Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

[Gleich. 36] § 14. Stab. u. lab. Zustände.
verschiedene Zustände (Phasen der Substanz) möglich, die durch
die beiden Punkte E und C der Isotherme dargestellt werden,
welchen gleich grosse Ordinaten zukommen. Der durch den
Punkt E dargestellten Phase (der Phase E) entspricht ein
grösseres specifisches Volumen, also eine kleinere Dichte, der
Phase C dagegen entspricht eine grössere Dichte. Die erstere
Phase heisst der Dampf, die zweite die tropfbare Flüssigkeit.
Wenn die Isotherme einer Temperatur entspricht, die nur
wenig tiefer als die kritische ist, so liegen die beiden Punkte
C und E sehr nahe an einander, die Substanz hat also in den
beiden ihnen entsprechenden Zuständen nur wenig verschiedene
Eigenschaften. Tief unter der kritischen Temperatur dagegen
ist die tropfbar flüssige und dampfförmige Phase total ver-
schieden.

Sobald der Druck gleich D D1 ist, giebt es wieder zwei
Punkte D und F der Isotherme, von denen jeder eine Phase
darstellt, welche bei der gewählten Temperatur und dem ge-
wählten Drucke möglich ist. Liegt dagegen der Druck zwischen
E E1 und D D1, ist er z. B. gleich G G1, so haben wir sogar
drei Punkte der Isotherme G, H und J, denen dieser Druck
entspricht. Man überzeugt sich jedoch leicht, dass der dem
mittleren Punkte H entsprechende Zustand ein labiler ist.

Gesetzt, die Substanz befände sich in einem cylindrischen
Gefässe, welches mit einem leicht verschiebbaren Stempel ver-
schlossen ist und hätte anfangs den Zustand H, so dass also
im Falle des Gleichgewichts der Druck H H1 auf dem Stempel
lastet. Würde nun der Stempel ohne Aenderung des von
aussen auf ihn ausgeübten Druckes ein wenig hineingeschoben,
also das Volumen etwas verkleinert, während die Substanz von
so guten Wärmeleitern umgeben ist, dass ihre Temperatur
fortwährend constant gleich der der Umgebung bleibt, so würde,
wie der Verlauf der Isotherme in der Nähe des Punktes H
zeigt, der Druck der Substanz auf den Stempel abnehmen;
der Stempel würde sich also durch den Aussendruck noch
weiter hinein bewegen, bis das Volumen gleich O C1 geworden
ist. Da Analoges auch für eine unendlich kleine isotherme
Ausdehnung gilt, so würde die mindeste Bewegung des Stempels
bewirken, dass das Volumen in ein ganz anderes von dem ur-
sprünglichen um einen endlichen Betrag verschiedenes über-

3*

[Gleich. 36] § 14. Stab. u. lab. Zustände.
verschiedene Zustände (Phasen der Substanz) möglich, die durch
die beiden Punkte E und C der Isotherme dargestellt werden,
welchen gleich grosse Ordinaten zukommen. Der durch den
Punkt E dargestellten Phase (der Phase E) entspricht ein
grösseres specifisches Volumen, also eine kleinere Dichte, der
Phase C dagegen entspricht eine grössere Dichte. Die erstere
Phase heisst der Dampf, die zweite die tropfbare Flüssigkeit.
Wenn die Isotherme einer Temperatur entspricht, die nur
wenig tiefer als die kritische ist, so liegen die beiden Punkte
C und E sehr nahe an einander, die Substanz hat also in den
beiden ihnen entsprechenden Zuständen nur wenig verschiedene
Eigenschaften. Tief unter der kritischen Temperatur dagegen
ist die tropfbar flüssige und dampfförmige Phase total ver-
schieden.

Sobald der Druck gleich D D1 ist, giebt es wieder zwei
Punkte D und F der Isotherme, von denen jeder eine Phase
darstellt, welche bei der gewählten Temperatur und dem ge-
wählten Drucke möglich ist. Liegt dagegen der Druck zwischen
E E1 und D D1, ist er z. B. gleich G G1, so haben wir sogar
drei Punkte der Isotherme G, H und J, denen dieser Druck
entspricht. Man überzeugt sich jedoch leicht, dass der dem
mittleren Punkte H entsprechende Zustand ein labiler ist.

