In Frankfurt haben sie ja den Wilhelm Tell verboten! Sie verbieten auch noch die Baseler Leb¬ kuchen wegen der Unruhen im Lande. Es ist merk¬ würdig was die deutschen Regierungen für ein Ta¬ lent besitzen, in die schrecklichsten Geschichten Lächer¬ liches zu bringen. Wenn ich höre was sie thun und sprechen, weine ich mit dem rechten Auge und lache mit dem linken. Der König von Baiern läßt sich von allen Städten, Dörfern und Flecken seines Rei¬ ches Deputationen schicken, die ihm, seinem Sohn, den Baiern, am meisten aber Griechenland selbst Glück wünschen, daß ein baierisches Kind den griechi¬ schen Thron besteigt. Was mich am meisten kränkt, ist, daß auch die Bürger von Feuchtwangen stolz auf Griechenland sind; daß ich aber als Kind eine Zeit lang unter ihnen gelebt -- darauf sind sie nicht stolz die dummen Philister. O welche Zeiten! Jetzt muß man die bürgerlichen Reden und die königlichen Ant¬ worten hören. Hellas, Dinkelsbühl und deutsche Gauen! Denn um keinen Preis der Welt würde König Otto Griechenland anders nennen als Hellas, und die deutschen Schmachfelder anders als deutsche Gauen. Und wie König Otto den Bürgermeister von Nürnberg sagte: er möge nicht daran vergessen,
Mittwoch, den 28. November.
In Frankfurt haben ſie ja den Wilhelm Tell verboten! Sie verbieten auch noch die Baſeler Leb¬ kuchen wegen der Unruhen im Lande. Es iſt merk¬ würdig was die deutſchen Regierungen für ein Ta¬ lent beſitzen, in die ſchrecklichſten Geſchichten Lächer¬ liches zu bringen. Wenn ich höre was ſie thun und ſprechen, weine ich mit dem rechten Auge und lache mit dem linken. Der König von Baiern läßt ſich von allen Städten, Dörfern und Flecken ſeines Rei¬ ches Deputationen ſchicken, die ihm, ſeinem Sohn, den Baiern, am meiſten aber Griechenland ſelbſt Glück wünſchen, daß ein baieriſches Kind den griechi¬ ſchen Thron beſteigt. Was mich am meiſten kränkt, iſt, daß auch die Bürger von Feuchtwangen ſtolz auf Griechenland ſind; daß ich aber als Kind eine Zeit lang unter ihnen gelebt — darauf ſind ſie nicht ſtolz die dummen Philiſter. O welche Zeiten! Jetzt muß man die bürgerlichen Reden und die königlichen Ant¬ worten hören. Hellas, Dinkelsbühl und deutſche Gauen! Denn um keinen Preis der Welt würde König Otto Griechenland anders nennen als Hellas, und die deutſchen Schmachfelder anders als deutſche Gauen. Und wie König Otto den Bürgermeiſter von Nürnberg ſagte: er möge nicht daran vergeſſen,
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Mittwoch, den 28. November.
In Frankfurt haben ſie ja den Wilhelm Tell
verboten! Sie verbieten auch noch die Baſeler Leb¬
kuchen wegen der Unruhen im Lande. Es iſt merk¬
würdig was die deutſchen Regierungen für ein Ta¬
lent beſitzen, in die ſchrecklichſten Geſchichten Lächer¬
liches zu bringen. Wenn ich höre was ſie thun und
ſprechen, weine ich mit dem rechten Auge und lache
mit dem linken. Der König von Baiern läßt ſich
von allen Städten, Dörfern und Flecken ſeines Rei¬
ches Deputationen ſchicken, die ihm, ſeinem Sohn,
den Baiern, am meiſten aber Griechenland ſelbſt
Glück wünſchen, daß ein baieriſches Kind den griechi¬
ſchen Thron beſteigt. Was mich am meiſten kränkt,
iſt, daß auch die Bürger von Feuchtwangen ſtolz auf
Griechenland ſind; daß ich aber als Kind eine Zeit
lang unter ihnen gelebt — darauf ſind ſie nicht ſtolz
die dummen Philiſter. O welche Zeiten! Jetzt muß
man die bürgerlichen Reden und die königlichen Ant¬
worten hören. Hellas, Dinkelsbühl und deutſche
Gauen! Denn um keinen Preis der Welt würde
König Otto Griechenland anders nennen als Hellas,
und die deutſchen Schmachfelder anders als deutſche
Gauen. Und wie König Otto den Bürgermeiſter
von Nürnberg ſagte: er möge nicht daran vergeſſen,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/66>, abgerufen am 17.02.2025.
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