Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.IV. Abschnitt. [Gleich. 127] muss auch zu allen späteren Zeiten der Wahrheit entsprechen;denn unserer Voraussetzung gemäss bewegt sich jedes Molekül von der Stelle, wo es zum letzten Male mit einem anderen in Wechselwirkung war, bis zu der, wo es zum nächsten Male wieder mit einem Moleküle in Wechselwirkung tritt, zwischen sehr vielen anderen Molekülen vorbei und es ist daher der Zustand des Gases an der letzteren Stelle vollkommen unab- hängig von dem an der ersteren und nur durch die Wahr- scheinlichkeitsgesetze bestimmt. Natürlich ist aber zu bedenken, dass es eben Wahrscheinlichkeitsgesetze sind. Die Möglichkeit der Abweichung von denselben kommt praktisch nicht in Be- tracht; doch ist ihre Wahrscheinlichkeit im Falle, dass die Zahl der Moleküle eine endliche ist, wenn auch unvorstellbar klein, so doch nicht Null; ja sie kann sogar in jedem bestimmt gegebenen Falle nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen numerisch berechnet werden und verschwindet nur für den Grenzfall einer unendlichen Zahl der Moleküle. § 41. Verallgemeinerungen. Wir haben uns noch durch die Annahme eine Beschränkung IV. Abschnitt. [Gleich. 127] muss auch zu allen späteren Zeiten der Wahrheit entsprechen;denn unserer Voraussetzung gemäss bewegt sich jedes Molekül von der Stelle, wo es zum letzten Male mit einem anderen in Wechselwirkung war, bis zu der, wo es zum nächsten Male wieder mit einem Moleküle in Wechselwirkung tritt, zwischen sehr vielen anderen Molekülen vorbei und es ist daher der Zustand des Gases an der letzteren Stelle vollkommen unab- hängig von dem an der ersteren und nur durch die Wahr- scheinlichkeitsgesetze bestimmt. Natürlich ist aber zu bedenken, dass es eben Wahrscheinlichkeitsgesetze sind. Die Möglichkeit der Abweichung von denselben kommt praktisch nicht in Be- tracht; doch ist ihre Wahrscheinlichkeit im Falle, dass die Zahl der Moleküle eine endliche ist, wenn auch unvorstellbar klein, so doch nicht Null; ja sie kann sogar in jedem bestimmt gegebenen Falle nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen numerisch berechnet werden und verschwindet nur für den Grenzfall einer unendlichen Zahl der Moleküle. § 41. Verallgemeinerungen. Wir haben uns noch durch die Annahme eine Beschränkung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="120"/><fw place="top" type="header">IV. Abschnitt. [Gleich. 127]</fw><lb/> muss auch zu allen späteren Zeiten der Wahrheit entsprechen;<lb/> denn unserer Voraussetzung gemäss bewegt sich jedes Molekül<lb/> von der Stelle, wo es zum letzten Male mit einem anderen in<lb/> Wechselwirkung war, bis zu der, wo es zum nächsten Male<lb/> wieder mit einem Moleküle in Wechselwirkung tritt, zwischen<lb/> sehr vielen anderen Molekülen vorbei und es ist daher der<lb/> Zustand des Gases an der letzteren Stelle vollkommen unab-<lb/> hängig von dem an der ersteren und nur durch die Wahr-<lb/> scheinlichkeitsgesetze bestimmt. Natürlich ist aber zu bedenken,<lb/> dass es eben Wahrscheinlichkeitsgesetze sind. Die Möglichkeit<lb/> der Abweichung von denselben kommt praktisch nicht in Be-<lb/> tracht; doch ist ihre Wahrscheinlichkeit im Falle, dass die<lb/> Zahl der Moleküle eine endliche ist, wenn auch unvorstellbar<lb/> klein, so doch nicht Null; ja sie kann sogar in jedem bestimmt<lb/> gegebenen Falle nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen numerisch<lb/> berechnet werden und verschwindet nur für den Grenzfall einer<lb/> unendlichen Zahl der Moleküle.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§ 41. <hi rendition="#g">Verallgemeinerungen</hi>.