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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Höchst merkwürdig ist ein Artikel in den neue¬
sten Blättern der deutschen Tribüne: "Der Kampf
"des deutschen Bundes mit der deutschen
"Tribüne." Der Verfasser sagt: ohne Zweifel
werde die deutsche Bundesversammlung ihren neuen
Feldzug gegen die deutsche Freiheit damit beginnen,
daß sie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬
auf erfolgen? Die Tribüne wird sich nicht wehren
lassen und fort erscheinen. Die Baierische Regierung
wird dann durch Soldatengewalt die Presse zerstören
wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern
sich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer
Freiheit gegen die Königssoldaten kämpfen. Gelingt
es ihnen nicht und sind sie zu schwach, dann wird
man die benachbarten Franzosen zu Hilfe rufen, die
trotz und entgegen ihrer "verächtlichen Regie¬
rung
," den Deutschen beistehen werden. Und dann
allgemeiner Krieg. ... Dieser offene Trotz muß
einen ganz besondern Grund haben. Und hätte er
keinen, wäre er blos aus der sehr edlen Leidenschaft¬
lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann
wäre er von den besten Folgen. In der jetzigen Lage
der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts
vernünftigeres thun; unsere ganze Hoffnung beruht
auf der Unvernunft der Tyrannei. Diese herauszu¬
fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen
Schriftstellers seyn, der von der Sache etwas ver¬

Höchſt merkwürdig iſt ein Artikel in den neue¬
ſten Blättern der deutſchen Tribüne: „Der Kampf
des deutſchen Bundes mit der deutſchen
Tribüne.“ Der Verfaſſer ſagt: ohne Zweifel
werde die deutſche Bundesverſammlung ihren neuen
Feldzug gegen die deutſche Freiheit damit beginnen,
daß ſie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬
auf erfolgen? Die Tribüne wird ſich nicht wehren
laſſen und fort erſcheinen. Die Baieriſche Regierung
wird dann durch Soldatengewalt die Preſſe zerſtören
wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern
ſich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer
Freiheit gegen die Königsſoldaten kämpfen. Gelingt
es ihnen nicht und ſind ſie zu ſchwach, dann wird
man die benachbarten Franzoſen zu Hilfe rufen, die
trotz und entgegen ihrer „verächtlichen Regie¬
rung
,“ den Deutſchen beiſtehen werden. Und dann
allgemeiner Krieg. ... Dieſer offene Trotz muß
einen ganz beſondern Grund haben. Und hätte er
keinen, wäre er blos aus der ſehr edlen Leidenſchaft¬
lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann
wäre er von den beſten Folgen. In der jetzigen Lage
der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts
vernünftigeres thun; unſere ganze Hoffnung beruht
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[223/0237] Höchſt merkwürdig iſt ein Artikel in den neue¬ ſten Blättern der deutſchen Tribüne: „Der Kampf „des deutſchen Bundes mit der deutſchen „Tribüne.“ Der Verfaſſer ſagt: ohne Zweifel werde die deutſche Bundesverſammlung ihren neuen Feldzug gegen die deutſche Freiheit damit beginnen, daß ſie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬ auf erfolgen? Die Tribüne wird ſich nicht wehren laſſen und fort erſcheinen. Die Baieriſche Regierung wird dann durch Soldatengewalt die Preſſe zerſtören wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern ſich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer Freiheit gegen die Königsſoldaten kämpfen. Gelingt es ihnen nicht und ſind ſie zu ſchwach, dann wird man die benachbarten Franzoſen zu Hilfe rufen, die trotz und entgegen ihrer „verächtlichen Regie¬ rung,“ den Deutſchen beiſtehen werden. Und dann allgemeiner Krieg. ... Dieſer offene Trotz muß einen ganz beſondern Grund haben. Und hätte er keinen, wäre er blos aus der ſehr edlen Leidenſchaft¬ lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann wäre er von den beſten Folgen. In der jetzigen Lage der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts vernünftigeres thun; unſere ganze Hoffnung beruht auf der Unvernunft der Tyrannei. Dieſe herauszu¬ fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen Schriftſtellers ſeyn, der von der Sache etwas ver¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/237>, abgerufen am 05.05.2024.