men und elenden Rumpfe den Schmerz des ganzen aufbürden -- o Gott! das ist zu viel! Denn einem Volke, wenn es leidet, werden nicht wie einem kran¬ ken Menschen Geist und Sinne geschwächt, es ver¬ liert das Gedächtniß nicht, sei es noch so bejahrt, wird es im Unglücke wieder zum Jüngling, zum Kinde, und die Jugend mit all ihrer Kraft und Hoff¬ nung, die Kindheit mit ihrer Lust und allen ihren Spielen kehren ihm zurück. Als Gott die Tyrannen erschuf, diese Folterknechte der Welt, hätte er wenig¬ stens die Völker sollen sterblich machen.
Man hat jetzt den Deutschen eiserne Reife um die Brust geschmiedet, Sie dürfen nicht mehr seufzen um die Polen; aber die Franzosen brauchen noch nicht zu schweigen. Es kommt dahin auch noch, aber bis dahin kömmt auch die Hülfe. Haben Sie in den französischen Blättern von dem neuen Jammer gele¬ sen, den man auf die Polen gehäuft? Aus jeder polnischen Provinz werden fünftausend Edelleute ein¬ gefangen und nach dem Caucasus getrieben, um dort unter die Cosaken eingesteckt zu werden. Sie dürfen auf ihre Verbannung nicht vorbereitet werden, sie müssen unvermuthet Nachts aus ihrem Bette geschleppt werden. So befiehlt es ausdrücklich der kaiserliche Befehl. Und dem Belieben des Gouverneurs bleibt es frei gestellt, welche sie zur Verbannung wählen wollen; nur ist ihnen auf das strengste untersagt die
men und elenden Rumpfe den Schmerz des ganzen aufbürden — o Gott! das iſt zu viel! Denn einem Volke, wenn es leidet, werden nicht wie einem kran¬ ken Menſchen Geiſt und Sinne geſchwächt, es ver¬ liert das Gedächtniß nicht, ſei es noch ſo bejahrt, wird es im Unglücke wieder zum Jüngling, zum Kinde, und die Jugend mit all ihrer Kraft und Hoff¬ nung, die Kindheit mit ihrer Luſt und allen ihren Spielen kehren ihm zurück. Als Gott die Tyrannen erſchuf, dieſe Folterknechte der Welt, hätte er wenig¬ ſtens die Völker ſollen ſterblich machen.
Man hat jetzt den Deutſchen eiſerne Reife um die Bruſt geſchmiedet, Sie dürfen nicht mehr ſeufzen um die Polen; aber die Franzoſen brauchen noch nicht zu ſchweigen. Es kommt dahin auch noch, aber bis dahin kömmt auch die Hülfe. Haben Sie in den franzöſiſchen Blättern von dem neuen Jammer gele¬ ſen, den man auf die Polen gehäuft? Aus jeder polniſchen Provinz werden fünftauſend Edelleute ein¬ gefangen und nach dem Caucaſus getrieben, um dort unter die Coſaken eingeſteckt zu werden. Sie dürfen auf ihre Verbannung nicht vorbereitet werden, ſie müſſen unvermuthet Nachts aus ihrem Bette geſchleppt werden. So befiehlt es ausdrücklich der kaiſerliche Befehl. Und dem Belieben des Gouverneurs bleibt es frei geſtellt, welche ſie zur Verbannung wählen wollen; nur iſt ihnen auf das ſtrengſte unterſagt die
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men und elenden Rumpfe den Schmerz des ganzen
aufbürden — o Gott! das iſt zu viel! Denn einem
Volke, wenn es leidet, werden nicht wie einem kran¬
ken Menſchen Geiſt und Sinne geſchwächt, es ver¬
liert das Gedächtniß nicht, ſei es noch ſo bejahrt,
wird es im Unglücke wieder zum Jüngling, zum
Kinde, und die Jugend mit all ihrer Kraft und Hoff¬
nung, die Kindheit mit ihrer Luſt und allen ihren
Spielen kehren ihm zurück. Als Gott die Tyrannen
erſchuf, dieſe Folterknechte der Welt, hätte er wenig¬
ſtens die Völker ſollen ſterblich machen.
Man hat jetzt den Deutſchen eiſerne Reife um
die Bruſt geſchmiedet, Sie dürfen nicht mehr ſeufzen
um die Polen; aber die Franzoſen brauchen noch
nicht zu ſchweigen. Es kommt dahin auch noch, aber
bis dahin kömmt auch die Hülfe. Haben Sie in den
franzöſiſchen Blättern von dem neuen Jammer gele¬
ſen, den man auf die Polen gehäuft? Aus jeder
polniſchen Provinz werden fünftauſend Edelleute ein¬
gefangen und nach dem Caucaſus getrieben, um dort
unter die Coſaken eingeſteckt zu werden. Sie dürfen
auf ihre Verbannung nicht vorbereitet werden, ſie
müſſen unvermuthet Nachts aus ihrem Bette geſchleppt
werden. So befiehlt es ausdrücklich der kaiſerliche
Befehl. Und dem Belieben des Gouverneurs bleibt
es frei geſtellt, welche ſie zur Verbannung wählen
wollen; nur iſt ihnen auf das ſtrengſte unterſagt die
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/130>, abgerufen am 16.07.2024.
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