Zwischen den Mittelpunkten je zweier Moleküle der Sub- stanz wirke eine Anziehungskraft (die Waals'sche Cohäsions- kraft), welche zwar auch in Entfernungen, die von der Grössen- ordnung der der Beobachtung zugänglichen sind, verschwindet, aber doch mit wachsender Entfernung so langsam abnimmt, dass sie selbst innerhalb Distanzen, die gross gegenüber der durch- schnittlichen Entfernung zweier Nachbarmoleküle der Substanz sind, noch nahezu als constant betrachtet werden kann. Die Folge davon ist, dass die auf jedes im Innern des Gefässes befindliche Molekül von den umgebenden Molekülen ausgeübten Waals'schen Cohäsionskräfte sehr nahe nach allen möglichen Richtungen im Raume gleichmässig wirken und sich daher auf- heben, so dass die Bewegung der einzelnen Moleküle wie die gewöhnlicher Gasmoleküle erfolgt und durch die Waals'sche Cohäsionskraft nicht erheblich modificirt wird. Obwohl daher die letztere aus dem Rahmen der im 1. Theile von uns betrachteten Kräfte heraustritt, so kann doch die Bewegung der Moleküle genau nach den dort aufgestellten Principien berechnet werden.
Nur auf die Moleküle, die der Grenze der Substanz sehr nahe sind, wirkt die Waals'sche Cohäsionskraft vorwiegend nach innen. Diese Moleküle werden daher durch zweierlei Kräfte zur Umkehr gezwungen. Erstens durch den Gegendruck der Wand auf das Gas, zweitens durch die Waals'sche Cohäsionskraft. Die Intensität, mit welcher die erstere Kraft auf die der Flächeneinheit anliegenden Moleküle wirkt, heisse p, die der letzteren pi, so dass die der Flächeneinheit der Begrenzungsfläche der Substanz anliegenden Moleküle durch die Gesammtkraft 1)
[Formel 1]
zur Umkehr gezwungen werden.
Es sei nun ein Theil D E der Gefässwand vom Flächen- inhalte O eben. Die Gesammtkraft
[Formel 2]
, welche im Gleichgewichtszustande auf die in der Zeiteinheit die Fläche D E treffenden Moleküle wirkt und dieselben zur Umkehr zwingt, ist nach § 1 des I. Theiles gleich dem ge- sammten in der Richtung der Normalen N zur Fläche D E geschätzten Bewegungsmomente, welches die Moleküle in der Zeiteinheit durch diese Fläche tragen würden, wenn sich die-
[Gleich. 1] § 2. Aeusserer und innerer Druck.
Zwischen den Mittelpunkten je zweier Moleküle der Sub- stanz wirke eine Anziehungskraft (die Waals’sche Cohäsions- kraft), welche zwar auch in Entfernungen, die von der Grössen- ordnung der der Beobachtung zugänglichen sind, verschwindet, aber doch mit wachsender Entfernung so langsam abnimmt, dass sie selbst innerhalb Distanzen, die gross gegenüber der durch- schnittlichen Entfernung zweier Nachbarmoleküle der Substanz sind, noch nahezu als constant betrachtet werden kann. Die Folge davon ist, dass die auf jedes im Innern des Gefässes befindliche Molekül von den umgebenden Molekülen ausgeübten Waals’schen Cohäsionskräfte sehr nahe nach allen möglichen Richtungen im Raume gleichmässig wirken und sich daher auf- heben, so dass die Bewegung der einzelnen Moleküle wie die gewöhnlicher Gasmoleküle erfolgt und durch die Waals’sche Cohäsionskraft nicht erheblich modificirt wird. Obwohl daher die letztere aus dem Rahmen der im 1. Theile von uns betrachteten Kräfte heraustritt, so kann doch die Bewegung der Moleküle genau nach den dort aufgestellten Principien berechnet werden.
