Baiern hat die Stadt Würzburg, durch Verpflanzung mehrerer Aemter, durch Entfernung der berühmte¬ sten Universitätslehrer zu Grunde gerichtet. Die Garnison, der heilige Bischof, die allerheiligsten Edelleute verlassen die kleine gewerblose Stadt Frei¬ burg, um die Bürger zu züchtigen, daß sie Rotteck zum Bürgermeister gewählt. Der König von Wür¬ temberg, aus Unzufriedenheit, daß die Bevölkerung der Hauptstadt sich so freisinnig zeigt, will mit sei¬ nem Hofe und mit seiner Leibgarde nach Ludwigsburg ziehen. Der Magistrat von Stuttgart um das große Unheil von dem Wohlstande der Gemeinde abzuwen¬ den, haben dem Könige einige von der Bürgerschaft unterzeichnete Adresse überreicht, worin diese den Kö¬ nig bittet nicht von Stuttgart wegzuziehen.
So liegen jetzt alle Deutschen an einer gemein¬ schaftlichen Kette, und sie haben doch wenigstens eine Galeere zum Vaterlande. In Baiern soll es nicht mehr zu ertragen sein. Ich habe heute drei ange¬ sehene und reiche Gutsbesitzer aus Rheinbaiern ge¬ sprochen, die nach Amerika reisen, um für eine große Menge ihrer Landsleute eine Niederlassung auszu¬ mitteln. In Rheinbaiern, erzählen sie, steige die Tyrannei täglich, und sie wollten sich retten, wäh¬ rend ihnen noch Kraft zur Rettung bliebe. Das sind
Baiern hat die Stadt Würzburg, durch Verpflanzung mehrerer Aemter, durch Entfernung der berühmte¬ ſten Univerſitätslehrer zu Grunde gerichtet. Die Garniſon, der heilige Biſchof, die allerheiligſten Edelleute verlaſſen die kleine gewerbloſe Stadt Frei¬ burg, um die Bürger zu züchtigen, daß ſie Rotteck zum Bürgermeiſter gewählt. Der König von Wür¬ temberg, aus Unzufriedenheit, daß die Bevölkerung der Hauptſtadt ſich ſo freiſinnig zeigt, will mit ſei¬ nem Hofe und mit ſeiner Leibgarde nach Ludwigsburg ziehen. Der Magiſtrat von Stuttgart um das große Unheil von dem Wohlſtande der Gemeinde abzuwen¬ den, haben dem Könige einige von der Bürgerſchaft unterzeichnete Adreſſe überreicht, worin dieſe den Kö¬ nig bittet nicht von Stuttgart wegzuziehen.
So liegen jetzt alle Deutſchen an einer gemein¬ ſchaftlichen Kette, und ſie haben doch wenigſtens eine Galeere zum Vaterlande. In Baiern ſoll es nicht mehr zu ertragen ſein. Ich habe heute drei ange¬ ſehene und reiche Gutsbeſitzer aus Rheinbaiern ge¬ ſprochen, die nach Amerika reiſen, um für eine große Menge ihrer Landsleute eine Niederlaſſung auszu¬ mitteln. In Rheinbaiern, erzählen ſie, ſteige die Tyrannei täglich, und ſie wollten ſich retten, wäh¬ rend ihnen noch Kraft zur Rettung bliebe. Das ſind
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Baiern hat die Stadt Würzburg, durch Verpflanzung
mehrerer Aemter, durch Entfernung der berühmte¬
ſten Univerſitätslehrer zu Grunde gerichtet. Die
Garniſon, der heilige Biſchof, die allerheiligſten
Edelleute verlaſſen die kleine gewerbloſe Stadt Frei¬
burg, um die Bürger zu züchtigen, daß ſie Rotteck
zum Bürgermeiſter gewählt. Der König von Wür¬
temberg, aus Unzufriedenheit, daß die Bevölkerung
der Hauptſtadt ſich ſo freiſinnig zeigt, will mit ſei¬
nem Hofe und mit ſeiner Leibgarde nach Ludwigsburg
ziehen. Der Magiſtrat von Stuttgart um das große
Unheil von dem Wohlſtande der Gemeinde abzuwen¬
den, haben dem Könige einige von der Bürgerſchaft
unterzeichnete Adreſſe überreicht, worin dieſe den Kö¬
nig bittet nicht von Stuttgart wegzuziehen.
So liegen jetzt alle Deutſchen an einer gemein¬
ſchaftlichen Kette, und ſie haben doch wenigſtens eine
Galeere zum Vaterlande. In Baiern ſoll es nicht
mehr zu ertragen ſein. Ich habe heute drei ange¬
ſehene und reiche Gutsbeſitzer aus Rheinbaiern ge¬
ſprochen, die nach Amerika reiſen, um für eine große
Menge ihrer Landsleute eine Niederlaſſung auszu¬
mitteln. In Rheinbaiern, erzählen ſie, ſteige die
Tyrannei täglich, und ſie wollten ſich retten, wäh¬
rend ihnen noch Kraft zur Rettung bliebe. Das ſind
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/96>, abgerufen am 16.07.2024.
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