Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, muß die Welt schwanger seyn; sie hat wunder¬
bare Gelüste. Sehen Sie, man hat es mir zum
Vorwurfe gemacht, daß ich gesagt: ein Volk dürfe
seinen Fürsten verjagen, wenn ihm seine Nase nicht
gefiele. Nun, vielleicht war das zuviel behauptet.
Aber man muß mir doch zugeben, das eine Nase
eine sehr wichtige Sache ist. Eine Nase ist ein be¬
deutender Theil des menschlichen Körpers; eine Nase
kann einen Menschen entstellen und zieren; man kann
seiner Nase willen einen Menschen lieben oder hassen;
kurz eine Nase ist eine Nase; aber ein Name? Gu¬
ter Gott! Was liegt an einem Namen? Die
Braunschweiger wollten keinen Carl und gaben sich
einen Wilhelm; die Belgier wollten keinen Wilhelm
und gaben sich einen Leopold; die Franzosen wollten
auch keinen Carl und gaben sich einen Philipp. Der
Name Carl scheint besonders unbeliebt zu sein. In
Spanien handelt sich's auch um Carl oder nicht Carl;
in Portugal ist der Streit zwischen Peter und Mi¬
chel. Meine Nase ist mir tausendmal lieber. Nun
haben sie zwar vor zwei Jahren behauptet, man habe
den König Carl vom Throne gestürzt weil er die
Charte verletzt habe. Hat das der jetzige König nicht
auch gethan? Also weil er Philipp heißt und nicht
Carl, wäre ihm alles erlaubt? Ja er hat tausend¬
mal schlimmer gehandelt als Carl X. Dieser that

iſt, muß die Welt ſchwanger ſeyn; ſie hat wunder¬
bare Gelüſte. Sehen Sie, man hat es mir zum
Vorwurfe gemacht, daß ich geſagt: ein Volk dürfe
ſeinen Fürſten verjagen, wenn ihm ſeine Naſe nicht
gefiele. Nun, vielleicht war das zuviel behauptet.
Aber man muß mir doch zugeben, das eine Naſe
eine ſehr wichtige Sache iſt. Eine Naſe iſt ein be¬
deutender Theil des menſchlichen Körpers; eine Naſe
kann einen Menſchen entſtellen und zieren; man kann
ſeiner Naſe willen einen Menſchen lieben oder haſſen;
kurz eine Naſe iſt eine Naſe; aber ein Name? Gu¬
ter Gott! Was liegt an einem Namen? Die
Braunſchweiger wollten keinen Carl und gaben ſich
einen Wilhelm; die Belgier wollten keinen Wilhelm
und gaben ſich einen Leopold; die Franzoſen wollten
auch keinen Carl und gaben ſich einen Philipp. Der
Name Carl ſcheint beſonders unbeliebt zu ſein. In
Spanien handelt ſich's auch um Carl oder nicht Carl;
in Portugal iſt der Streit zwiſchen Peter und Mi¬
chel. Meine Naſe iſt mir tauſendmal lieber. Nun
haben ſie zwar vor zwei Jahren behauptet, man habe
den König Carl vom Throne geſtürzt weil er die
Charte verletzt habe. Hat das der jetzige König nicht
auch gethan? Alſo weil er Philipp heißt und nicht
Carl, wäre ihm alles erlaubt? Ja er hat tauſend¬
mal ſchlimmer gehandelt als Carl X. Dieſer that

