mit seinem ewigen Sein und Nichtsein, sondern die zwei Heinriche, Richard, Lear. Das ist ja zum erstaunen, das hat sich ja sehr zum Guten geändert. Waren sie denn nie bei einer solchen Aufführung? wie wird gespielt? wie der junge Heinrich, wie Fal¬ staff? In der That, ich freue mich darüber um Frank¬ furts Willen. Ich bin der Meinung, daß man durch das Schauspiel auf den öffentlichen Geist einwirken könnne so abgestumpft man auch gegen solche Reiz¬ mittel sein mag. Ein guter Bürger der aus einem Stücke von Shakespeare kömmt, kann noch den nehm¬ lichen Abend seinen besten Freund todtstechen, aber ihn todt langweilen, das kann er nicht.
Ferner wurde mir erzählt, man habe mehrere aus¬ gezeichnete Juden zu Mitgliedern des Museums auf¬ genommen und allen ohne Unterschied erlaubt, Aecker zu kaufen und Landwirthschaft zu treiben. Sehen Sie, mein eignes Feld, das ich seit fünfzehen Jah¬ ren im Schweiße meines Angesichts bebaue, fängt an grün zu werden. Man muß nur die Geduld nicht verlieren; die geistige Erdkugel dreht sich alle Jahr¬ hundert nur einmal um die Sonne. Aber Geduld! Ich habe schon oft daran gedacht, ob nicht möglich wäre, wie Geldanleihen, Geduldanleihen zu machen, und so wie die Fürsten durch Rothschild sich die Ab¬ gaben der Urenkel ihrer Unterthanen ein Jahrhun¬ dert voraus bezahlen lassen, uns auch die Geduld
mit ſeinem ewigen Sein und Nichtſein, ſondern die zwei Heinriche, Richard, Lear. Das iſt ja zum erſtaunen, das hat ſich ja ſehr zum Guten geändert. Waren ſie denn nie bei einer ſolchen Aufführung? wie wird geſpielt? wie der junge Heinrich, wie Fal¬ ſtaff? In der That, ich freue mich darüber um Frank¬ furts Willen. Ich bin der Meinung, daß man durch das Schauſpiel auf den öffentlichen Geiſt einwirken könnne ſo abgeſtumpft man auch gegen ſolche Reiz¬ mittel ſein mag. Ein guter Bürger der aus einem Stücke von Shakespeare kömmt, kann noch den nehm¬ lichen Abend ſeinen beſten Freund todtſtechen, aber ihn todt langweilen, das kann er nicht.
Ferner wurde mir erzählt, man habe mehrere aus¬ gezeichnete Juden zu Mitgliedern des Muſeums auf¬ genommen und allen ohne Unterſchied erlaubt, Aecker zu kaufen und Landwirthſchaft zu treiben. Sehen Sie, mein eignes Feld, das ich ſeit fünfzehen Jah¬ ren im Schweiße meines Angeſichts bebaue, fängt an grün zu werden. Man muß nur die Geduld nicht verlieren; die geiſtige Erdkugel dreht ſich alle Jahr¬ hundert nur einmal um die Sonne. Aber Geduld! Ich habe ſchon oft daran gedacht, ob nicht möglich wäre, wie Geldanleihen, Geduldanleihen zu machen, und ſo wie die Fürſten durch Rothſchild ſich die Ab¬ gaben der Urenkel ihrer Unterthanen ein Jahrhun¬ dert voraus bezahlen laſſen, uns auch die Geduld
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mit ſeinem ewigen Sein und Nichtſein, ſondern die
zwei Heinriche, Richard, Lear. Das iſt ja zum
erſtaunen, das hat ſich ja ſehr zum Guten geändert.
Waren ſie denn nie bei einer ſolchen Aufführung?
wie wird geſpielt? wie der junge Heinrich, wie Fal¬
ſtaff? In der That, ich freue mich darüber um Frank¬
furts Willen. Ich bin der Meinung, daß man durch
das Schauſpiel auf den öffentlichen Geiſt einwirken
könnne ſo abgeſtumpft man auch gegen ſolche Reiz¬
mittel ſein mag. Ein guter Bürger der aus einem
Stücke von Shakespeare kömmt, kann noch den nehm¬
lichen Abend ſeinen beſten Freund todtſtechen, aber
ihn todt langweilen, das kann er nicht.
Ferner wurde mir erzählt, man habe mehrere aus¬
gezeichnete Juden zu Mitgliedern des Muſeums auf¬
genommen und allen ohne Unterſchied erlaubt, Aecker
zu kaufen und Landwirthſchaft zu treiben. Sehen
Sie, mein eignes Feld, das ich ſeit fünfzehen Jah¬
ren im Schweiße meines Angeſichts bebaue, fängt an
grün zu werden. Man muß nur die Geduld nicht
verlieren; die geiſtige Erdkugel dreht ſich alle Jahr¬
hundert nur einmal um die Sonne. Aber Geduld!
Ich habe ſchon oft daran gedacht, ob nicht möglich
wäre, wie Geldanleihen, Geduldanleihen zu machen,
und ſo wie die Fürſten durch Rothſchild ſich die Ab¬
gaben der Urenkel ihrer Unterthanen ein Jahrhun¬
dert voraus bezahlen laſſen, uns auch die Geduld
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/188>, abgerufen am 17.07.2024.
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