Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.I. Abschnitt. [Gleich. 52] § 8. Specifische Wärme. Physikalische Bedeutung der Grösse H. Wir denken uns nun ein einfaches Gas von beliebigem Wir haben bewiesen, dass, wenn das Volumen eines Gases I. Abschnitt. [Gleich. 52] § 8. Specifische Wärme. Physikalische Bedeutung der Grösse H. Wir denken uns nun ein einfaches Gas von beliebigem Wir haben bewiesen, dass, wenn das Volumen eines Gases <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0068" n="54"/> <fw place="top" type="header">I. Abschnitt. [Gleich. 52]</fw><lb/> <div n="2"> <head>§ 8. <hi rendition="#g">Specifische Wärme. Physikalische Bedeutung<lb/> der Grösse</hi> <hi rendition="#i">H</hi>.</head><lb/> <p>Wir denken uns nun ein einfaches Gas von beliebigem<lb/> Volumen <hi rendition="#i">Ω</hi>. Wir führen demselben die Wärmemenge <hi rendition="#i">d Q</hi> (im<lb/> Arbeitsmaasse gemessen) zu, wodurch seine Temperatur um <hi rendition="#i">d T</hi>,<lb/> das Volumen um <hi rendition="#i">d Ω</hi> wachsen soll. Wir setzen <hi rendition="#i">d Q</hi> = <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">1</hi> + <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">4</hi>,<lb/> wobei <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">1</hi> die auf Erhöhung der Molekularenergie verwen-<lb/> dete, <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">4</hi> aber die auf äussere Arbeitsleistung verwendete<lb/> Wärme darstellt. Wenn die Gasmoleküle vollkommen glatte<lb/> Kugeln sind, so treten beim Stosse keine Kräfte auf, welche<lb/> drehend auf dieselben wirken. Wir nehmen an, dass solche<lb/> Kräfte überhaupt nicht existiren. Dann würde, wenn die<lb/> Moleküle etwa eine drehende Bewegung hätten, diese bei Zu-<lb/> fuhr der Wärmemenge <hi rendition="#i">d Q</hi> jedenfalls nicht verändert werden<lb/> können. Es würde also die gesammte Wärmemenge <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">1</hi> auf<lb/> Erhöhung der lebendigen Kraft verwendet werden müssen, mit<lb/> welcher die Moleküle herumfliegen, und welche wir als die<lb/> lebendige Kraft der progressiven Bewegung derselben bezeich-<lb/> nen. Wir haben diesen Fall bisher allein betrachtet; um aber<lb/> nicht später dieselben Rechnungen wiederholen zu müssen, wollen<lb/> wir die nun folgenden Rechnungen für den allgemeineren Fall<lb/> durchführen, dass die Moleküle andere Gestalt haben, oder aus<lb/> mehreren, gegeneinander bewegten Theilen, den Atomen, bestehen.<lb/> Dann ist ausser der progressiven Bewegung derselben noch eine<lb/> andere, die intramolekulare, und eine Arbeitsleistung gegen die die<lb/> Atome zusammenhaltenden Kräfte, die intramolekulare Arbeit,<lb/> denkbar. In diesem Falle setzen wir <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">1</hi> = <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">2</hi> + <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">3</hi> und<lb/> bezeichnen mit <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">2</hi> die Wärme, welche auf Erhöhung der<lb/> lebendigen Kraft der progressiven Bewegung, mit <hi rendition="#i">d Q</hi><hi rendition="#sub">3</hi> aber<lb/> die Wärme, welche auf Erhöhung der lebendigen Kraft der<lb/> intramolekularen Bewegung und auf intramolekulare Arbeits-<lb/> leistung verwendet wird. Unter lebendiger Kraft der progressiven<lb/> Bewegung eines Moleküls ist immer die lebendige Kraft der<lb/> in seinem Schwerpunkte concentrirt gedachten Gesammtmasse<lb/> des Moleküls zu verstehen.</p><lb/> <p>Wir haben bewiesen, dass, wenn das Volumen eines Gases<lb/> bei constanter Temperatur vergrössert wird, die lebendige Kraft<lb/> der progressiven Bewegung und auch das Vertheilungsgesetz<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0068]
I. Abschnitt. [Gleich. 52]
§ 8. Specifische Wärme. Physikalische Bedeutung
der Grösse H.
Wir denken uns nun ein einfaches Gas von beliebigem
Volumen Ω. Wir führen demselben die Wärmemenge d Q (im
Arbeitsmaasse gemessen) zu, wodurch seine Temperatur um d T,
das Volumen um d Ω wachsen soll. Wir setzen d Q = d Q1 + d Q4,
wobei d Q1 die auf Erhöhung der Molekularenergie verwen-
dete, d Q4 aber die auf äussere Arbeitsleistung verwendete
Wärme darstellt. Wenn die Gasmoleküle vollkommen glatte
Kugeln sind, so treten beim Stosse keine Kräfte auf, welche
drehend auf dieselben wirken. Wir nehmen an, dass solche
Kräfte überhaupt nicht existiren. Dann würde, wenn die
Moleküle etwa eine drehende Bewegung hätten, diese bei Zu-
fuhr der Wärmemenge d Q jedenfalls nicht verändert werden
können. Es würde also die gesammte Wärmemenge d Q1 auf
Erhöhung der lebendigen Kraft verwendet werden müssen, mit
welcher die Moleküle herumfliegen, und welche wir als die
lebendige Kraft der progressiven Bewegung derselben bezeich-
nen. Wir haben diesen Fall bisher allein betrachtet; um aber
nicht später dieselben Rechnungen wiederholen zu müssen, wollen
wir die nun folgenden Rechnungen für den allgemeineren Fall
durchführen, dass die Moleküle andere Gestalt haben, oder aus
mehreren, gegeneinander bewegten Theilen, den Atomen, bestehen.
Dann ist ausser der progressiven Bewegung derselben noch eine
andere, die intramolekulare, und eine Arbeitsleistung gegen die die
Atome zusammenhaltenden Kräfte, die intramolekulare Arbeit,
denkbar. In diesem Falle setzen wir d Q1 = d Q2 + d Q3 und
bezeichnen mit d Q2 die Wärme, welche auf Erhöhung der
lebendigen Kraft der progressiven Bewegung, mit d Q3 aber
die Wärme, welche auf Erhöhung der lebendigen Kraft der
intramolekularen Bewegung und auf intramolekulare Arbeits-
leistung verwendet wird. Unter lebendiger Kraft der progressiven
Bewegung eines Moleküls ist immer die lebendige Kraft der
in seinem Schwerpunkte concentrirt gedachten Gesammtmasse
des Moleküls zu verstehen.
Wir haben bewiesen, dass, wenn das Volumen eines Gases
bei constanter Temperatur vergrössert wird, die lebendige Kraft
der progressiven Bewegung und auch das Vertheilungsgesetz
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