Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

von den ersten auf der Stelle, und tummelten uns
wacker. Aber es that uns nicht minder in der See-
le weh, andre um jeder Kleinigkeit willen so un-
barmherzig behandelt, und uns selber so, Jahr ein
Jahr aus, conjoniert zu sehn; oft ganzer fünf Stun-
den lang in unsrer Montur eingeschnürt wie geschraubt
stehn, in die Kreutz und Querre pfahlgerad mar-
schieren, und ununterbrochen blitzschnelle Handgriffe
machen zu müssen; und das alles auf Geheiß eines
Offiziers, der mit einem furiosen Gesicht und auf-
gehobnem Stock vor uns stuhnd, und alle Augen-
blick wie unter Kabisköpfe drein zu hauen drohete.
Bey einem solchen Traktament mußte auch der stark-
nervigste Kerl halb lahm, und der geduldigste rasend
werden. Und kamen wir dann todmüde ins Quar-
tier, so giengs schon wieder über Hals und Kopf,
unsre Wäsche zurecht zu machen, und jedes Fleckgen
auszumustern; denn bis auf den blauen Rock war
unsre ganze Uniform weiß. Gewehr, Patrontasche,
Kuppel, jeder Knopf an der Montur, alles mußte
spiegelblank geputzt seyn. Zeigte sich an einem die-
ser Stücke die geringste Unthat, oder stand ein Haar
in der Frisur nicht recht, so war, wenn er auf den
Platz kam, die erste Begrüssung eine derbe Tracht
Prügel. Das währte so den ganzen May und Ju-
ni fort. Selbst den Sonntag hatten wir nicht frey;
denn da mußten wir auf das properste Kirchenpara-
de machen. Also blieben uns zu jenen Spaziergän-
gen nur wenige zerstreute Stunden übrig, und wir
hatten kurz und gut zu nichts Zeit übrig -- als zum

von den erſten auf der Stelle, und tummelten uns
wacker. Aber es that uns nicht minder in der See-
le weh, andre um jeder Kleinigkeit willen ſo un-
barmherzig behandelt, und uns ſelber ſo, Jahr ein
Jahr aus, conjoniert zu ſehn; oft ganzer fuͤnf Stun-
den lang in unſrer Montur eingeſchnuͤrt wie geſchraubt
ſtehn, in die Kreutz und Querre pfahlgerad mar-
ſchieren, und ununterbrochen blitzſchnelle Handgriffe
machen zu muͤſſen; und das alles auf Geheiß eines
Offiziers, der mit einem furioſen Geſicht und auf-
gehobnem Stock vor uns ſtuhnd, und alle Augen-
blick wie unter Kabiskoͤpfe drein zu hauen drohete.
Bey einem ſolchen Traktament mußte auch der ſtark-
nervigſte Kerl halb lahm, und der geduldigſte raſend
werden. Und kamen wir dann todmuͤde ins Quar-
tier, ſo giengs ſchon wieder uͤber Hals und Kopf,
unſre Waͤſche zurecht zu machen, und jedes Fleckgen
auszumuſtern; denn bis auf den blauen Rock war
unſre ganze Uniform weiß. Gewehr, Patrontaſche,
Kuppel, jeder Knopf an der Montur, alles mußte
ſpiegelblank geputzt ſeyn. Zeigte ſich an einem die-
ſer Stuͤcke die geringſte Unthat, oder ſtand ein Haar
in der Friſur nicht recht, ſo war, wenn er auf den
Platz kam, die erſte Begruͤſſung eine derbe Tracht
Pruͤgel. Das waͤhrte ſo den ganzen May und Ju-
ni fort. Selbſt den Sonntag hatten wir nicht frey;
denn da mußten wir auf das properſte Kirchenpara-
de machen. Alſo blieben uns zu jenen Spaziergaͤn-
gen nur wenige zerſtreute Stunden uͤbrig, und wir
hatten kurz und gut zu nichts Zeit uͤbrig — als zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="132"/>
von den er&#x017F;ten auf der Stelle, und tummelten uns<lb/>
wacker. Aber es that uns nicht minder in der See-<lb/>
le weh, andre um jeder Kleinigkeit willen &#x017F;o un-<lb/>
barmherzig behandelt, und uns &#x017F;elber &#x017F;o, Jahr ein<lb/>
Jahr aus, conjoniert zu &#x017F;ehn; oft ganzer fu&#x0364;nf Stun-<lb/>
