wandte. Schon Ao. 68. und 69. da mir der Hagel zwey Jahre nacheinander alles in meinem Garten zu Boden schlug, und ich und die Meinigen so mit gros- ser Wehmuth zuschauten -- konnt' ich doch den Er- barmenden loben, daß er unsers Lebens geschont. Und seither bey allen solchen und ähnlichen Unfällen, bey allem Aufschlag der Nahrung, bey allem Jam- mern und Klagen der Leuthe, war immer mein erst- und letztes Wort: "Es wird so bös nicht seyn", oder: "Es wird schon besser kommen". Denn alle- mal das Beßte zu glauben und zu hoffen, war stets so meine Art, und, wenn man will, eine Folge mei- nes angebohrenen Leichtsinns. Ich konnte darum das ängstliche Kräbeln, Kummern und Sorgen andrer um mich her nie leiden; noch begreifen, was einer für einen Nutzen davon hat, wenn er sich immer das Aergste vorstellt. -- Doch, so käm' ich allgemach ganz von meiner Geschichte ab.
Das gedachte Siebenzigerjahr neigte sich schon im Frühling zum Aufschlagen. Der Schnee lag auf der Saat bis im Mayen, so daß gar viel darunter er- stickte. Indessen tröstete man sich doch noch den gan- zen Sommer auf eine leidentliche Erndte -- dann auf das Ausdreschen; aber leider alles umsonst. Ich hatte eine gute Portion Erdapfel im Boden; es wurden mir aber leider viel davon gestohlen. Den Sommer über hatte ich zwo Kühe auf fremder Weide, und ein Paar Geißen, welche mein erstgeborner Junge hütete; im Herbst aber mußt' ich aus Mangel Gelds und Futter alle diese Schwänze verkaufen. Denn der
wandte. Schon Ao. 68. und 69. da mir der Hagel zwey Jahre nacheinander alles in meinem Garten zu Boden ſchlug, und ich und die Meinigen ſo mit groſ- ſer Wehmuth zuſchauten — konnt’ ich doch den Er- barmenden loben, daß er unſers Lebens geſchont. Und ſeither bey allen ſolchen und aͤhnlichen Unfaͤllen, bey allem Aufſchlag der Nahrung, bey allem Jam- mern und Klagen der Leuthe, war immer mein erſt- und letztes Wort: „Es wird ſo boͤs nicht ſeyn„, oder: „Es wird ſchon beſſer kommen„. Denn alle- mal das Beßte zu glauben und zu hoffen, war ſtets ſo meine Art, und, wenn man will, eine Folge mei- nes angebohrenen Leichtſinns. Ich konnte darum das aͤngſtliche Kraͤbeln, Kummern und Sorgen andrer um mich her nie leiden; noch begreifen, was einer fuͤr einen Nutzen davon hat, wenn er ſich immer das Aergſte vorſtellt. — Doch, ſo kaͤm’ ich allgemach ganz von meiner Geſchichte ab.
Das gedachte Siebenzigerjahr neigte ſich ſchon im Fruͤhling zum Aufſchlagen. Der Schnee lag auf der Saat bis im Mayen, ſo daß gar viel darunter er- ſtickte. Indeſſen troͤſtete man ſich doch noch den gan- zen Sommer auf eine leidentliche Erndte — dann auf das Ausdreſchen; aber leider alles umſonſt. Ich hatte eine gute Portion Erdapfel im Boden; es wurden mir aber leider viel davon geſtohlen. Den Sommer uͤber hatte ich zwo Kuͤhe auf fremder Weide, und ein Paar Geißen, welche mein erſtgeborner Junge huͤtete; im Herbſt aber mußt’ ich aus Mangel Gelds und Futter alle dieſe Schwaͤnze verkaufen. Denn der
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wandte. Schon Ao. 68. und 69. da mir der Hagel
zwey Jahre nacheinander alles in meinem Garten zu
Boden ſchlug, und ich und die Meinigen ſo mit groſ-
ſer Wehmuth zuſchauten — konnt’ ich doch den Er-
barmenden loben, daß er unſers Lebens geſchont.
Und ſeither bey allen ſolchen und aͤhnlichen Unfaͤllen,
bey allem Aufſchlag der Nahrung, bey allem Jam-
mern und Klagen der Leuthe, war immer mein erſt-
und letztes Wort: „Es wird ſo boͤs nicht ſeyn„,
oder: „Es wird ſchon beſſer kommen„. Denn alle-
mal das Beßte zu glauben und zu hoffen, war ſtets
ſo meine Art, und, wenn man will, eine Folge mei-
nes angebohrenen Leichtſinns. Ich konnte darum das
aͤngſtliche Kraͤbeln, Kummern und Sorgen andrer
um mich her nie leiden; noch begreifen, was einer
fuͤr einen Nutzen davon hat, wenn er ſich immer
das Aergſte vorſtellt. — Doch, ſo kaͤm’ ich allgemach
ganz von meiner Geſchichte ab.
Das gedachte Siebenzigerjahr neigte ſich ſchon im
Fruͤhling zum Aufſchlagen. Der Schnee lag auf der
Saat bis im Mayen, ſo daß gar viel darunter er-
ſtickte. Indeſſen troͤſtete man ſich doch noch den gan-
zen Sommer auf eine leidentliche Erndte — dann auf
das Ausdreſchen; aber leider alles umſonſt. Ich hatte
eine gute Portion Erdapfel im Boden; es wurden
mir aber leider viel davon geſtohlen. Den Sommer
uͤber hatte ich zwo Kuͤhe auf fremder Weide, und
ein Paar Geißen, welche mein erſtgeborner Junge
huͤtete; im Herbſt aber mußt’ ich aus Mangel Gelds
und Futter alle dieſe Schwaͤnze verkaufen. Denn der
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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