Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Höchst merkwürdig ist ein Artikel in den neue¬
sten Blättern der deutschen Tribüne: "Der Kampf
"des deutschen Bundes mit der deutschen
"Tribüne." Der Verfasser sagt: ohne Zweifel
werde die deutsche Bundesversammlung ihren neuen
Feldzug gegen die deutsche Freiheit damit beginnen,
daß sie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬
auf erfolgen? Die Tribüne wird sich nicht wehren
lassen und fort erscheinen. Die Baierische Regierung
wird dann durch Soldatengewalt die Presse zerstören
wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern
sich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer
Freiheit gegen die Königssoldaten kämpfen. Gelingt
es ihnen nicht und sind sie zu schwach, dann wird
man die benachbarten Franzosen zu Hilfe rufen, die
trotz und entgegen ihrer "verächtlichen Regie¬
rung
," den Deutschen beistehen werden. Und dann
allgemeiner Krieg. ... Dieser offene Trotz muß
einen ganz besondern Grund haben. Und hätte er
keinen, wäre er blos aus der sehr edlen Leidenschaft¬
lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann
wäre er von den besten Folgen. In der jetzigen Lage
der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts
vernünftigeres thun; unsere ganze Hoffnung beruht
auf der Unvernunft der Tyrannei. Diese herauszu¬
fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen
Schriftstellers seyn, der von der Sache etwas ver¬

Höchſt merkwürdig iſt ein Artikel in den neue¬
ſten Blättern der deutſchen Tribüne: „Der Kampf
des deutſchen Bundes mit der deutſchen
Tribüne.“ Der Verfaſſer ſagt: ohne Zweifel
werde die deutſche Bundesverſammlung ihren neuen
Feldzug gegen die deutſche Freiheit damit beginnen,
daß ſie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬
auf erfolgen? Die Tribüne wird ſich nicht wehren
laſſen und fort erſcheinen. Die Baieriſche Regierung
wird dann durch Soldatengewalt die Preſſe zerſtören
wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern
ſich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer
Freiheit gegen die Königsſoldaten kämpfen. Gelingt
es ihnen nicht und ſind ſie zu ſchwach, dann wird
man die benachbarten Franzoſen zu Hilfe rufen, die
trotz und entgegen ihrer „verächtlichen Regie¬
rung
,“ den Deutſchen beiſtehen werden. Und dann
allgemeiner Krieg. ... Dieſer offene Trotz muß
einen ganz beſondern Grund haben. Und hätte er
keinen, wäre er blos aus der ſehr edlen Leidenſchaft¬
lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann
wäre er von den beſten Folgen. In der jetzigen Lage
der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts
vernünftigeres thun; unſere ganze Hoffnung beruht
auf der Unvernunft der Tyrannei. Dieſe herauszu¬
fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen
Schriftſtellers ſeyn, der von der Sache etwas ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <pb facs="#f0237" n="223"/>
          <p>Höch&#x017F;t merkwürdig i&#x017F;t ein Artikel in den neue¬<lb/>
&#x017F;ten Blättern der deut&#x017F;chen Tribüne: &#x201E;<hi rendition="#g">Der Kampf</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">des deut&#x017F;chen Bundes mit der deut&#x017F;chen</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Tribüne</hi>.&#x201C; Der Verfa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;agt: ohne Zweifel<lb/>
werde die deut&#x017F;che Bundesver&#x017F;ammlung ihren neuen<lb/>
Feldzug gegen die deut&#x017F;che Freiheit damit beginnen,<lb/>
daß &#x017F;ie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬<lb/>
auf erfolgen? Die Tribüne wird &#x017F;ich nicht wehren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en und fort er&#x017F;cheinen. Die Baieri&#x017F;che Regierung<lb/>
wird dann durch Soldatengewalt die Pre&#x017F;&#x017F;e zer&#x017F;tören<lb/>
wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern<lb/>
&#x017F;ich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer<lb/>
Freiheit gegen die Königs&#x017F;oldaten kämpfen. Gelingt<lb/>
es ihnen nicht und &#x017F;ind &#x017F;ie zu &#x017F;chwach, dann wird<lb/>
man die benachbarten Franzo&#x017F;en zu Hilfe rufen, die<lb/>
trotz und entgegen ihrer &#x201E;<hi rendition="#g">verächtlichen Regie¬<lb/>
rung</hi>,&#x201C; den Deut&#x017F;chen bei&#x017F;tehen werden. Und dann<lb/>
allgemeiner Krieg. ... Die&#x017F;er offene Trotz muß<lb/>
einen ganz be&#x017F;ondern Grund haben. Und hätte er<lb/>
keinen, wäre er blos aus der &#x017F;ehr edlen Leiden&#x017F;chaft¬<lb/>
lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann<lb/>
wäre er von den be&#x017F;ten Folgen. In der jetzigen Lage<lb/>
der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts<lb/>
vernünftigeres thun; un&#x017F;ere ganze Hoffnung beruht<lb/>
auf der Unvernunft der Tyrannei. Die&#x017F;e herauszu¬<lb/>
fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen<lb/>
Schrift&#x017F;tellers &#x017F;eyn, der von der Sache etwas ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0237] Höchſt merkwürdig iſt ein Artikel in den neue¬ ſten Blättern der deutſchen Tribüne: „Der Kampf „des deutſchen Bundes mit der deutſchen „Tribüne.“ Der Verfaſſer ſagt: ohne Zweifel werde die deutſche Bundesverſammlung ihren neuen Feldzug gegen die deutſche Freiheit damit beginnen, daß ſie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬ auf erfolgen? Die Tribüne wird ſich nicht wehren laſſen und fort erſcheinen. Die Baieriſche Regierung wird dann durch Soldatengewalt die Preſſe zerſtören wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern ſich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer Freiheit gegen die Königsſoldaten kämpfen. Gelingt es ihnen nicht und ſind ſie zu ſchwach, dann wird man die benachbarten Franzoſen zu Hilfe rufen, die trotz und entgegen ihrer „verächtlichen Regie¬ rung,“ den Deutſchen beiſtehen werden. Und dann allgemeiner Krieg. ... Dieſer offene Trotz muß einen ganz beſondern Grund haben. Und hätte er keinen, wäre er blos aus der ſehr edlen Leidenſchaft¬ lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann wäre er von den beſten Folgen. In der jetzigen Lage der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts vernünftigeres thun; unſere ganze Hoffnung beruht auf der Unvernunft der Tyrannei. Dieſe herauszu¬ fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen Schriftſtellers ſeyn, der von der Sache etwas ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/237
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/237>, abgerufen am 30.11.2024.