Gesetzt, die Substanz befände sich in einem cylindrischen
Gefässe, welches mit einem leicht verschiebbaren Stempel ver-
schlossen ist und hätte anfangs den Zustand H, so dass also
im Falle des Gleichgewichts der Druck H H1 auf dem Stempel
lastet. Würde nun der Stempel ohne Aenderung des von
aussen auf ihn ausgeübten Druckes ein wenig hineingeschoben,
also das Volumen etwas verkleinert, während die Substanz von
so guten Wärmeleitern umgeben ist, dass ihre Temperatur
fortwährend constant gleich der der Umgebung bleibt, so würde,
wie der Verlauf der Isotherme in der Nähe des Punktes H
zeigt, der Druck der Substanz auf den Stempel abnehmen;
der Stempel würde sich also durch den Aussendruck noch
weiter hinein bewegen, bis das Volumen gleich O C1 geworden
ist. Da Analoges auch für eine unendlich kleine isotherme
Ausdehnung gilt, so würde die mindeste Bewegung des Stempels
bewirken, dass das Volumen in ein ganz anderes von dem ur-
sprünglichen um einen endlichen Betrag verschiedenes über-

3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="35"/><fw place="top" type="header">[Gleich. 36] § 14. Stab. u. lab. Zustände.</fw><lb/>
verschiedene Zustände (Phasen der Substanz) möglich, die durch<lb/>
die beiden Punkte <hi rendition="#i">E</hi> und <hi rendition="#i">C</hi> der Isotherme dargestellt werden,<lb/>
welchen gleich grosse Ordinaten zukommen. Der durch den<lb/>
Punkt <hi rendition="#i">E</hi> dargestellten Phase (der Phase <hi rendition="#i">E</hi>) entspricht ein<lb/>
grösseres specifisches Volumen, also eine kleinere Dichte, der<lb/>
Phase <hi rendition="#i">C</hi> dagegen entspricht eine grössere Dichte. Die erstere<lb/>
Phase heisst der Dampf, die zweite die tropfbare Flüssigkeit.<lb/>
Wenn die Isotherme einer Temperatur entspricht, die nur<lb/>
wenig tiefer als die kritische ist, so liegen die beiden Punkte<lb/><hi rendition="#i">C</hi> und <hi rendition="#i">E</hi> sehr nahe an einander, die Substanz hat also in den<lb/>
beiden ihnen entsprechenden Zuständen nur wenig verschiedene<lb/>
Eigenschaften. Tief unter der kritischen Temperatur dagegen<lb/>
ist die tropfbar flüssige und dampfförmige Phase total ver-<lb/>
schieden.</p><lb/>
          <p>Sobald der Druck gleich <hi rendition="#i">D D</hi><hi rendition="#sub">1</hi> ist, giebt es wieder zwei<lb/>
Punkte <hi rendition="#i">D</hi> und <hi rendition="#i">F</hi> der Isotherme, von denen jeder eine Phase<lb/>
darstellt, welche bei der gewählten Temperatur und dem ge-<lb/>
wählten Drucke möglich ist. Liegt dagegen der Druck zwischen<lb/><hi rendition="#i">E E</hi><hi rendition="#sub">1</hi> und <hi rendition="#i">D D</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, ist er z. B. gleich <hi rendition="#i">G G</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, so haben wir sogar<lb/>
drei Punkte der Isotherme <hi rendition="#i">G, H</hi> und <hi rendition="#i">J</hi>, denen dieser Druck<lb/>
entspricht. Man überzeugt sich jedoch leicht, dass der dem<lb/>
mittleren Punkte <hi rendition="#i">H</hi> entsprechende Zustand ein labiler ist.</p><lb/>
          <p>Gesetzt, die Substanz befände sich in einem cylindrischen<lb/>
Gefässe, welches mit einem leicht verschiebbaren Stempel ver-<lb/>
schlossen ist und hätte anfangs den Zustand <hi rendition="#i">H</hi>, so dass also<lb/>
im Falle des Gleichgewichts der Druck <hi rendition="#i">H H</hi><hi rendition="#sub">1</hi> auf dem Stempel<lb/>
