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Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9).

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gerichten zuzulassen. Aus der Begründung zu dieser Petition möchte ich
nur folgendes hervorheben: "Die Lehrerin ist ebenso wie der Lehrer mit
der Lebens-, Anschauungs- und Ausdrucksweise der Volksschichten, denen
die jugendlichen Angeklagten meist entstammen, vertraut. Auch sie ist wie
ihr männlicher Berufsgenosse durch pädagogische Schulung besser als der
Laie befähigt, die Kindesseele zu verstehen und zu beurteilen. Für das
Verständnis des weiblichen Seelenlebens ist ihr Urteil aber
durch kein männliches zu ersetzen
. Vielfach ist sie bereits durch ihre
Beteiligung an der kommunalen Jugendwohlfahrtspflege für das Schöffen-
amt fast systematisch vorgebildet. Sie ist daher zum Schöffenamte nicht
minder geeignet als der Volksschullehrer. Da sie im Lehrberufe als
gleichwertige Arbeitskraft neben dem Lehrer steht, so sollte sie auch an
den Rechten, die mit dem Amtscharakter des Lehrers verknüpft sind, ohne
Einschränkung teilnehmen dürfen". Soweit die Begründung der Petition.
Während meiner langjährigen Tätigkeit auf dem Lande bin ich sehr
häufig gezwungen gewesen, als Zeuge Gerichtsverhandlungen, in denen
über jugendliche Verirrungen abgeurteilt wurde, beizuwohnen, und ich bin
manchmal geradezu entsetzt gewesen über das, was man in die Kinder
hineingefragt hat. Da gehen einem die Augen auf über die Notwendig-
keit weiblicher Geschworenen bei den Jugendgerichtshöfen. Der deutsche
Reichstag freilich scheint kein Verständnis für den Wert des mütterlichen
Elements bei der Zusammensetzung des Laiengerichts zu haben. Die Be-
rechtigung des Lehrers als Schöffe beim Jugendgericht ist anerkannt
worden. Die Lehrerinnen hat man einfach übergangen.
Staatsbürgerliche Rechte gibt es für sie nicht.

Ebensowenig scheint man im preußischen Staate eine weibliche Jugend zu
kennen. Liest man als Lehrerin in der preußischen Thronrede des Herrn
von Bethmann-Hollweg vom Jahre 1910 den Passus, der von der Aus-
bildung der Jugend und der weiteren Ausgestaltung des Fortbildungs-
schulwesens handelt, so ist man geradezu empört. Für Veranstaltungen zur
Förderung der schulentlassenen männlichen Jugend hat die Königl.
Staatsregierung einen Fonds von einer Million in den Etat eingestellt,
und es heißt wörtlich in der Vorlage: "Bezüglich der Verwendung ist zu
beachten, daß der erwähnte Betrag nur für die Förderung der Pflege der
schulentlassenen männlichen Jugend bestimmt ist. Für die schulentlassene
weibliche Jugend dürfen Mittel daraus nicht verwendet werden, es können
aber die für die männliche Jugend aus diesem Fonds unterstützte Ein-
richtungen auch für die weibliche mitbenutzt werden, soweit dies ohne
staatliche Beihilfen möglich ist. Soweit ausnahmsweise besondere für die
weibliche Jugend bestimmte Einrichtungen unterstützt werden sollen, sind
die im Einzelfalle unvermeidlichen staatlichen Beihilfen bei mir zu bean-
tragen. Handelt es sich um die Gewährung staatlicher Mittel für die

gerichten zuzulassen. Aus der Begründung zu dieser Petition möchte ich
nur folgendes hervorheben: „Die Lehrerin ist ebenso wie der Lehrer mit
der Lebens-, Anschauungs- und Ausdrucksweise der Volksschichten, denen
die jugendlichen Angeklagten meist entstammen, vertraut. Auch sie ist wie
ihr männlicher Berufsgenosse durch pädagogische Schulung besser als der
Laie befähigt, die Kindesseele zu verstehen und zu beurteilen. Für das
Verständnis des weiblichen Seelenlebens ist ihr Urteil aber
durch kein männliches zu ersetzen
. Vielfach ist sie bereits durch ihre
Beteiligung an der kommunalen Jugendwohlfahrtspflege für das Schöffen-
amt fast systematisch vorgebildet. Sie ist daher zum Schöffenamte nicht
minder geeignet als der Volksschullehrer. Da sie im Lehrberufe als
gleichwertige Arbeitskraft neben dem Lehrer steht, so sollte sie auch an
den Rechten, die mit dem Amtscharakter des Lehrers verknüpft sind, ohne
Einschränkung teilnehmen dürfen“. Soweit die Begründung der Petition.
Während meiner langjährigen Tätigkeit auf dem Lande bin ich sehr
häufig gezwungen gewesen, als Zeuge Gerichtsverhandlungen, in denen
über jugendliche Verirrungen abgeurteilt wurde, beizuwohnen, und ich bin
manchmal geradezu entsetzt gewesen über das, was man in die Kinder
hineingefragt hat. Da gehen einem die Augen auf über die Notwendig-
keit weiblicher Geschworenen bei den Jugendgerichtshöfen. Der deutsche
Reichstag freilich scheint kein Verständnis für den Wert des mütterlichen
Elements bei der Zusammensetzung des Laiengerichts zu haben. Die Be-
rechtigung des Lehrers als Schöffe beim Jugendgericht ist anerkannt
worden. Die Lehrerinnen hat man einfach übergangen.
Staatsbürgerliche Rechte gibt es für sie nicht.