den lang in un&#x017F;rer Montur einge&#x017F;chnu&#x0364;rt wie ge&#x017F;chraubt<lb/>
&#x017F;tehn, in die Kreutz und Querre pfahlgerad mar-<lb/>
&#x017F;chieren, und ununterbrochen blitz&#x017F;chnelle Handgriffe<lb/>
machen zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; und das alles auf Geheiß eines<lb/>
Offiziers, der mit einem furio&#x017F;en Ge&#x017F;icht und auf-<lb/>
gehobnem Stock vor uns &#x017F;tuhnd, und alle Augen-<lb/>
blick wie unter Kabisko&#x0364;pfe drein zu hauen drohete.<lb/>
Bey einem &#x017F;olchen Traktament mußte auch der &#x017F;tark-<lb/>
nervig&#x017F;te Kerl halb lahm, und der geduldig&#x017F;te ra&#x017F;end<lb/>
werden. Und kamen wir dann todmu&#x0364;de ins Quar-<lb/>
tier, &#x017F;o giengs &#x017F;chon wieder u&#x0364;ber Hals und Kopf,<lb/>
un&#x017F;re Wa&#x0364;&#x017F;che zurecht zu machen, und jedes Fleckgen<lb/>
auszumu&#x017F;tern; denn bis auf den blauen Rock war<lb/>
un&#x017F;re ganze Uniform weiß. Gewehr, Patronta&#x017F;che,<lb/>
Kuppel, jeder Knopf an der Montur, alles mußte<lb/>
&#x017F;piegelblank geputzt &#x017F;eyn. Zeigte &#x017F;ich an einem die-<lb/>
&#x017F;er Stu&#x0364;cke die gering&#x017F;te Unthat, oder &#x017F;tand ein Haar<lb/>
in der Fri&#x017F;ur nicht recht, &#x017F;o war, wenn er auf den<lb/>
Platz kam, die er&#x017F;te Begru&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung eine derbe Tracht<lb/>
Pru&#x0364;gel. Das wa&#x0364;hrte &#x017F;o den ganzen May und Ju-<lb/>
ni fort. Selb&#x017F;t den Sonntag hatten wir nicht frey;<lb/>
denn da mußten wir auf das proper&#x017F;te Kirchenpara-<lb/>
de machen. Al&#x017F;o blieben uns zu jenen Spazierga&#x0364;n-<lb/>
gen nur wenige zer&#x017F;treute Stunden u&#x0364;brig, und wir<lb/>
hatten kurz und gut zu nichts Zeit u&#x0364;brig &#x2014; als zum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0148] von den erſten auf der Stelle, und tummelten uns wacker. Aber es that uns nicht minder in der See- le weh, andre um jeder Kleinigkeit willen ſo un- barmherzig behandelt, und uns ſelber ſo, Jahr ein Jahr aus, conjoniert zu ſehn; oft ganzer fuͤnf Stun- den lang in unſrer Montur eingeſchnuͤrt wie geſchraubt ſtehn, in die Kreutz und Querre pfahlgerad mar- ſchieren, und ununterbrochen blitzſchnelle Handgriffe machen zu muͤſſen; und das alles auf Geheiß eines Offiziers, der mit einem furioſen Geſicht und auf- gehobnem Stock vor uns ſtuhnd, und alle Augen- blick wie unter Kabiskoͤpfe drein zu hauen drohete. Bey einem ſolchen Traktament mußte auch der ſtark- nervigſte Kerl halb lahm, und der geduldigſte raſend werden. Und kamen wir dann todmuͤde ins Quar- tier, ſo giengs ſchon wieder uͤber Hals und Kopf, unſre Waͤſche zurecht zu machen, und jedes Fleckgen auszumuſtern; denn bis auf den blauen Rock war unſre ganze Uniform weiß. Gewehr, Patrontaſche, Kuppel, jeder Knopf an der Montur, alles mußte ſpiegelblank geputzt ſeyn. Zeigte ſich an einem die- ſer Stuͤcke die geringſte Unthat, oder ſtand ein Haar in der Friſur nicht recht, ſo war, wenn er auf den Platz kam, die erſte Begruͤſſung eine derbe Tracht Pruͤgel. Das waͤhrte ſo den ganzen May und Ju- ni fort. Selbſt den Sonntag hatten wir nicht frey; denn da mußten wir auf das properſte Kirchenpara- de machen. Alſo blieben uns zu jenen Spaziergaͤn- gen nur wenige zerſtreute Stunden uͤbrig, und wir hatten kurz und gut zu nichts Zeit uͤbrig — als zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/148
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/148>, abgerufen am 04.05.2024.