lastet. Würde nun der Stempel ohne Aenderung des von<lb/>
aussen auf ihn ausgeübten Druckes ein wenig hineingeschoben,<lb/>
also das Volumen etwas verkleinert, während die Substanz von<lb/>
so guten Wärmeleitern umgeben ist, dass ihre Temperatur<lb/>
fortwährend constant gleich der der Umgebung bleibt, so würde,<lb/>
wie der Verlauf der Isotherme in der Nähe des Punktes <hi rendition="#i">H</hi><lb/>
zeigt, der Druck der Substanz auf den Stempel abnehmen;<lb/>
der Stempel würde sich also durch den Aussendruck noch<lb/>
weiter hinein bewegen, bis das Volumen gleich <hi rendition="#i">O C</hi><hi rendition="#sub">1</hi> geworden<lb/>
ist. Da Analoges auch für eine unendlich kleine isotherme<lb/>
Ausdehnung gilt, so würde die mindeste Bewegung des Stempels<lb/>
bewirken, dass das Volumen in ein ganz anderes von dem ur-<lb/>
sprünglichen um einen endlichen Betrag verschiedenes über-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0053] [Gleich. 36] § 14. Stab. u. lab. Zustände. verschiedene Zustände (Phasen der Substanz) möglich, die durch die beiden Punkte E und C der Isotherme dargestellt werden, welchen gleich grosse Ordinaten zukommen. Der durch den Punkt E dargestellten Phase (der Phase E) entspricht ein grösseres specifisches Volumen, also eine kleinere Dichte, der Phase C dagegen entspricht eine grössere Dichte. Die erstere Phase heisst der Dampf, die zweite die tropfbare Flüssigkeit. Wenn die Isotherme einer Temperatur entspricht, die nur wenig tiefer als die kritische ist, so liegen die beiden Punkte C und E sehr nahe an einander, die Substanz hat also in den beiden ihnen entsprechenden Zuständen nur wenig verschiedene Eigenschaften. Tief unter der kritischen Temperatur dagegen ist die tropfbar flüssige und dampfförmige Phase total ver- schieden. Sobald der Druck gleich D D1 ist, giebt es wieder zwei Punkte D und F der Isotherme, von denen jeder eine Phase darstellt, welche bei der gewählten Temperatur und dem ge- wählten Drucke möglich ist. Liegt dagegen der Druck zwischen E E1 und D D1, ist er z. B. gleich G G1, so haben wir sogar drei Punkte der Isotherme G, H und J, denen dieser Druck entspricht. Man überzeugt sich jedoch leicht, dass der dem mittleren Punkte H entsprechende Zustand ein labiler ist. Gesetzt, die Substanz befände sich in einem cylindrischen Gefässe, welches mit einem leicht verschiebbaren Stempel ver- schlossen ist und hätte anfangs den Zustand H, so dass also im Falle des Gleichgewichts der Druck H H1 auf dem Stempel lastet. Würde nun der Stempel ohne Aenderung des von aussen auf ihn ausgeübten Druckes ein wenig hineingeschoben, also das Volumen etwas verkleinert, während die Substanz von so guten Wärmeleitern umgeben ist, dass ihre Temperatur fortwährend constant gleich der der Umgebung bleibt, so würde, wie der Verlauf der Isotherme in der Nähe des Punktes H zeigt, der Druck der Substanz auf den Stempel abnehmen; der Stempel würde sich also durch den Aussendruck noch weiter hinein bewegen, bis das Volumen gleich O C1 geworden ist. Da Analoges auch für eine unendlich kleine isotherme Ausdehnung gilt, so würde die mindeste Bewegung des Stempels bewirken, dass das Volumen in ein ganz anderes von dem ur- sprünglichen um einen endlichen Betrag verschiedenes über- 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/53
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/53>, abgerufen am 28.03.2024.