Deputirten auf Oeffentlichkeit verworfen. Die ar¬ men Hanoveraner sind am schlimmsten daran, unter allen deutschen Völkerschaften. Sie müssen ihrem Könige vergüten was er an zwölf Millionen freier brittischer Bürger verliert; auf jeden Hanoveraner kömmt die Tyrannei von dreizehen Seelen. So ist der deutsche Adel! Nach der Juli-Revolution mußte er gezwungen ein ganzes Jahr fasten, und jetzt holt er heißhungrig die 365 versäumten Mahlzeiten nach. Wohl bekomme es ihnen! Nur daß sie sich hüten, sich nicht den Magen zu verderben, daß sie sich wohl hüten; denn wahrlich, lassen sie es zum Brechen kommen, möchte es ihnen schlimm ergehen. So ist der Adel aller Länder und Zeiten, so wird er bleiben, so lange man ihn duldet. Er ist immer so gewesen, er ist im Livius was in der Mannhei¬ mer Zeitung. Sie erkennen keinen Gott der Men¬ schen, sie erkennen nur einen Gott der Edelleute; sie erkennen keinen Volks-Fürsten, sie erkennen im Für¬ sten nur ihren Hauptmann; sie erkennen kein Vater¬ land, der Hof ist ihr Wald, das Land eine Stätte ihrer Räuberei, das Volk ihre Beute. Im Jahr 1816 hielt der Vicomte von Castelbajac, ein restau¬ rirter Emigrant, in der französischen Deputirtenkam¬ mer eine feurige Rede über die Wiederherstellung der Religion, durch Vermehrung der Macht und des Reichthums der Geistlichkeit. Da, im heiligen Eifer,
Deputirten auf Oeffentlichkeit verworfen. Die ar¬ men Hanoveraner ſind am ſchlimmſten daran, unter allen deutſchen Völkerſchaften. Sie müſſen ihrem Könige vergüten was er an zwölf Millionen freier brittiſcher Bürger verliert; auf jeden Hanoveraner kömmt die Tyrannei von dreizehen Seelen. So iſt der deutſche Adel! Nach der Juli-Revolution mußte er gezwungen ein ganzes Jahr faſten, und jetzt holt er heißhungrig die 365 verſäumten Mahlzeiten nach. Wohl bekomme es ihnen! Nur daß ſie ſich hüten, ſich nicht den Magen zu verderben, daß ſie ſich wohl hüten; denn wahrlich, laſſen ſie es zum Brechen kommen, möchte es ihnen ſchlimm ergehen. So iſt der Adel aller Länder und Zeiten, ſo wird er bleiben, ſo lange man ihn duldet. Er iſt immer ſo geweſen, er iſt im Livius was in der Mannhei¬ mer Zeitung. Sie erkennen keinen Gott der Men¬ ſchen, ſie erkennen nur einen Gott der Edelleute; ſie erkennen keinen Volks-Fürſten, ſie erkennen im Für¬ ſten nur ihren Hauptmann; ſie erkennen kein Vater¬ land, der Hof iſt ihr Wald, das Land eine Stätte ihrer Räuberei, das Volk ihre Beute. Im Jahr 1816 hielt der Vicomte von Caſtelbajac, ein reſtau¬ rirter Emigrant, in der franzöſiſchen Deputirtenkam¬ mer eine feurige Rede über die Wiederherſtellung der Religion, durch Vermehrung der Macht und des Reichthums der Geiſtlichkeit. Da, im heiligen Eifer,
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Deputirten auf Oeffentlichkeit verworfen. Die ar¬
men Hanoveraner ſind am ſchlimmſten daran, unter
allen deutſchen Völkerſchaften. Sie müſſen ihrem
Könige vergüten was er an zwölf Millionen freier
brittiſcher Bürger verliert; auf jeden Hanoveraner
kömmt die Tyrannei von dreizehen Seelen. So iſt
der deutſche Adel! Nach der Juli-Revolution mußte
er gezwungen ein ganzes Jahr faſten, und jetzt holt
er heißhungrig die 365 verſäumten Mahlzeiten nach.
Wohl bekomme es ihnen! Nur daß ſie ſich hüten,
ſich nicht den Magen zu verderben, daß ſie ſich
wohl hüten; denn wahrlich, laſſen ſie es zum
Brechen kommen, möchte es ihnen ſchlimm ergehen.
So iſt der Adel aller Länder und Zeiten, ſo wird
er bleiben, ſo lange man ihn duldet. Er iſt immer
ſo geweſen, er iſt im Livius was in der Mannhei¬
mer Zeitung. Sie erkennen keinen Gott der Men¬
ſchen, ſie erkennen nur einen Gott der Edelleute; ſie
erkennen keinen Volks-Fürſten, ſie erkennen im Für¬
ſten nur ihren Hauptmann; ſie erkennen kein Vater¬
land, der Hof iſt ihr Wald, das Land eine Stätte
ihrer Räuberei, das Volk ihre Beute. Im Jahr
1816 hielt der Vicomte von Caſtelbajac, ein reſtau¬
rirter Emigrant, in der franzöſiſchen Deputirtenkam¬
mer eine feurige Rede über die Wiederherſtellung der
Religion, durch Vermehrung der Macht und des
Reichthums der Geiſtlichkeit. Da, im heiligen Eifer,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/241>, abgerufen am 16.02.2025.
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