wohl feil; (ich thue es, um zu zeigen, daß ich selbst einen Affen nachäffen kann,) aber wohlfeil ist er nicht. Er würde sich nie so geringe schätzen, in den Hundstagen jedes Jahres um zwanzig Friedrichsd'or seine Ehre zu vermiethen.... Der unglückselige Robert! Eine Welt hätte er setzen sollen zwischen sich und mir, und jetzt, das Glück verschmähend, daß ich ihn vergesse, sucht er mich auf, und zwingt mich, seiner zu gedenken. Was gab ihm den kecken Muth, mich herauszufordern? Ist es etwa, daß ich ein Herz habe, und seine eigne Brust nichts zu durch¬ bohren darbietet? Ist es, daß er seine Brieftasche, seine polnischen Loose gut verschlossen weiß, und daß ich sie nicht durchlöchern kann und seine Seele nicht berühren? Das der Unglückselige es wagt, den tief¬ begrabnen Schmerz aus meiner Brust heraufzuwüh¬ len; daß jener Würmer einer, die von Polens Leiche schmaußen, über meinen Weg zu kriechen wagt! Wenn ich der Polen gedenke, und des Sommers und Badens, und wie oft ich dort aus dem Lesezimmer in das nahe Gebüsch wankte, meinen Schmerz oder mein Entzücken auszuweinen; und wie ich mit krampf¬ bewegtem Herzen der Stunde entgegensah, welche die Zeitung brachte; -- und wenn ich nun endlich das Blatt in meiner zitternden Hand hielt und es nicht zu lesen wagte; nicht zu erfahren wagte das Ur¬ theil jener furchtbaren, namenlosen Macht, die größer
wohl feil; (ich thue es, um zu zeigen, daß ich ſelbſt einen Affen nachäffen kann,) aber wohlfeil iſt er nicht. Er würde ſich nie ſo geringe ſchätzen, in den Hundstagen jedes Jahres um zwanzig Friedrichsd'or ſeine Ehre zu vermiethen.... Der unglückſelige Robert! Eine Welt hätte er ſetzen ſollen zwiſchen ſich und mir, und jetzt, das Glück verſchmähend, daß ich ihn vergeſſe, ſucht er mich auf, und zwingt mich, ſeiner zu gedenken. Was gab ihm den kecken Muth, mich herauszufordern? Iſt es etwa, daß ich ein Herz habe, und ſeine eigne Bruſt nichts zu durch¬ bohren darbietet? Iſt es, daß er ſeine Brieftaſche, ſeine polniſchen Looſe gut verſchloſſen weiß, und daß ich ſie nicht durchlöchern kann und ſeine Seele nicht berühren? Das der Unglückſelige es wagt, den tief¬ begrabnen Schmerz aus meiner Bruſt heraufzuwüh¬ len; daß jener Würmer einer, die von Polens Leiche ſchmaußen, über meinen Weg zu kriechen wagt! Wenn ich der Polen gedenke, und des Sommers und Badens, und wie oft ich dort aus dem Leſezimmer in das nahe Gebüſch wankte, meinen Schmerz oder mein Entzücken auszuweinen; und wie ich mit krampf¬ bewegtem Herzen der Stunde entgegenſah, welche die Zeitung brachte; — und wenn ich nun endlich das Blatt in meiner zitternden Hand hielt und es nicht zu leſen wagte; nicht zu erfahren wagte das Ur¬ theil jener furchtbaren, namenloſen Macht, die größer
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wohl feil; (ich thue es, um zu zeigen, daß ich ſelbſt
einen Affen nachäffen kann,) aber wohlfeil iſt er
nicht. Er würde ſich nie ſo geringe ſchätzen, in den
Hundstagen jedes Jahres um zwanzig Friedrichsd'or
ſeine Ehre zu vermiethen.... Der unglückſelige
Robert! Eine Welt hätte er ſetzen ſollen zwiſchen
ſich und mir, und jetzt, das Glück verſchmähend, daß
ich ihn vergeſſe, ſucht er mich auf, und zwingt mich,
ſeiner zu gedenken. Was gab ihm den kecken Muth,
mich herauszufordern? Iſt es etwa, daß ich ein
Herz habe, und ſeine eigne Bruſt nichts zu durch¬
bohren darbietet? Iſt es, daß er ſeine Brieftaſche,
ſeine polniſchen Looſe gut verſchloſſen weiß, und daß
ich ſie nicht durchlöchern kann und ſeine Seele nicht
berühren? Das der Unglückſelige es wagt, den tief¬
begrabnen Schmerz aus meiner Bruſt heraufzuwüh¬
len; daß jener Würmer einer, die von Polens Leiche
ſchmaußen, über meinen Weg zu kriechen wagt!
Wenn ich der Polen gedenke, und des Sommers und
Badens, und wie oft ich dort aus dem Leſezimmer
in das nahe Gebüſch wankte, meinen Schmerz oder
mein Entzücken auszuweinen; und wie ich mit krampf¬
bewegtem Herzen der Stunde entgegenſah, welche die
Zeitung brachte; — und wenn ich nun endlich das
Blatt in meiner zitternden Hand hielt und es nicht
zu leſen wagte; nicht zu erfahren wagte das Ur¬
theil jener furchtbaren, namenloſen Macht, die größer
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/85>, abgerufen am 24.11.2024.
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