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0117" n="105"/>
i&#x017F;t, muß die Welt &#x017F;chwanger &#x017F;eyn; &#x017F;ie hat wunder¬<lb/>
bare Gelü&#x017F;te. Sehen Sie, man hat es mir zum<lb/>
Vorwurfe gemacht, daß ich ge&#x017F;agt: ein Volk dürfe<lb/>
&#x017F;einen Für&#x017F;ten verjagen, wenn ihm &#x017F;eine Na&#x017F;e nicht<lb/>
gefiele. Nun, vielleicht war das zuviel behauptet.<lb/>
Aber man muß mir doch zugeben, das eine Na&#x017F;e<lb/>
eine &#x017F;ehr wichtige Sache i&#x017F;t. Eine Na&#x017F;e i&#x017F;t ein be¬<lb/>
deutender Theil des men&#x017F;chlichen Körpers; eine Na&#x017F;e<lb/>
kann einen Men&#x017F;chen ent&#x017F;tellen und zieren; man kann<lb/>
&#x017F;einer Na&#x017F;e willen einen Men&#x017F;chen lieben oder ha&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
kurz eine Na&#x017F;e i&#x017F;t eine Na&#x017F;e; aber ein Name? Gu¬<lb/>
ter Gott! Was liegt an einem Namen? Die<lb/>
Braun&#x017F;chweiger wollten keinen Carl und gaben &#x017F;ich<lb/>
einen Wilhelm; die Belgier wollten keinen Wilhelm<lb/>
und gaben &#x017F;ich einen Leopold; die Franzo&#x017F;en wollten<lb/>
auch keinen Carl und gaben &#x017F;ich einen Philipp. Der<lb/>
Name Carl &#x017F;cheint be&#x017F;onders unbeliebt zu &#x017F;ein. In<lb/>
Spanien handelt &#x017F;ich's auch um Carl oder nicht Carl;<lb/>
in Portugal i&#x017F;t der Streit zwi&#x017F;chen Peter und Mi¬<lb/>
chel. Meine Na&#x017F;e i&#x017F;t mir tau&#x017F;endmal lieber. Nun<lb/>
haben &#x017F;ie zwar vor zwei Jahren behauptet, man habe<lb/>
den König Carl vom Throne ge&#x017F;türzt weil er die<lb/>
Charte verletzt habe. Hat das der jetzige König nicht<lb/>
auch gethan? Al&#x017F;o weil er Philipp heißt und nicht<lb/>
Carl, wäre ihm alles erlaubt? Ja er hat tau&#x017F;end¬<lb/>
mal &#x017F;chlimmer gehandelt als Carl <hi rendition="#aq">X</hi>. Die&#x017F;er that<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0117] iſt, muß die Welt ſchwanger ſeyn; ſie hat wunder¬ bare Gelüſte. Sehen Sie, man hat es mir zum Vorwurfe gemacht, daß ich geſagt: ein Volk dürfe ſeinen Fürſten verjagen, wenn ihm ſeine Naſe nicht gefiele. Nun, vielleicht war das zuviel behauptet. Aber man muß mir doch zugeben, das eine Naſe eine ſehr wichtige Sache iſt. Eine Naſe iſt ein be¬ deutender Theil des menſchlichen Körpers; eine Naſe kann einen Menſchen entſtellen und zieren; man kann ſeiner Naſe willen einen Menſchen lieben oder haſſen; kurz eine Naſe iſt eine Naſe; aber ein Name? Gu¬ ter Gott! Was liegt an einem Namen? Die Braunſchweiger wollten keinen Carl und gaben ſich einen Wilhelm; die Belgier wollten keinen Wilhelm und gaben ſich einen Leopold; die Franzoſen wollten auch keinen Carl und gaben ſich einen Philipp. Der Name Carl ſcheint beſonders unbeliebt zu ſein. In Spanien handelt ſich's auch um Carl oder nicht Carl; in Portugal iſt der Streit zwiſchen Peter und Mi¬ chel. Meine Naſe iſt mir tauſendmal lieber. Nun haben ſie zwar vor zwei Jahren behauptet, man habe den König Carl vom Throne geſtürzt weil er die Charte verletzt habe. Hat das der jetzige König nicht auch gethan? Alſo weil er Philipp heißt und nicht Carl, wäre ihm alles erlaubt? Ja er hat tauſend¬ mal ſchlimmer gehandelt als Carl X. Dieſer that

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/117
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/117>, abgerufen am 05.12.2024.