lutisten schon längst verstanden und erklärt haben: daß nämlich nichts lächerlicher sei als eine constitu¬ tionelle Monarchie. Wenn in Petersburg, Wien und Berlin solche Polizei-Komödien aufgeführt wer¬ den, dort, wo nur Kinder und unerfahrne Menschen auf der Galerie sitzen, die alles für Ernst nehmen, und gleich Kotzebue's Landedelmann in der Residenz, im Stande sind einen Schauspieler durchzuprügeln, der als Graf Leicester die schöne Maria Stuart ver¬ rathen -- dort hat doch der Spaß einen Zweck, und findet sich ja einmal ein naseweiser Theater-Kritiker, der das Spiel beurtheilt, dreht man ihm den Hals um. Hier aber, wo Oeffentlichkeit, wo Preßfreiheit herrscht, wo tausend Menschen es laut aussprechen, es sei ein Polizeischuß gewesen -- wozu? Darum ist eine constitutionelle Monarchie ein lächerliches Ding, darum bin ich Republikaner geworden, und verzeihe es den andern, wenn sie Absolutisten sind. Einer von uns wird den Sieg davon tragen; das Juste- Milieu aber, diese Misgeburt mit zwei Rücken, be¬ stimmt auf beiden Seiten Prügel zu bekommen -- wird sie bekommen und wird, nachdem ihm aller Saft ausgedrückt worden, wie eine Citronenschale, auf die Gasse geworfen werden.
Aber in diesen Augenblicke erhalte ich Ihren Brief und ich will mich eilen ihn zu beantworten,
lutiſten ſchon längſt verſtanden und erklärt haben: daß nämlich nichts lächerlicher ſei als eine conſtitu¬ tionelle Monarchie. Wenn in Petersburg, Wien und Berlin ſolche Polizei-Komödien aufgeführt wer¬ den, dort, wo nur Kinder und unerfahrne Menſchen auf der Galerie ſitzen, die alles für Ernſt nehmen, und gleich Kotzebue's Landedelmann in der Reſidenz, im Stande ſind einen Schauſpieler durchzuprügeln, der als Graf Leiceſter die ſchöne Maria Stuart ver¬ rathen — dort hat doch der Spaß einen Zweck, und findet ſich ja einmal ein naſeweiſer Theater-Kritiker, der das Spiel beurtheilt, dreht man ihm den Hals um. Hier aber, wo Oeffentlichkeit, wo Preßfreiheit herrſcht, wo tauſend Menſchen es laut ausſprechen, es ſei ein Polizeiſchuß geweſen — wozu? Darum iſt eine conſtitutionelle Monarchie ein lächerliches Ding, darum bin ich Republikaner geworden, und verzeihe es den andern, wenn ſie Abſolutiſten ſind. Einer von uns wird den Sieg davon tragen; das Juſte- Milieu aber, dieſe Misgeburt mit zwei Rücken, be¬ ſtimmt auf beiden Seiten Prügel zu bekommen — wird ſie bekommen und wird, nachdem ihm aller Saft ausgedrückt worden, wie eine Citronenſchale, auf die Gaſſe geworfen werden.
Aber in dieſen Augenblicke erhalte ich Ihren Brief und ich will mich eilen ihn zu beantworten,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0034"n="22"/>
lutiſten ſchon längſt verſtanden und erklärt haben:<lb/>
daß nämlich nichts lächerlicher ſei als eine conſtitu¬<lb/>
tionelle Monarchie. Wenn in Petersburg, Wien<lb/>
und Berlin ſolche Polizei-Komödien aufgeführt wer¬<lb/>
den, dort, wo nur Kinder und unerfahrne Menſchen<lb/>
auf der Galerie ſitzen, die alles für Ernſt nehmen,<lb/>
und gleich Kotzebue's Landedelmann in der Reſidenz,<lb/>
im Stande ſind einen Schauſpieler durchzuprügeln,<lb/>
der als Graf Leiceſter die ſchöne Maria Stuart ver¬<lb/>
rathen — dort hat doch der Spaß einen Zweck, und<lb/>
findet ſich ja einmal ein naſeweiſer Theater-Kritiker,<lb/>
der das Spiel beurtheilt, dreht man ihm den Hals<lb/>
um. Hier aber, wo Oeffentlichkeit, wo Preßfreiheit<lb/>
herrſcht, wo tauſend Menſchen es laut ausſprechen,<lb/>
es ſei ein Polizeiſchuß geweſen — wozu? Darum<lb/>
iſt eine conſtitutionelle Monarchie ein lächerliches<lb/>
Ding, darum bin ich Republikaner geworden, und<lb/>
verzeihe es den andern, wenn ſie Abſolutiſten ſind.<lb/>
Einer von uns wird den Sieg davon tragen; das Juſte-<lb/>
Milieu aber, dieſe Misgeburt mit zwei Rücken, be¬<lb/>ſtimmt auf beiden Seiten Prügel zu bekommen —<lb/>
wird ſie bekommen und wird, nachdem ihm aller<lb/>
Saft ausgedrückt worden, wie eine Citronenſchale,<lb/>
auf die Gaſſe geworfen werden.</p><lb/><p>Aber in dieſen Augenblicke erhalte ich Ihren<lb/>
Brief und ich will mich eilen ihn zu beantworten,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0034]
lutiſten ſchon längſt verſtanden und erklärt haben:
daß nämlich nichts lächerlicher ſei als eine conſtitu¬
tionelle Monarchie. Wenn in Petersburg, Wien
und Berlin ſolche Polizei-Komödien aufgeführt wer¬
den, dort, wo nur Kinder und unerfahrne Menſchen
auf der Galerie ſitzen, die alles für Ernſt nehmen,
und gleich Kotzebue's Landedelmann in der Reſidenz,
im Stande ſind einen Schauſpieler durchzuprügeln,
der als Graf Leiceſter die ſchöne Maria Stuart ver¬
rathen — dort hat doch der Spaß einen Zweck, und
findet ſich ja einmal ein naſeweiſer Theater-Kritiker,
der das Spiel beurtheilt, dreht man ihm den Hals
um. Hier aber, wo Oeffentlichkeit, wo Preßfreiheit
herrſcht, wo tauſend Menſchen es laut ausſprechen,
es ſei ein Polizeiſchuß geweſen — wozu? Darum
iſt eine conſtitutionelle Monarchie ein lächerliches
Ding, darum bin ich Republikaner geworden, und
verzeihe es den andern, wenn ſie Abſolutiſten ſind.
Einer von uns wird den Sieg davon tragen; das Juſte-
Milieu aber, dieſe Misgeburt mit zwei Rücken, be¬
ſtimmt auf beiden Seiten Prügel zu bekommen —
wird ſie bekommen und wird, nachdem ihm aller
Saft ausgedrückt worden, wie eine Citronenſchale,
auf die Gaſſe geworfen werden.
Aber in dieſen Augenblicke erhalte ich Ihren
Brief und ich will mich eilen ihn zu beantworten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/34>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.