daß nichts an ihm übrig bleibe, als das blöde Vieh, das vor der Peitsche seiner Treiber hergeht, und kaut und wiederkaut, was ihm seine Herren in die Krippe geworfen! Und auch hier wieder wie immer, empört sich mein Herz gegen die Dummheit des Volks überall, das gar seine Macht und Uebermacht nicht kennt; das gar nicht ahnet, daß es nur zu wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzu¬ stoßen. Wenn unter den Tausenden in jeder Stadt, welche die Censur als einen schändlichen Uebermuth verabscheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten, sich nur zwanzig angesehene Familienhäupter zu dem Bunde vereinigten, jeden Censor als einen ehrlosen Menschen zu betrachten und zu behandeln, unter kei¬ nem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tische mit ihm zu essen, seine Umgebungen nicht zu berüh¬ ren, ihn zu fliehen wie einen Verpesteten, ihn immer¬ fort mit Verachtung zu bestrafen, mit Spott zu necken -- dann würde sich bald kein Mann von Ehre mehr finden, der Censor würde seyn wollen; ja selbst der Gefühllose, wenn er nur von einem ge¬ wissen Range ist, würde nicht den Muth haben, der öffentlichen Meinung zu trotzen, und die Regierungen würden genöthigt seyn, ihre Censur den Schinders¬ knechten anzuvertrauen, und der Anger vor dem Thore würde bedeckt werden mit Pferdeknochen, Schaafschädeln und confiscirten Büchern. Aber wie
daß nichts an ihm übrig bleibe, als das blöde Vieh, das vor der Peitſche ſeiner Treiber hergeht, und kaut und wiederkaut, was ihm ſeine Herren in die Krippe geworfen! Und auch hier wieder wie immer, empört ſich mein Herz gegen die Dummheit des Volks überall, das gar ſeine Macht und Uebermacht nicht kennt; das gar nicht ahnet, daß es nur zu wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzu¬ ſtoßen. Wenn unter den Tauſenden in jeder Stadt, welche die Cenſur als einen ſchändlichen Uebermuth verabſcheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten, ſich nur zwanzig angeſehene Familienhäupter zu dem Bunde vereinigten, jeden Cenſor als einen ehrloſen Menſchen zu betrachten und zu behandeln, unter kei¬ nem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tiſche mit ihm zu eſſen, ſeine Umgebungen nicht zu berüh¬ ren, ihn zu fliehen wie einen Verpeſteten, ihn immer¬ fort mit Verachtung zu beſtrafen, mit Spott zu necken — dann würde ſich bald kein Mann von Ehre mehr finden, der Cenſor würde ſeyn wollen; ja ſelbſt der Gefühlloſe, wenn er nur von einem ge¬ wiſſen Range iſt, würde nicht den Muth haben, der öffentlichen Meinung zu trotzen, und die Regierungen würden genöthigt ſeyn, ihre Cenſur den Schinders¬ knechten anzuvertrauen, und der Anger vor dem Thore würde bedeckt werden mit Pferdeknochen, Schaafſchädeln und confiscirten Büchern. Aber wie
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daß nichts an ihm übrig bleibe, als das blöde Vieh,
das vor der Peitſche ſeiner Treiber hergeht, und
kaut und wiederkaut, was ihm ſeine Herren in die
Krippe geworfen! Und auch hier wieder wie immer,
empört ſich mein Herz gegen die Dummheit des
Volks überall, das gar ſeine Macht und Uebermacht
nicht kennt; das gar nicht ahnet, daß es nur zu
wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzu¬
ſtoßen. Wenn unter den Tauſenden in jeder Stadt,
welche die Cenſur als einen ſchändlichen Uebermuth
verabſcheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten,
ſich nur zwanzig angeſehene Familienhäupter zu dem
Bunde vereinigten, jeden Cenſor als einen ehrloſen
Menſchen zu betrachten und zu behandeln, unter kei¬
nem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tiſche
mit ihm zu eſſen, ſeine Umgebungen nicht zu berüh¬
ren, ihn zu fliehen wie einen Verpeſteten, ihn immer¬
fort mit Verachtung zu beſtrafen, mit Spott zu
necken — dann würde ſich bald kein Mann von
Ehre mehr finden, der Cenſor würde ſeyn wollen;
ja ſelbſt der Gefühlloſe, wenn er nur von einem ge¬
wiſſen Range iſt, würde nicht den Muth haben, der
öffentlichen Meinung zu trotzen, und die Regierungen
würden genöthigt ſeyn, ihre Cenſur den Schinders¬
knechten anzuvertrauen, und der Anger vor dem
Thore würde bedeckt werden mit Pferdeknochen,
Schaafſchädeln und confiscirten Büchern. Aber wie
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/37>, abgerufen am 21.11.2024.
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