Nur auf die Moleküle, die der Grenze der Substanz sehr nahe sind, wirkt die Waals’sche Cohäsionskraft vorwiegend nach innen. Diese Moleküle werden daher durch zweierlei Kräfte zur Umkehr gezwungen. Erstens durch den Gegendruck der Wand auf das Gas, zweitens durch die Waals’sche Cohäsionskraft. Die Intensität, mit welcher die erstere Kraft auf die der Flächeneinheit anliegenden Moleküle wirkt, heisse p, die der letzteren pi, so dass die der Flächeneinheit der Begrenzungsfläche der Substanz anliegenden Moleküle durch die Gesammtkraft 1)
[Formel 1]
zur Umkehr gezwungen werden.
Es sei nun ein Theil D E der Gefässwand vom Flächen- inhalte Ω eben. Die Gesammtkraft
[Formel 2]
, welche im Gleichgewichtszustande auf die in der Zeiteinheit die Fläche D E treffenden Moleküle wirkt und dieselben zur Umkehr zwingt, ist nach § 1 des I. Theiles gleich dem ge- sammten in der Richtung der Normalen N zur Fläche D E geschätzten Bewegungsmomente, welches die Moleküle in der Zeiteinheit durch diese Fläche tragen würden, wenn sich die-
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[Gleich. 1] § 2. Aeusserer und innerer Druck.
Zwischen den Mittelpunkten je zweier Moleküle der Sub-
stanz wirke eine Anziehungskraft (die Waals’sche Cohäsions-
kraft), welche zwar auch in Entfernungen, die von der Grössen-
ordnung der der Beobachtung zugänglichen sind, verschwindet,
aber doch mit wachsender Entfernung so langsam abnimmt, dass
sie selbst innerhalb Distanzen, die gross gegenüber der durch-
schnittlichen Entfernung zweier Nachbarmoleküle der Substanz
sind, noch nahezu als constant betrachtet werden kann. Die
Folge davon ist, dass die auf jedes im Innern des Gefässes
befindliche Molekül von den umgebenden Molekülen ausgeübten
Waals’schen Cohäsionskräfte sehr nahe nach allen möglichen
Richtungen im Raume gleichmässig wirken und sich daher auf-
heben, so dass die Bewegung der einzelnen Moleküle wie die
gewöhnlicher Gasmoleküle erfolgt und durch die Waals’sche
Cohäsionskraft nicht erheblich modificirt wird. Obwohl daher die
letztere aus dem Rahmen der im 1. Theile von uns betrachteten
Kräfte heraustritt, so kann doch die Bewegung der Moleküle
genau nach den dort aufgestellten Principien berechnet werden.
Nur auf die Moleküle, die der Grenze der Substanz sehr
nahe sind, wirkt die Waals’sche Cohäsionskraft vorwiegend nach
innen. Diese Moleküle werden daher durch zweierlei Kräfte zur
Umkehr gezwungen. Erstens durch den Gegendruck der Wand
auf das Gas, zweitens durch die Waals’sche Cohäsionskraft.
Die Intensität, mit welcher die erstere Kraft auf die der
Flächeneinheit anliegenden Moleküle wirkt, heisse p, die der
letzteren pi, so dass die der Flächeneinheit der Begrenzungsfläche
der Substanz anliegenden Moleküle durch die Gesammtkraft
1) [FORMEL]
zur Umkehr gezwungen werden.
Es sei nun ein Theil D E der Gefässwand vom Flächen-
inhalte Ω eben. Die Gesammtkraft
[FORMEL],
welche im Gleichgewichtszustande auf die in der Zeiteinheit
die Fläche D E treffenden Moleküle wirkt und dieselben zur
Umkehr zwingt, ist nach § 1 des I. Theiles gleich dem ge-
sammten in der Richtung der Normalen N zur Fläche D E
geschätzten Bewegungsmomente, welches die Moleküle in der
Zeiteinheit durch diese Fläche tragen würden, wenn sich die-
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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/23>, abgerufen am 16.07.2024.
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