</head><lb/> <p>Wir haben uns noch durch die Annahme eine Beschränkung<lb/> auferlegt, dass die Fälle, wo mehr als zwei Moleküle in<lb/> Wechselwirkung begriffen sind, keine Rolle spielen. Man sieht<lb/> aber ein, dass diese Beschränkung nur zur Vereinfachung des<lb/> Beweises gemacht wurde, dessen Richtigkeit von ihr vollkommen<lb/> unabhängig ist. Ganz ebenso, wie wir die Wahrscheinlichkeit<lb/> des Vorkommens gewisser Molekülpaare discutirt haben, könnten<lb/> wir ja auch die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Gruppen<lb/> von drei und mehr Molekülen der Rechnung unterziehen und es<lb/> würde sich ergeben, dass auch durch eine etwaige Wechsel-<lb/> wirkung dreier und mehrerer Moleküle der Satz nicht gestört<lb/> wird, dass die durch eine der Formel 123) analoge Formel dar-<lb/> gestellte Zustandsvertheilung eine stationäre ist. Auch der bisher<lb/> nicht besprochene Einfluss der Wände kann den stationären<lb/> Charakter dieser Zustandsvertheilung nicht stören, falls die Mole-<lb/> küle von ihnen gerade so zurückkehren, als ob jenseits gleich<lb/> beschaffenes Gas wäre. Jede andere Beschaffenheit der Wände<lb/> würde natürlich neue Rechnungen erfordern. Doch ist ersicht-<lb/> lich, dass auch dann bei genügender Grösse der Gefässe sich<lb/> deren Einfluss nicht weit ins Innere erstrecken würde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0138]
IV. Abschnitt. [Gleich. 127]
muss auch zu allen späteren Zeiten der Wahrheit entsprechen;
denn unserer Voraussetzung gemäss bewegt sich jedes Molekül
von der Stelle, wo es zum letzten Male mit einem anderen in
Wechselwirkung war, bis zu der, wo es zum nächsten Male
wieder mit einem Moleküle in Wechselwirkung tritt, zwischen
sehr vielen anderen Molekülen vorbei und es ist daher der
Zustand des Gases an der letzteren Stelle vollkommen unab-
hängig von dem an der ersteren und nur durch die Wahr-
scheinlichkeitsgesetze bestimmt. Natürlich ist aber zu bedenken,
dass es eben Wahrscheinlichkeitsgesetze sind. Die Möglichkeit
der Abweichung von denselben kommt praktisch nicht in Be-
tracht; doch ist ihre Wahrscheinlichkeit im Falle, dass die
Zahl der Moleküle eine endliche ist, wenn auch unvorstellbar
klein, so doch nicht Null; ja sie kann sogar in jedem bestimmt
gegebenen Falle nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen numerisch
berechnet werden und verschwindet nur für den Grenzfall einer
unendlichen Zahl der Moleküle.
§ 41. Verallgemeinerungen.
Wir haben uns noch durch die Annahme eine Beschränkung
auferlegt, dass die Fälle, wo mehr als zwei Moleküle in
Wechselwirkung begriffen sind, keine Rolle spielen. Man sieht
aber ein, dass diese Beschränkung nur zur Vereinfachung des
Beweises gemacht wurde, dessen Richtigkeit von ihr vollkommen
unabhängig ist. Ganz ebenso, wie wir die Wahrscheinlichkeit
des Vorkommens gewisser Molekülpaare discutirt haben, könnten
wir ja auch die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Gruppen
von drei und mehr Molekülen der Rechnung unterziehen und es
würde sich ergeben, dass auch durch eine etwaige Wechsel-
wirkung dreier und mehrerer Moleküle der Satz nicht gestört
wird, dass die durch eine der Formel 123) analoge Formel dar-
gestellte Zustandsvertheilung eine stationäre ist. Auch der bisher
nicht besprochene Einfluss der Wände kann den stationären
Charakter dieser Zustandsvertheilung nicht stören, falls die Mole-
küle von ihnen gerade so zurückkehren, als ob jenseits gleich
beschaffenes Gas wäre. Jede andere Beschaffenheit der Wände
würde natürlich neue Rechnungen erfordern. Doch ist ersicht-
lich, dass auch dann bei genügender Grösse der Gefässe sich
deren Einfluss nicht weit ins Innere erstrecken würde.
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