Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.Allianz hat den französischen Löwen wieder einmal Allianz hat den franzöſiſchen Löwen wieder einmal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0162" n="150"/> Allianz hat den franzöſiſchen Löwen wieder einmal<lb/> brüllen hören, und iſt er auch noch in ihrem Käfig,<lb/> ſo erinnert ſie das doch, daß es ein Löwe ſei und<lb/> keine Katze. Vielleicht erſchrickt ſie darüber, vielleicht<lb/> bekömmt ſie größere Furcht vor Frankreich als vor<lb/> Hambach und fängt Krieg an und dann iſt uns ge¬<lb/> holfen. Ich bin ſo hoffnungslos, daß alles mir Hoff¬<lb/> nung giebt. Ich habe manchmal Mitleid mit mir<lb/> ſelber und komme mir vor wie jener ſchwediſche Sol¬<lb/> dat, der das Rauchen ſo leidenſchaftlich liebte, daß,<lb/> als ihm einſt im Kriege der Taback mangelte, er an<lb/> einem angezündeten Strohhalm dampfte. Ein Bis¬<lb/> chen Strohrauch wird mir zur Wolke, jede Wolke zum<lb/> Himmel, und von jedem Himmel hole ich die Frei¬<lb/> heit herab. Und welche Freiheit! Es iſt ſo wenig<lb/> was ich fordere. Ich verlange nichts als Hoſen,<lb/> für mich und meine deutſchen Kameraden, und daß<lb/> uns nicht jedes alte Weib von Regierung ſoll immer¬<lb/> fort dutzen dürfen. Mein einziger Ehrgeitz iſt Deutſch¬<lb/> lands Oedip zu werden, der es von der Augsburger<lb/> Sphinx befreit, die mich noch zu Tode ärgert. Sie<lb/> iſt ſchuld an meinen Zahnſchmerzen. Täglich bringt<lb/> der Berliner Correſpondent eine diplomatiſche Nuß<lb/> zum aufknacken; ich nehme ſie in den Mund, beiße<lb/> zu mit allen Kräften der Zähne — und die Nuß iſt<lb/> hohl, zerbricht wie Eierſchaalen, meine Zähne knir¬<lb/> ſchen unvermuthet auf einander und meine erſchrocke¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0162]
Allianz hat den franzöſiſchen Löwen wieder einmal
brüllen hören, und iſt er auch noch in ihrem Käfig,
ſo erinnert ſie das doch, daß es ein Löwe ſei und
keine Katze. Vielleicht erſchrickt ſie darüber, vielleicht
bekömmt ſie größere Furcht vor Frankreich als vor
Hambach und fängt Krieg an und dann iſt uns ge¬
holfen. Ich bin ſo hoffnungslos, daß alles mir Hoff¬
nung giebt. Ich habe manchmal Mitleid mit mir
ſelber und komme mir vor wie jener ſchwediſche Sol¬
dat, der das Rauchen ſo leidenſchaftlich liebte, daß,
als ihm einſt im Kriege der Taback mangelte, er an
einem angezündeten Strohhalm dampfte. Ein Bis¬
chen Strohrauch wird mir zur Wolke, jede Wolke zum
Himmel, und von jedem Himmel hole ich die Frei¬
heit herab. Und welche Freiheit! Es iſt ſo wenig
was ich fordere. Ich verlange nichts als Hoſen,
für mich und meine deutſchen Kameraden, und daß
uns nicht jedes alte Weib von Regierung ſoll immer¬
fort dutzen dürfen. Mein einziger Ehrgeitz iſt Deutſch¬
lands Oedip zu werden, der es von der Augsburger
Sphinx befreit, die mich noch zu Tode ärgert. Sie
iſt ſchuld an meinen Zahnſchmerzen. Täglich bringt
der Berliner Correſpondent eine diplomatiſche Nuß
zum aufknacken; ich nehme ſie in den Mund, beiße
zu mit allen Kräften der Zähne — und die Nuß iſt
hohl, zerbricht wie Eierſchaalen, meine Zähne knir¬
ſchen unvermuthet auf einander und meine erſchrocke¬
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