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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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"Zeit, Ollrich"! erwiederte er: "Halt' dich nur
"brav! Wenn einmal die Exercitien vorbey sind,
"kannst du wohl was verdienen. Und wer weiß ---
"vielleicht gehts bald ins Feld, und dann "--- ---
Weiter sagte er nichts; ich merkte aber wohl, was
er damit wollte, und gieng vergnügt, als ob ich
mit meinem Vater geredet hätte, nach Haus. Nach
etlichen Tagen trug ich Flinte, Ballast, und die
sammtene Mütze wirklich zu ihm hin; er zahlte mir
etwas weniges dafür; aber von Markoni war ich
alles zufrieden. Bald darauf verkauft ich auch mei-
nen Tressenhut, den grünen Frack, u. s. f. u. f.
und ließ mir nichts mangeln, so lang ich was an-
zugreifen hatte. Schärer war eben so arm als
ich: Allein er bekam ein Paar Groschen Zulage, und
doppelte Portion Brodt; der Major hielt ein gut
Stück mehr auf ihm, als auf mir. Indessen waren
wir Herzensbrüder; so lang einer etwas zu brechen
hatte, konnte der andere mitbeissen. Bachmann
hingegen, der ebenfalls mit uns hauste, war ein
filziger Kerl, und harmonierte nie recht mit uns;
und doch schien immer die Stunde ein Tag lang,
wo wir nicht beysammen seyn konnten. G. mußten
wir in den H * * häusern suchen wenn wir ihn ha-
ben wollten; er kam bald hernach ins Lazareth. Ich
und Schärer waren auch darinn völlig gleichge-
sinnt, daß uns das Berliner-Weibsvolk eckelhaft
und abscheulich vorkam; und wollt' ich für ihn so
gut wie für mich einen Eid schwören, daß wir keine
mit einem Finger berührt. Sondern so bald das

Exer-

„Zeit, Ollrich„! erwiederte er: „Halt’ dich nur
„brav! Wenn einmal die Exercitien vorbey ſind,
„kannſt du wohl was verdienen. Und wer weiß ---
„vielleicht gehts bald ins Feld, und dann „--- ---
Weiter ſagte er nichts; ich merkte aber wohl, was
er damit wollte, und gieng vergnuͤgt, als ob ich
mit meinem Vater geredet haͤtte, nach Haus. Nach
etlichen Tagen trug ich Flinte, Ballaſt, und die
ſammtene Muͤtze wirklich zu ihm hin; er zahlte mir
etwas weniges dafuͤr; aber von Markoni war ich
alles zufrieden. Bald darauf verkauft ich auch mei-
nen Treſſenhut, den gruͤnen Frack, u. ſ. f. u. f.
und ließ mir nichts mangeln, ſo lang ich was an-
zugreifen hatte. Schärer war eben ſo arm als
ich: Allein er bekam ein Paar Groſchen Zulage, und
doppelte Portion Brodt; der Major hielt ein gut
Stuͤck mehr auf ihm, als auf mir. Indeſſen waren
wir Herzensbruͤder; ſo lang einer etwas zu brechen
hatte, konnte der andere mitbeiſſen. Bachmann
hingegen, der ebenfalls mit uns hauste, war ein
filziger Kerl, und harmonierte nie recht mit uns;
und doch ſchien immer die Stunde ein Tag lang,
wo wir nicht beyſammen ſeyn konnten. G. mußten
wir in den H * * haͤuſern ſuchen wenn wir ihn ha-
ben wollten; er kam bald hernach ins Lazareth. Ich
und Schärer waren auch darinn voͤllig gleichge-
ſinnt, daß uns das Berliner-Weibsvolk eckelhaft
und abſcheulich vorkam; und wollt’ ich fuͤr ihn ſo
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mit einem Finger beruͤhrt. Sondern ſo bald das

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[128/0144] „Zeit, Ollrich„! erwiederte er: „Halt’ dich nur „brav! Wenn einmal die Exercitien vorbey ſind, „kannſt du wohl was verdienen. Und wer weiß --- „vielleicht gehts bald ins Feld, und dann „--- --- Weiter ſagte er nichts; ich merkte aber wohl, was er damit wollte, und gieng vergnuͤgt, als ob ich mit meinem Vater geredet haͤtte, nach Haus. Nach etlichen Tagen trug ich Flinte, Ballaſt, und die ſammtene Muͤtze wirklich zu ihm hin; er zahlte mir etwas weniges dafuͤr; aber von Markoni war ich alles zufrieden. Bald darauf verkauft ich auch mei- nen Treſſenhut, den gruͤnen Frack, u. ſ. f. u. f. und ließ mir nichts mangeln, ſo lang ich was an- zugreifen hatte. Schärer war eben ſo arm als ich: Allein er bekam ein Paar Groſchen Zulage, und doppelte Portion Brodt; der Major hielt ein gut Stuͤck mehr auf ihm, als auf mir. Indeſſen waren wir Herzensbruͤder; ſo lang einer etwas zu brechen hatte, konnte der andere mitbeiſſen. Bachmann hingegen, der ebenfalls mit uns hauste, war ein filziger Kerl, und harmonierte nie recht mit uns; und doch ſchien immer die Stunde ein Tag lang, wo wir nicht beyſammen ſeyn konnten. G. mußten wir in den H * * haͤuſern ſuchen wenn wir ihn ha- ben wollten; er kam bald hernach ins Lazareth. Ich und Schärer waren auch darinn voͤllig gleichge- ſinnt, daß uns das Berliner-Weibsvolk eckelhaft und abſcheulich vorkam; und wollt’ ich fuͤr ihn ſo gut wie fuͤr mich einen Eid ſchwoͤren, daß wir keine mit einem Finger beruͤhrt. Sondern ſo bald das Exer-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/144>, abgerufen am 23.11.2024.