- ten zu, daß ich ſo gar bis an die Ohren in Schulden ſtecke; vielmehr wußt’ ich das Ding ſo ziemlich geheim zu halten, meinen Kummer und Unmuth zu verbergen, und mich bey den Leuthen allzeit aufgeraͤumt und wohlauf zu ſtellen. Auch glaub’ ich, ohne dieſen ehrlichen Kunſtgriff waͤr’ es laͤngſt mit mir aus ge- weſen. Freylich hatt’ ich — wer ſollte es glauben? — auch meine Neider, von denen ich gar wohl wußte,

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/221>, abgerufen am 21.11.2024.