Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.daß er mit den Thränen nur seine Nelkenbeete begießt. daß er mit den Thränen nur ſeine Nelkenbeete begießt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="138"/> daß er mit den Thränen nur ſeine Nelkenbeete begießt.<lb/> Darum überzeugt er nicht, wenn er auch die Wahr¬<lb/> heit ſpricht, denn man weiß, daß er an der Wahr¬<lb/> heit nur das Schöne liebt. Aber die Wahrheit iſt<lb/> nicht immer ſchön, ſie bleibt es nicht immer. Es<lb/> dauert lange bis ſie in Blüthe kömmt, und ſie muß<lb/> verblühen ehe ſie Früchte trägt. Heine würde die<lb/> deutſche Freiheit anbeten, wenn ſie in voller Blüthe<lb/> ſtände; da ſie aber wegen des rauhen Winters, mit<lb/> Miſt bedeckt iſt, erkennt er ſie nicht und verachtet<lb/> ſie. Mit welcher ſchönen Begeiſterung hat er nicht<lb/> von dem Kampfe der Republikaner in der St. Mery<lb/> Kirche und von ihrem Heldentode geſprochen! Es<lb/> war ein glücklicher Kampf, es war ihnen vergönnt<lb/> den ſchönen Trotz gegen die Tyrannei zu zeigen und<lb/> den ſchönen Tod für die Freiheit zu ſterben. Wäre<lb/> der Kampf nicht ſchön geweſen, und dazu hätte es<lb/> nur einer andern Oertlichkeit bedurft, wo man die<lb/> Republikaner hätte zerſtreuen und fangen können —<lb/> hätte ſich Heine über ſie luſtig gemacht. Was<lb/> Brutus gethan würde Heine verherrlichen ſo ſchön<lb/> er nur vermag; würde aber ein Schneider den<lb/> blutigen Dolch aus dem Herzen einer entehrten<lb/> jungen Rähterin ziehen, die gar Bärbelchen hieße und<lb/> damit die dummträgen Bürger zu ihrer Selbſt¬<lb/> befreiung ſtacheln — er lachte darüber. Man ver¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0150]
daß er mit den Thränen nur ſeine Nelkenbeete begießt.
Darum überzeugt er nicht, wenn er auch die Wahr¬
heit ſpricht, denn man weiß, daß er an der Wahr¬
heit nur das Schöne liebt. Aber die Wahrheit iſt
nicht immer ſchön, ſie bleibt es nicht immer. Es
dauert lange bis ſie in Blüthe kömmt, und ſie muß
verblühen ehe ſie Früchte trägt. Heine würde die
deutſche Freiheit anbeten, wenn ſie in voller Blüthe
ſtände; da ſie aber wegen des rauhen Winters, mit
Miſt bedeckt iſt, erkennt er ſie nicht und verachtet
ſie. Mit welcher ſchönen Begeiſterung hat er nicht
von dem Kampfe der Republikaner in der St. Mery
Kirche und von ihrem Heldentode geſprochen! Es
war ein glücklicher Kampf, es war ihnen vergönnt
den ſchönen Trotz gegen die Tyrannei zu zeigen und
den ſchönen Tod für die Freiheit zu ſterben. Wäre
der Kampf nicht ſchön geweſen, und dazu hätte es
nur einer andern Oertlichkeit bedurft, wo man die
Republikaner hätte zerſtreuen und fangen können —
hätte ſich Heine über ſie luſtig gemacht. Was
Brutus gethan würde Heine verherrlichen ſo ſchön
er nur vermag; würde aber ein Schneider den
blutigen Dolch aus dem Herzen einer entehrten
jungen Rähterin ziehen, die gar Bärbelchen hieße und
damit die dummträgen Bürger zu ihrer Selbſt¬
befreiung ſtacheln — er lachte darüber. Man ver¬
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