Ebensowenig scheint man im preußischen Staate eine weibliche Jugend zu
kennen. Liest man als Lehrerin in der preußischen Thronrede des Herrn
von Bethmann-Hollweg vom Jahre 1910 den Passus, der von der Aus-
bildung der Jugend und der weiteren Ausgestaltung des Fortbildungs-
schulwesens handelt, so ist man geradezu empört. Für Veranstaltungen zur
Förderung der schulentlassenen männlichen Jugend hat die Königl.
Staatsregierung einen Fonds von einer Million in den Etat eingestellt,
und es heißt wörtlich in der Vorlage: „Bezüglich der Verwendung ist zu
beachten, daß der erwähnte Betrag nur für die Förderung der Pflege der
schulentlassenen männlichen Jugend bestimmt ist. Für die schulentlassene
weibliche Jugend dürfen Mittel daraus nicht verwendet werden, es können
aber die für die männliche Jugend aus diesem Fonds unterstützte Ein-
richtungen auch für die weibliche mitbenutzt werden, soweit dies ohne
staatliche Beihilfen möglich ist. Soweit ausnahmsweise besondere für die
weibliche Jugend bestimmte Einrichtungen unterstützt werden sollen, sind
die im Einzelfalle unvermeidlichen staatlichen Beihilfen bei mir zu bean-
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[5/0008] gerichten zuzulassen. Aus der Begründung zu dieser Petition möchte ich nur folgendes hervorheben: „Die Lehrerin ist ebenso wie der Lehrer mit der Lebens-, Anschauungs- und Ausdrucksweise der Volksschichten, denen die jugendlichen Angeklagten meist entstammen, vertraut. Auch sie ist wie ihr männlicher Berufsgenosse durch pädagogische Schulung besser als der Laie befähigt, die Kindesseele zu verstehen und zu beurteilen. Für das Verständnis des weiblichen Seelenlebens ist ihr Urteil aber durch kein männliches zu ersetzen. Vielfach ist sie bereits durch ihre Beteiligung an der kommunalen Jugendwohlfahrtspflege für das Schöffen- amt fast systematisch vorgebildet. Sie ist daher zum Schöffenamte nicht minder geeignet als der Volksschullehrer. Da sie im Lehrberufe als gleichwertige Arbeitskraft neben dem Lehrer steht, so sollte sie auch an den Rechten, die mit dem Amtscharakter des Lehrers verknüpft sind, ohne Einschränkung teilnehmen dürfen“. Soweit die Begründung der Petition. Während meiner langjährigen Tätigkeit auf dem Lande bin ich sehr häufig gezwungen gewesen, als Zeuge Gerichtsverhandlungen, in denen über jugendliche Verirrungen abgeurteilt wurde, beizuwohnen, und ich bin manchmal geradezu entsetzt gewesen über das, was man in die Kinder hineingefragt hat. Da gehen einem die Augen auf über die Notwendig- keit weiblicher Geschworenen bei den Jugendgerichtshöfen. Der deutsche Reichstag freilich scheint kein Verständnis für den Wert des mütterlichen Elements bei der Zusammensetzung des Laiengerichts zu haben. Die Be- rechtigung des Lehrers als Schöffe beim Jugendgericht ist anerkannt worden. Die Lehrerinnen hat man einfach übergangen. Staatsbürgerliche Rechte gibt es für sie nicht. Ebensowenig scheint man im preußischen Staate eine weibliche Jugend zu kennen. Liest man als Lehrerin in der preußischen Thronrede des Herrn von Bethmann-Hollweg vom Jahre 1910 den Passus, der von der Aus- bildung der Jugend und der weiteren Ausgestaltung des Fortbildungs- schulwesens handelt, so ist man geradezu empört. Für Veranstaltungen zur Förderung der schulentlassenen männlichen Jugend hat die Königl. Staatsregierung einen Fonds von einer Million in den Etat eingestellt, und es heißt wörtlich in der Vorlage: „Bezüglich der Verwendung ist zu beachten, daß der erwähnte Betrag nur für die Förderung der Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend bestimmt ist. Für die schulentlassene weibliche Jugend dürfen Mittel daraus nicht verwendet werden, es können aber die für die männliche Jugend aus diesem Fonds unterstützte Ein- richtungen auch für die weibliche mitbenutzt werden, soweit dies ohne staatliche Beihilfen möglich ist. Soweit ausnahmsweise besondere für die weibliche Jugend bestimmte Einrichtungen unterstützt werden sollen, sind die im Einzelfalle unvermeidlichen staatlichen Beihilfen bei mir zu bean- tragen. Handelt es sich um die Gewährung staatlicher Mittel für die

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Zitationshilfe: Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9), S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911/8>, abgerufen am 24.11.2024.