Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.stürzte auf die Straße hinunter, lief ohne Hut und ſtürzte auf die Straße hinunter, lief ohne Hut und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0087" n="75"/> ſtürzte auf die Straße hinunter, lief ohne Hut und<lb/> Mantel zum Thore hinaus und kam ſo glücklich über<lb/> die Grenze. Auch iſt in dieſen Tagen ein Bier¬<lb/> brauer aus Leipzig hier angekommen, der zu fünf¬<lb/> zehnjähriger Zuchthausſtrafe verurtheilt war. Er<lb/> ſaß ſchon lange in Pirna feſt, als es ihm gelang<lb/> ſeinen Kerker zu durchbrechen um den weiten Weg<lb/> durch Deutſchland nicht unerkannt, aber unverrathen<lb/> zurückzulegen. So haben ſich ſchon ſehr viele Patrio¬<lb/> ten gerettet, von welchen ich ſechs in Frankreich be¬<lb/> gegnet und geſprochen habe. Wenn man die Er¬<lb/> zählung von ihrer oft wunderbaren Rettung anhört,<lb/> gewahrt man leicht und mit großer Freude, daß die¬<lb/> jenigen welche ſie zu bewachen hatten, mit ihrer<lb/> Flucht einverſtanden waren, ſo, daß wenn ſie auch<lb/> nicht behülflich dabei geweſen, ſie doch die Augen zu¬<lb/> gedrückt. Die Flüchtlinge dürfen zwar aus Klugheit<lb/> und Dankbarkeit von einem ſolchen Einverſtändniſſe<lb/> nicht ſprechen, doch aus den angegebenen Umſtänden<lb/> erräth man es bald. Einer dieſer Patrioten aber,<lb/> der das Vertrauen zu mir unbedenklich fand, geſtand<lb/> es, daß ein Polizei-Beamter, und zwar ein ſolcher,<lb/> der ſich ſeit mehreren Jahren durch ſeine blinde Folg¬<lb/> ſamkeit gegen die Tyrannei ausgezeichnet hat, und darum<lb/> in der ganzen Stadt verhaßt iſt, ihm, ob er ihn früher<lb/> zwar gar nicht gekannt, zu ſeiner Flucht behülflich ge¬<lb/> weſen. Wie erfreulich iſt es nicht warzunehmen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0087]
ſtürzte auf die Straße hinunter, lief ohne Hut und
Mantel zum Thore hinaus und kam ſo glücklich über
die Grenze. Auch iſt in dieſen Tagen ein Bier¬
brauer aus Leipzig hier angekommen, der zu fünf¬
zehnjähriger Zuchthausſtrafe verurtheilt war. Er
ſaß ſchon lange in Pirna feſt, als es ihm gelang
ſeinen Kerker zu durchbrechen um den weiten Weg
durch Deutſchland nicht unerkannt, aber unverrathen
zurückzulegen. So haben ſich ſchon ſehr viele Patrio¬
ten gerettet, von welchen ich ſechs in Frankreich be¬
gegnet und geſprochen habe. Wenn man die Er¬
zählung von ihrer oft wunderbaren Rettung anhört,
gewahrt man leicht und mit großer Freude, daß die¬
jenigen welche ſie zu bewachen hatten, mit ihrer
Flucht einverſtanden waren, ſo, daß wenn ſie auch
nicht behülflich dabei geweſen, ſie doch die Augen zu¬
gedrückt. Die Flüchtlinge dürfen zwar aus Klugheit
und Dankbarkeit von einem ſolchen Einverſtändniſſe
nicht ſprechen, doch aus den angegebenen Umſtänden
erräth man es bald. Einer dieſer Patrioten aber,
der das Vertrauen zu mir unbedenklich fand, geſtand
es, daß ein Polizei-Beamter, und zwar ein ſolcher,
der ſich ſeit mehreren Jahren durch ſeine blinde Folg¬
ſamkeit gegen die Tyrannei ausgezeichnet hat, und darum
in der ganzen Stadt verhaßt iſt, ihm, ob er ihn früher
zwar gar nicht gekannt, zu ſeiner Flucht behülflich ge¬
weſen. Wie erfreulich iſt es nicht warzunehmen,
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