Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

ich wäre darum ein Dornbusch, weil ich haben wollte
daß etwas von den Andern daran hängen bliebe.
Freilich bin ich ein Dornbusch, und von den Flocken,
die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen
weiten Schaafpelz machen lassen. Aber wer hieß
den Medizinalrath mir so nahe kommen? Und wenn
etwas von ihm hängen geblieben, ist das meine
Schuld? Der Dornbusch steht, die Heerde geht; sie
kann ausweichen. Ferner wäre ich der Engel mit
dem Schwerte
und ein Würgeengel. Dann
spricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬
stens sagt er: ich verlangte, die Deutschen sollten
ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens sagt
er: Ich sähe Deutschland für eine Kratzbürste an,
und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann
weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie sehen, Pitt¬
schaft ist ein Demagog, er will das Volk aufklären,
er schreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬
nen zu Baden gesagt: dieser Ort ist ein wahres
Carbonaro-Nest; aber Sie wollten mir es nicht glau¬
ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er
nicht zum Königstädtischen Theater zurück? Warum
ist er kein unschuldiger Waldfrevler geblieben? Warum
ist er der Macht der Verhältnisse untreu geworden;
und liebäugelt jetzt mit allen deutschen Mächten?
Warum hat er seine schmerzstillenden Didaskalien
unterbrochen? Zehen aufrührerische Völker hätte

ich wäre darum ein Dornbuſch, weil ich haben wollte
daß etwas von den Andern daran hängen bliebe.
Freilich bin ich ein Dornbuſch, und von den Flocken,
die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen
weiten Schaafpelz machen laſſen. Aber wer hieß
den Medizinalrath mir ſo nahe kommen? Und wenn
etwas von ihm hängen geblieben, iſt das meine
Schuld? Der Dornbuſch ſteht, die Heerde geht; ſie
kann ausweichen. Ferner wäre ich der Engel mit
dem Schwerte
und ein Würgeengel. Dann
ſpricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬
ſtens ſagt er: ich verlangte, die Deutſchen ſollten
ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens ſagt
er: Ich ſähe Deutſchland für eine Kratzbürſte an,
und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann
weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie ſehen, Pitt¬
ſchaft iſt ein Demagog, er will das Volk aufklären,
er ſchreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬
nen zu Baden geſagt: dieſer Ort iſt ein wahres
Carbonaro-Neſt; aber Sie wollten mir es nicht glau¬
ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er
nicht zum Königſtädtiſchen Theater zurück? Warum
iſt er kein unſchuldiger Waldfrevler geblieben? Warum
iſt er der Macht der Verhältniſſe untreu geworden;
und liebäugelt jetzt mit allen deutſchen Mächten?
Warum hat er ſeine ſchmerzſtillenden Didaskalien
unterbrochen? Zehen aufrühreriſche Völker hätte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="68"/>
ich wäre darum ein Dornbu&#x017F;ch, weil ich haben wollte<lb/>
daß etwas von den Andern daran hängen bliebe.<lb/>
Freilich bin ich ein Dornbu&#x017F;ch, und von den Flocken,<lb/>
die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen<lb/>
weiten Schaafpelz machen la&#x017F;&#x017F;en. Aber wer hieß<lb/>
den Medizinalrath mir &#x017F;o nahe kommen? Und wenn<lb/>
etwas von ihm hängen geblieben, i&#x017F;t das meine<lb/>
Schuld? Der Dornbu&#x017F;ch &#x017F;teht, die Heerde geht; &#x017F;ie<lb/>
kann ausweichen. Ferner wäre ich der <hi rendition="#g">Engel mit<lb/>
dem Schwerte</hi> und ein <hi rendition="#g">Würgeengel</hi>. Dann<lb/>
&#x017F;pricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬<lb/>
&#x017F;tens &#x017F;agt er: ich verlangte, die Deut&#x017F;chen &#x017F;ollten<lb/>
ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens &#x017F;agt<lb/>
er: Ich &#x017F;ähe Deut&#x017F;chland für eine Kratzbür&#x017F;te an,<lb/>
und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann<lb/>
weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie &#x017F;ehen, Pitt¬<lb/>
&#x017F;chaft i&#x017F;t ein Demagog, er will das Volk aufklären,<lb/>
er &#x017F;chreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬<lb/>
nen zu Baden ge&#x017F;agt: die&#x017F;er Ort i&#x017F;t ein wahres<lb/>
Carbonaro-Ne&#x017F;t; aber Sie wollten mir es nicht glau¬<lb/>
ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er<lb/>
nicht zum König&#x017F;tädti&#x017F;chen Theater zurück? Warum<lb/>
i&#x017F;t er kein un&#x017F;chuldiger Waldfrevler geblieben? Warum<lb/>
i&#x017F;t er der Macht der Verhältni&#x017F;&#x017F;e untreu geworden;<lb/>
und liebäugelt jetzt mit allen deut&#x017F;chen Mächten?<lb/>
Warum hat er &#x017F;eine &#x017F;chmerz&#x017F;tillenden Didaskalien<lb/>
unterbrochen? Zehen aufrühreri&#x017F;che Völker hätte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0082] ich wäre darum ein Dornbuſch, weil ich haben wollte daß etwas von den Andern daran hängen bliebe. Freilich bin ich ein Dornbuſch, und von den Flocken, die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen weiten Schaafpelz machen laſſen. Aber wer hieß den Medizinalrath mir ſo nahe kommen? Und wenn etwas von ihm hängen geblieben, iſt das meine Schuld? Der Dornbuſch ſteht, die Heerde geht; ſie kann ausweichen. Ferner wäre ich der Engel mit dem Schwerte und ein Würgeengel. Dann ſpricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬ ſtens ſagt er: ich verlangte, die Deutſchen ſollten ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens ſagt er: Ich ſähe Deutſchland für eine Kratzbürſte an, und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie ſehen, Pitt¬ ſchaft iſt ein Demagog, er will das Volk aufklären, er ſchreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬ nen zu Baden geſagt: dieſer Ort iſt ein wahres Carbonaro-Neſt; aber Sie wollten mir es nicht glau¬ ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er nicht zum Königſtädtiſchen Theater zurück? Warum iſt er kein unſchuldiger Waldfrevler geblieben? Warum iſt er der Macht der Verhältniſſe untreu geworden; und liebäugelt jetzt mit allen deutſchen Mächten? Warum hat er ſeine ſchmerzſtillenden Didaskalien unterbrochen? Zehen aufrühreriſche Völker hätte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/82
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/82>, abgerufen am 28.04.2024.